Das Nacht-Esser-Syndrom – nächtliche Fressorgien
Geschrieben am 24. Juni 2010 von KPBaumgardt
Wirklich erforscht ist das “Night Eating Syndrom” (“Nachtesser-Syndrom”) offenbar noch nicht, dafür aber bei vielleicht zwei Prozent der Bevölkerung verbreitet.
Nicht nur die Nacht-Esser, die nach Mitternacht magisch vom Kühlschrank angezogen werden, sondern auch die Mediziner tappen im Dunkeln,
und verschreiben auf Verdacht, oder nach Versuch und Irrtum Antidepressiva oder Entspannungskurse.
Professor Bankhofer hat viele “hilfreiche Tipps”, die sich in Etwa anhören wie die hilflosen Ratschläge, die man Bettnässern zur Unterbindung des peinlichen Leids gibt (weniger trinken und wenn, dann ein Glas Milch mit Honig), um zum Schluss zur Aussage
Wenn all diese Tricks gegen das Nacht-Esser-Syndrom nicht helfen, dann muß der Betroffene einen Psychologen oder Psychotherapeuten aufsuchen
zu kommen.
Die Betroffenen halten sich tagsüber recht tapfer, um in der Nacht, wenn die Aufmerksamkeit nun einmal herabgesetzt ist, zuzuschlagen und einen mehr oder weniger großen Teil ihres Kalorienbedarfs im Halbschlaf zu sich zu nehmen. Das hat unter Umständen auch ungünstige Folgen für die schlanke Linie, und man könnte sich streiten, ob es sich hier um eine Schlaf- oder um eine Essstörung handelt.
Vielleicht auch um eine Störung der Selbstregulation: Der Schlaf ist ja ein “regressiver Zustand”, in dem nicht das “erwachsene Ich”, sondern mehr das Unbewusste “regiert”.
Das ‘Unbewusste teilt dem bewussten Ich dann symbolisch mit, was es eigentlich will: Der geplünderte Kühlschrank signalisiert: Ich war gierig. Ich war hungrig. Ich habe mir geholt, was mir zusteht.
Den kindlichen Wunsch, gefüttert zu werden, erfüllt man sich notfalls selbst. Das Kind war ja noch wütend geworden, wenn es auf die Nahrung warten musste, und hatte auch wenig Wahl, wenn es überfüttert wurde. Da muss schon die eine oder andere Ambivalenz übrig bleiben…
Da NES viel mit Alltagsstress zu tun habe, sollte man vor dem Schlafengehen entspannen und aufregende Filme oder Konfliktgespräche mit dem Partner meiden. Sehr hilfreich bei NES seien Yoga oder autogenes Training. (Quelle)
Der “Alltagsstress” kann aber auch von der Störung herrühren. Yoga und ähnliche Entspannungsverfahren werden nicht schaden, sollen hier aber im Sinne einer verdeckenden Therapie gebraucht werden – damit sind Probleme noch nie gelöst worden.
Wir können aber auch einmal einen Psychosomatiker fragen:
3.1.10. Adipositas
Vier Gruppen:
• Rauschesser („oraler Orgasmus“)
• Daueresser (ständig Appetit)
• Nimmersatte (herabgesetztes Sättigungsempfinden)
• Nachtesser (oft Kombination mit Schlafstörungen)
Auslöser:
• Objektverlusterlebnisse
• Leistungsanforderungen
• Gefahrensituationen (Essen als Ersatzbefriedigung)
• depressive Verstimmung (Essen als Trost)
Psychodynamik:
• durch Essen Abwehr von Unlustempfindungen
• Infantilität, Regression auf orale Befriedigung; bei Kuren oft depressive Verstim-mung
starker AbhängigkeitswunschFamilie:
• gehäuft Übergewichtige
• überprotektive, überpossesive Mutter
• schwacher, unfähiger Vater
• Einzelkinder
• Beziehungskonflikte Eltern-Kind
• Schuldentlastung der Eltern durch orale Verwöhnung des Kindes.
Therapie:
Kalorien senken; körperliche Aktivität; Einführung in die Ernährungslehre; Selbsthilfegruppen;
Eßverhalten verändern; Psychotherapie selten möglich wegen des Suchtcharakters der Adipositas.
Aber bei diesem Papier handelt es sich wohl nur um eine anonyme Vorlesungsmitschrift eines Medizinstudenten, die irgendwie auf die Homepage der “Fachschaftsinitiative Erlanger Medizinstudenten” gelangt ist – und aus dem wirren Zeug können wir nur schließen, dass der wohl nichts verstanden hat.
Man beachte: “Selbsthilfegruppen” wird hier unter “Therapie” aufgeführt, aber: “Psychotherapie selten möglich wegen des Suchtcharakters der Adipositas”!
Fragt sich, ob da noch etwas hinzugelernt wird. So ist das jedenfalls ungenügend.
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[…] kann den nächtlichen Überfall auf den Kühlschrank (”Nacht-Ess-Syndrom”) auch mit Stress und erhöhter Cortisolausschüttung in Zusammenhang bringen – in diesem Fall bleibt […]