Der innere und der äußere Schweinehund, sich arrangieren oder etwas ganz Anderes tun?
Geschrieben am 11. September 2008 von KPBaumgardt
„Och nööh – schon wieder so eine Suggestivfrage, wo bleibt da meine freie Entscheidung?“
Könnte sein, dass jemand auf diesen Gedanken kommt; bei der Diät-Umfrage wurde die Aussage „Diät ist für mich ein ausgewogener Lebensstil mit Maß und Ziel“ jedenfalls schon mal derart kommentiert.
Aber die Schweinehund-Frage ist doch nicht suggestiv? Vor allem: Sie ist noch längst nicht gelöst… Offenbar stellt der „innere Schweinhund“ uns immer wieder vor neue Probleme:
sich mit “sonderportionen” zu BELOHNEN ist schon das ende. ich rauche seit 1/4jahr nicht mehr… das ist ähnlich, ich hatte auch tage, an denen ich mich mit einer zigarette belohnen wollte. völliger schwachsinn, sich alte und “schlechte” gewohnheiten, die man ja loswerden will, als BELOHNUNG zu nehmen! den inneren schweinehund, der von haus aus träge, faul und uneinsichtig ist, muss man zum schweigen bringen oder überhören. [ Stephanie ]
Während der „innere Schweinehund“ (der verinnerlichte Schweinehund?) schwer zu fassen ist, ist zumindest die Wortherkunft erklärbar:
Im Mittelalter wurden „böse Menschen“ nicht nur als Hexen und Hexer verbrannt, man kannte auch zahlreiche „Ehrenstrafen“, mit denen die „Deliquenten“ letzlich aus der Gemeinschaft ausgeschlossen wurden. So den Pranger, (hier eine mobile Version, die „Schandgeige“)
oder Schandmasken – hier ein Modell mit Eselsohren und klapperndem Schnabel, das für „zänkische Frauen“ vorgesehen war.
Aus einer ähnlichen Kombination von Schwein und Hund entstand der „Schweinehund“ – und war zunächst eine äußerliche Angelegenheit, ein Mittel zur Bestrafung von unangemessenem oder unsittlichem Verhalten.
Schande, Scham, Beschämung und Entehrung hatten damals wie heute nicht das Ziel der Resozialisierung, sondern der exemplarischen Bestrafung, der Abschreckung, und waren auch Ventil für den „Sadismus“ der rechtschaffenden Bürger und des Klerus.
Wie es von diesen realen „höchstrichterlichen“ Maßnahmen zur „allgemeinen Verbreitung“ eines „inneren Schweinhundes“ gekommen ist, darüber kann nur spekuliert (besser geforscht; das wäre eine Frage an Sprachwissenschaftler und verwandte Disziplinen) werden.
Da eine solche Instanz, deren Existenz ja aus Literatur und mündlichen Äußerungen belegt werden kann, kaum angeboren sein kann, wird sie irgendwie den Weg von außen nach innen gefunden haben. Lästereien, Hänseleien, auch körperliche Strafen, Misshandlungen, Vernachlässigung, Missachtung hinterlassen psychische Spuren.
Aus dem „Du bist …“ (gefrässipg, ein Schwein, unfähig, klein u.v.m.) wird ein „Ich bin …“ oder eine kleine, verkapselte Instanz, die immer mal wieder, meist im denkbar ungeeigneten Moment, ihre Störsignale sendet und dabei allzu oft genau den „schwachen Punkt“ trifft.
Angeboren sind solche Einstellungen jedenfalls nicht. Es mag auch Erinnerungen an traumatische Erlebnisse „rund ums Essen“ geben, die eine zuvor vielleicht unverkrampfte Einstellung dazu zerstört haben.
Notwendigerweise muss das Kind irgendwie auf solche Ereignisse von Zwang und Schuldzuweisung reagieren. Es bildet sich ein „falsches Selbst“.
Merkwürdigerweise wird der „innere Schweinehund“ sehr oft im Zusammenhang mit Belohnung und Entschädigung erwähnt, die aber schließlich, im Übermass „genossen“, auf eine Bestrafung hinauslaufen.
Solche verstörende Mechanismus sind häufig, und, bis hin zur posttraumatischen Verbitterungsstörung, wirksam.
Der Pranger ist in unserer Gesellschaft keineswegs abgeschafft, sondern wird sorgsam aufbewahrt und beim Mobbing (1,2) und in ähnlichen Situationen wieder herausgeholt.
Wo der Schweinedackel einmal wirksam ist, ist es auch zu einem gewissen Arrangement mit ihm gekommen. Es gibt Konzessionen und Nachgiebigkeiten den Einflüsterungen gegenüber. Etwa so:
„Bewegung ist nicht gut – das ist nur etwas für Sportler, und außerdem wirklich unbequem. Hey: Abnehmen: DU doch nicht!“
Fragt sich, ob jemand, der dementsprechend träge (geworden) ist, einer inneren Einstellung oder einer inneren Einflüsterung folgt.
Das eine wie das andere hat man lieber früher als später zu bereuen. Und, eine gewisse Freiheit des Willens vorausgesetzt, kann dieser falsche Gehorsam auch mit einem starken Entschluss beendet werden.
Das sind ja alles keine allzu neuartigen Probleme:
„Aufsteigend mußt du dich bemühen,
doch ohne Mühe sinkest du.
Der liebe Gott muß immer ziehen,
dem Teufel fällt’s von selber zu.“
So sagte schon Wilhelm Busch; sagt
Schmollfisch.
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