Kinderschutz, Schweigepflicht, Finanzen und jährlich 120 Erziehungs-Todesopfer
Geschrieben am 18. Dezember 2008 von KPBaumgardt
Was Kinderschutz und Finanzen miteinander zu tun haben, entzieht sich unserer Kenntnis, wie auch, warum die Financial Times Deutschland zu diesem Thema publiziert.
«Kein Arzt sollte wegen des Bruchs der Schweigepflicht einer Strafandrohung ausgesetzt sein, wenn er bei einem Betreuer weitere Informationen im Interesse des Kindes einholt», sagte der Präsident des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte, Wolfram Hartmann, der «Neuen Osnabrücker Zeitung» (Dienstag). Schon in Fällen eines vagen Verdachts müssten Ärzte die Erlaubnis zum Gespräch mit Lehrern, Erzieherinnen im Kindergarten oder nichtärztlichen medizinischen Berufen bekommen.
Hartmann betonte, es werde dem Kindeswohl nicht gerecht, wenn bei vagen Verdachtsfällen grundsätzlich die Zustimmung der Eltern zu einem Gespräch mit Betreuern nötig sei.
Da wäre es doch interessant gewesen, einmal beim Verbandspräsidenten nachzufragen, seit wann seine Verbandmitglieder so viel Zeit haben, sich um sozialarbeiterische Fragen zu kümmern, aber dazu kommen die Journalisten leider nicht.
Beim „Westen“ finden wir noch ergänzend, Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU) habe zuvor in einem Interview angekündigt, zum Schutz gefährdeter Kinder in bestimmten Fällen die ärztliche Schweigepflicht zu lockern. Einen entsprechenden Vorschlag zur Reform des Kinderschutzgesetzes wolle sie im Januar ins Kabinett einbringen. Und – „Mehr zum Thema“: Misshandelt: Jedes Jahr sterben bis zu 120 Kinder.
Das Drehen an der Schweigepflicht kann auch nicht die Lösung darstellen:
Schon im November diesen Jahres heißt es in der Zusammenfassung einer regionalen Tagung zum Thema Kindesmisshandlung/Kindesmissbrauch:
“Datenschutz ist kein Hindernis beim Kindesschutz. Wichtig: Bei Verdacht oder festgestellten Auffälligkeiten ist mit Blick auf die spätere (juristische) Ahndung eine Dokumentation von großer Bedeutung!“
Die Misshandlung von Kindern wird hier primär unter juristischen Gesichtspunkten diskutiert.
Wie überforderten Eltern zu helfen ist, ist damit noch lange nicht geklärt. Die hierfür nötige Geduld, das Engagement, die Bereitschaft und Frustrationstoleranz, langfristig zu helfen, werden durch so eine Diskussion nicht bereitgestellt.
Es scheint, als zäume die Frau Familienministerin das Pferd von hinten auf: Diese Kinder brauchen keine Gesetze, sondern verlässliche Ansprechpartner, zusätzliche externe Bezugspersonen, weitere gesellschaftliche Integration und keine Bundestagsdebatte – gerade in der Wirtschaftskrise könnte der Staat sich hier sinnvoll engagieren.
Misshandelte und vernachlässigte Kinder können auch selbst zu Misshandlern werden – zunächst gegenüber beispielsweise der alleinerziehenden Mutter.
Die Betreuung bei den existierenden Heimplätzen wird der schwierigen Situation manchmal nicht im Mindesten gerecht (wie auch) – und in diesen Fällen gibt es kein offizielles Schweigegebot, sondern ein gesellschaftliches Tabu, und nicht die richtige Hilfe.
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