Die Gesundheitspolitik ist auf die Selbsthilfegruppen angewiesen – und umgekehrt

„Wenn Du etwas lernen möchtest, dann frage die Erfahrenen, und nicht die Gelehrten“

– so zitierte Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt am Montag ein chinesisches Sprichwort.

Auf der Fachtagung der hessischen SPD-Landtagsfraktion unter dem Motto

Selbsthilfe – Lobby für Patientinnen und Patienten

verwies auch Andrea Ypsilantis einleitend darauf, dass den Bedürfnissen der Patientinnen und Patienten teils unzureichend entsprochen wird, sie also sowohl eine Lobby brauchen, wie sie sich auch um ihre eigenen Belange selbst kümmern (müssen).

In der Zukunft der Gesundheitspolitik, so Schmidt, würden die Forderungen, die Selbsthilfearbeit zu stärken, lauter werden. Die Bedingungen werden schwieriger, wenn die Bevölkerungszusammensetzung sich ändert, mehr alte Menschen mehr chronische Krankheiten entwickeln, also dauernd krank sind und dauernd behandelt bzw. versorgt werden müssen: Vor 30 oder 40 Jahren hatten die Ärzte, so gesehen, eindeutig weniger zu tun, als in der Zukunft.

Da das Pensum größer wird, werden bei realistischer Betrachtung auch Nicht-Ärzte im Gesundheitswesen stärker eingebunden werden müssen (Wobei die Diskussion, ob es z.B. im psychiatrischen Bereich immer krankenpflegerisch oder sozialpädagogisch ausgebildetes „Pflegepersonal“ sein muss, schon längst geführt werden könnte).
Bei Behandlung und Forschung haben Selbsthilfegruppen ihre Aufgabe auch bei der Frage des Informationsflusses; zielgenaue Angaben sind allgemein ausgebildeten Ärzten bei speziellen Fragen oft unmöglich.

Medizinische Kompetenzzentren für schwierige Krankheiten können wertvolle diagnostische Arbeit leisten, wenn die Spezialisten bei Bedarf auch konsultiert werden können.

Zu gering ausgebildet ist bei seltenen Krankheiten das Problembewusstsein, aber auch „moderne Epidemien“ wie Alzheimer und Demenz fallen noch unter ein gesellschaftliches Tabu; damit die mögliche Prävention und Früherkennung geleistet werden kann, bedarf es größerer Sensibilität – und verbesserter Pflege- und (geriatrischer) Rehabilitationsarbeit.

Vorgelegt werden soll bis zum Ende des Jahres ein Gesetz zur Förderung der Prävention – wobei auch die „Mitbeteiligung der Betroffenen bei Entscheidungsprozessen“ festgeschrieben werden soll. Was das die 2,5 bis 3 Millionen in Selbsthilfegruppen „Organisierten“ heißt – läßt sich noch nicht genau sagen; schlimmstenfalls mehr Entfremdung und Funktionalisierung durch „irgendwelche“ Geschäftsstellen, Gelehrte und Experten, trotz „Ehrenkodex“ der SHG’s.
Die „Durchorganisation“ der Selbsthilfegruppen bis hin zu einem Bundesverband ist augenscheinlich unvermeidlich.

Spezielle Fragen und Probleme

Altenwohngemeinschaften könnten eine Form der Lebensgemeinschaft sein, die künftig eine Perspektive darstellt. Ein wenig abstrakt erscheint bisher die Unterstützung solcher Anliegen durch den Verband der Wohnungswirtschaft, obwohl die Kundenwünsche auf dem Tisch liegen.

Das Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom (ADS) ist eine Beeinträchtigung, die nicht adäquat aufgefangen wird. In Regel-, Realschule und Gymnasium gibt es die für die Diagnose ausgebildeten Lehrer nicht, Kinder und Jugendliche mit ADS werden nicht so weit wie möglich gefördert, die medikamentöse Behandlung kann fragwürdig sein und ist ohne therapeutisch-pädagogische Begleitung streng genommen sowieso kontrainduziert.

„Wer heute nicht gefördert wird, scheitert mit hoher Wahrscheinlichkeit später auf dem beruflichen Feld.“

Psychiatrieerfahrene sind oft ohne Mut, wenn es darum geht, etwas im Bereich der Selbsthilfe aufzubauen. Deshalb wurde der Bedarf an geschulten Helfern beim Aufbau von Gruppen angemeldet.

Während Krankenkassen sich beim Referentenhonorar allgemein oft aufgeschlossen zeigen, hat es bei der Einladung von Therapeuten schon Einwände gegeben, „weil keine Therapie stattfinden darf“.

Angeborene Herzfehler sind zwar selten, aber desto problematischer: Ein medizinisches Feld, das nicht groß genug ist, dass die Pharmazie hier Gewinnchancen sähe. Die Verlängerung des Patentschutzes für solche „Sondermedikamente“ könnte hier etwas helfen.

Parkinson-Patienten mit gewissem Pflegebedarf „landen“ schon als junger Mensch im Altersheim, wenn für frühe Pflegefälle keine adäquaten Wohngruppen geschaffen werden.

Zöliakie ist unheilbar und macht eine wirklich strenge Diät überlebensnotwendig. Bezeichnend für den Ausbildungszustand ist es, wenn es schon Fälle gegeben hat, in denen Zölikiepatienten für geheilt erklärt wurden.

Die Diagnose erfolgt oft erst sehr spät, nach einer langen Periode unerklärlicher Krankheit, Verlust des Arbeitsplatzes und Stress, der die Krankheit wie die fehlende Diät verschlimmert.

Wer wenig Geld hat und glutenfreies Brot kaufen muss, hat ein Problem, spätestens, wenn z.B. die Brille hinfällt.

Diabetes könnte zum Mehrheitsproblem werden – in diesem Zusammenhang wurde die „Bildungsfrage“ gestellt und auf die Eigenverantwortlichkeit hingewiesen.

Bluthochdruck: Auch hier gibt es Selbsthilfegruppen, die beabsichtigen, den „mündigen Patienten“ zu fördern und „Gräben zwischen Ärzten und Kliniken“ hinweg wünschen.

Borreliose ist ein Problem, für das keine Zahlen vorliegen. Bei den Ärzten wird der Pflicht zur Fortbildung zwar entsprochen – das Fortbildungsangebot (und das begehrte Begleitprogramm) richtet sich aber nach den Interessen der Ausrichter.

Stotterer machen ein Prozent der Bevölkerung aus. Davon merkt man nichts – es mag an mangelnder Aufklärung der Bevölkerung liegen, und auch die stotternden Frauen leben wohl überdurchschnittlich zurückgezogen.

Das Problem der Eltern-Kind-Entfremdung erscheint zwar durchaus nachvollziehbar, dürfte jedoch allgemein nicht bekannt sein. Es gibt eine Selbsthilfegruppe mit dieser Thematik, die jedoch dürfte wenig öffentliche Unterstützung erfahren.

Die Selbsthilfe nach Krebs berichtete von allzu unempathischen Ärzten: „Sie haben ja doch nicht mehr lange zu leben“. Weitere Fortschitte in der Psychoonkologie erscheinen dringend angeraten; Nervenerkrankungen und Depressionen durch mangelnde Hilfe sollten überflüssig sein.

Körperbehinderte im Krankenhaus haben oft schlechte Karten: Das Maß an Betreuung, das für sie notwendig ist, steht im normalen Krankenhausbetrieb nicht selbstverständlich zur Verfügung. Es wurde von „Folgeschäden infolge Krankenhausaufenthalt“ berichtet.

Übergewicht ist eine viel beklagte Zivilisationskrankheit, die für die Betroffenen mit Scham- und Schuldgefühlen verbunden ist. Essen als Ersatzhandlung und Engagement in Selbsthilfe vertragen sich nicht: Die Erkrankung wird heruntergespielt; Selbsthilfegruppen in diesem Bereich muss man mit der Lupe suchen.

Perspektiven

Die Rolle von Selbsthilfegruppen (nicht nur beim Informationsfluss) ist vielfältig: Bei der Suche nach guten Ärzten kann eine kompetente Empfehlung Gold wert sein. Nicht undenkbar ist, dass auch Ärzte am „Wissen der Betroffenen“ teilhaben können.

Immer noch arbeitet das Internet mit Hypertext und liefert auf dieser Grundlage ein Beispiel, wie Vernetzung funktioniert. Davon können auch Selbsthilfegruppen sich eine Scheibe abschneiden bzw. daraus eine Leitidee ableiten.
(Regionale) Kooperation etwa im administrativen Bereich ist theoretisch denkbar, aber auch das Feld „Gesunde Ernährung“ ergibt Gemeinsamkeiten, die ausgebaut werden können; eine gewisse Marktmacht besteht ja auch auf der Konsumentenseite – eigentlich.

Defizite in der Fortbildung und/oder Supervision der Gruppenleiter von SHG’s sollten nicht übergangen werden; deren Belastung kann sehr groß sein, während ihre Arbeit für selbstverständlich genommen wird.

Auch um die Ärztegesundheit steht es nicht zum Besten, wofür z.B. Alkoholiker besonders sensibel sein können, wenn sie das Alkoholproblem des (dann möglicherweise zynischen) Behandelndelnden erkennen.

Das gelegentlich noch massive Ständedenken im Gesundheitswesen halte ich nicht für ein feudales Relikt, sondern für einen narzisstischen Selbstschutzmechanismus derer, die sich mit einer Rolle als Halbgott identifizieren – aber auch solche „Weißkittel“ können nur mit Wasser kochen.

Raum- und Präsenzprobleme der Selbsthilfegruppen sind für deren Arbeit sehr hinderlich. Auf kommunaler Ebene wird hier eine unnötige Hemmschwelle für den Aufbau von SHG’s aufgebaut.

Hinsichtlich der Volkskrankheit Adipositas, für deren Behandlung die Zauberformel immer noch aussteht: Für ein begleitetes Modellprojekt „Wunschgewicht mit Eigeninitiative“ soll hier ein Konzept erstellt werden.
Der kostenlose Diättipp zum Abschluss:

Am 1. Oktober 2007 ist in Hessen das allgemeine Rauchverbot in öffentlichen Gebäuden in Kraft getreten.
Ganz ohne Gesetz und Dekret lässt sich für die Gesundheit umsetzen: Bei der Verpflegung auf Veranstaltungen überwiegend Vollkornprodukte anbieten und auf raffinierten Zucker verzichten.

Weiterlesen bei:

Selbsthilfe bei Adiositas/Übergewicht

Ab heute ist Karneval – Grund zum Feiern und zum Müsli-Frühstück

Wenn heute schon der erste Tag des offiziellen Fressnet-Frühstück-Karnevals ist, müsste doch eigentlich auch etwas zum Thema „Frühstück“ kommen.

Klammheimlich habe ich in den letzten Tagen ein paar Frühstücksfotos gemacht, die sich alle total ähnlich sind.

Nicht ganz zufällig hab‘ ich eben noch bei den Leutz, die nach dem Motto

hallo, wir machen muesli

Stell‘ Dir Dein Müsli selbst zusammen. Wir liefern es Dir nach Hause.

Müsli durch die Republik vesenden, angefragt, ob sie sich noch am Karneval beteiligen möchten: Mein persönlicher Frühstücksfavorit ist nämlich Müsli.

Das ist, natürlich, Geschmackssache. Vielleicht gibt’s hier noch mal eine spezielle Müsliseite; bei den Diättipps ist es jedenfalls schon gelistet.

Mit Monstropolis gibt es so einen ungeschriebenen Vertrag, dass ich immer mal wieder ein Bild liefere, bei dem ganz unauffällig und zufällig der Fressnet-Schriftzug eingearbeitet ist; diesmal zufällig bei einem Bild mit dem Thema „Frühstück“. Das sieht dann so aus:

Das könnte zwar noch aus der Zeit von Schere und Klebstoff stammen – eine simple Montage ist aber doch enorm ausdrucksfähig, oder? Aber Müsli lässt sich auch anders darstellen, etwa so:

Und sicherlich noch ganz anders, deshalb ja auch die Anfrage, was die Müsli-Versender so als Frühstück machen.

Ansonsten ist natürlich jeder seines Frühstücks Schmied – und nun zeigt mal, wie Ihr das praktisch macht!

Morgenstund‘ hat Gold im Mund, und der Tag ist Dein Freund

– wie auch immer; auch das individuelle Frühstücks-Motto ist gefragt.

Oder, anders gesagt:

Wie sieht Euer Frühstück aus?
Ob nun Müsli, Cornflakes, Eier mit Speck oder die Blöd-Zeitung – egal – wir sind gespannt!Nachtrag:

Zur Auswertung der Blog-Parade: Frühstück

Das praktische Wissen und ressoucenschonender Möbelbau

Logo Blogparade praktisches WissenBeim Blog-Karneval „praktisches Wissen„, den Reto Stauss noch bis 12. Oktober 2007 veranstaltet, wäre nach dem „praktischen Unwissen“, dem „unpraktischen Wissen“ oder dem „theoretischen (Un-) Wissen“, also den eigenen Defiziten, den Gebieten, auf denen man Hilfe braucht oder „zwei linke Hände“ hat, zunächst mal nicht gefragt.
Etwas herzustellen, neues zu bauen, kann ja sehr einfach sein: Bei LEGO-Steinen reichen einfache Steckverbindungen, und wer als Kind sich ausreichend damit beschäftigt hat, muss sich als Erwachsener nicht dafür schämen. Ein formschöner Zettelhalter ist langlebig, schnell hergestellt, und, bei Bedarf, auch wieder umgebaut: Plastik-Recycling ohne Einschmelzen.
Lego-Zettelhalter

Wie beim LEGO-Bauen geht es bei der Holzbearbeitung zu: Aus gegebenen Teilen etwas funktionierendes herzustellen. Im Fall der

„Spiegelvitrine in Massiv- und Restholzausführung“

habe ich diverse Reste (ein alter Spiegel, die Seitenwand eines alten Kiefernschränkchens, eine viertel Tischplatte aus den 60-er Jahren) mit diversen „neueren“ Materialien (die Glastür stammt – günstig – aus dem „Fundus“ einer Möbelkette) kombiniert. Bis alles wie im Baukasten zusammenpasste, musste noch etwas gesägt werden…
Beschläge und Schrauben aus dem Baumarkt, der Türgiff war irgendwie noch übrig.

Ich glaube, dieser Beitrag passt ganz gut in die Rubrik

„Tätigkeiten, welche zu einem Stück Unabhängigkeit und Selbstversorgung beitragen“.

Auch, weil die günstigen Schranktüren in der Kompakt- und Versuchsküche von Fressnet.de ihren Einzug hielten.

Nachtrag:

Eine gute Ausnutzung des Innenraums ist bei der Küchenarbeit praktisch und hilft auch, mit „wenig Schrank“ auszukommen. Das hatte ich so umgesetzt, dass ich die Schrankböden auf die einzuräumenden Gegenstände (+Abstandshalter) legte und dann festschraubte.

Links noch ein Beispiel für ein Schränkchen aus Holzresten: Tischplatte Esstisch 60-er Jahre und Reststück einer Arbeitsplatte.

Kommen wir zu den Fragen im Detail:

  • Welches praktische Wissen wendet ihr an?

Dass der rechte Winkel nicht immer sein muss. Wo etwas zu kurz ist, kann man noch ein Stück dransägen 😉 .

  • Wie habt ihr euch das praktische Wissen angeeignet?

Dabei sind die spärlichen Erfahrungen, die ich beim Möbelbauen gemacht habe, eingeflossen. Schon das kindliche Spiel ist Grundlage für das praktische Wissen; Versuch und Irrtum, Gespräche mit Fachleuten, Lernen am Beispiel, Mut zur Unvollständigkeit. Übung!

  • Was sind eure Quellen (Bücher, Webseiten, Foren, Aus- und Weiterbildungen, Personen, ….)?

Etliche Anregungen zum Innenausbau und Möbelbau während der Lehre im Furniergroßhandel. Sicherlich habe ich schon mal in eine Zeitschrift für Heimwerker geschaut. Für das hier vorgestellte Teil gab es keinen fertigen Bauplan. Bei den Scharnieren z.B. gibt es die Anwendungsbeispiele im Baumarkt, der freundliche Verkäufer im Eisenwarenkleinhandel, der einen noch beraten hat, ist ja ausgestorben.

Auch Nachdenken und Tipps von Anderen können helfen.

  • Gebt ihr euer Wissen weiter? Wenn ja, wie?

Im Prinzip: Ja. Auch theoretisches. Wer fragt, bekommt auch eine Antwort, wenn möglich.

Und auf die Sache mit der Komposttüte weise ich immer mal wieder hin…

Schlank mit Contax, Abnehmen mit Meditation und Visualisierung

Budda beim Nachdenken über ein SchachproblemEigentlich hätte dieser Beitrag auch die Überschrift

Rettet den Kleinbildfilm!

verdient: Immer noch beim Aufräumen fiel mir dieses Originalfoto in die Hände, noch „von Hand“ im Fotolabor entwickelt; die heutige digitale Generation weiß oft gar nicht mehr, was Verschlusszeit und Blende sind, geschweige denn Entwickler und Fixierbad.

Gute Fotoausrüstungen gab es also schon im „analogen Zeitalter“, und wer mal in einem durchschnittlichen Fotogeschäft nach einem Rollfilm fragt, wird feststellen müssen, dass eine ganze Kamerageneration aufs Abstellgleich gefahren wird, ihr keinw Betriebsmittel mehr zur Verfügung gestellt werden.

Auch der Markt für Kleinblidfilme ist schon ziemlich ausgedünnt. Da wir hier neulich von Nachhaltigkeit und der Notwendigkeit, Produktzyklen zu verlängern, statt zu verkürzen, sprachen, kam es zum obigen Aufruf; neben „Slow food“ auch das „langsame fotographieren“ weiter zu betreiben.

Einst ein Wunsch

Die abgebildete Contax war schlicht und schön – und für damalige Verhältnisse flach. Mit sochem Design begann der Trend zum „schlanken“ Gerät.
Zugegeben, der Slogan „Schlank mit Contax“ fiel mir auch nur ein, weil es einen ähnlichen Slogan für ein französisches Mineralwasser gibt.

Versprochen wird uns so Einiges – die Idealfigur zum Beispiel. Es gibt Ratgeber – Bücher, die empfehlen, sich mit geschlossenen Augen vorzustellen, wie das ist, die Idealfigur zu haben.

Es gibt Nahrungsmittelverpackungen, die uns diese Mühe der Visualisierung abnehmen.

Es gibt eine wahre Bilderflut, aber jeder, der fotographiert, hat ein paar Lieblingsbilder, bei denen es sich gelohnt hat. Und, wir können mit Bildern auf etwas hinweisen, was uns beschäftigt. Etwas zeigen, das sich mit Worten nicht so ausdrücken lässt. Oder Impulse zum Nachdenken geben.

Die Streichholzschachtel zum Meditieren

Die Contax von damals war ein reines Prestigeobjekt. Fetischismus gibt es in jeder Branche. Davon kann man sich befreien, und Werkzeuge, die etwas taugen, nutzen. 20 Megapixel sind hoffentlich noch lange nicht wirklich nötig, und der Kleinbildfilm hatte sie schon längst.

Das waren jetzt ein paar Gedanken, die vielleicht etwas hektisch daherkamen und etwas mehr Ruhe verdienen.

Im Zusammenhang mit den Bildern steht ja auch noch, dass das Sehen eigentlich ein oraler Modus ist, womit das Zeigen auch in diesem Bereich verhaftet  ist.  Wer den gestrigen Beitrag noch nicht gelesen hat, kann die Streichholzschachtel anklicken.

Inspiration zu diesem Text lieferte „schneller meditieren„.

Diätberatung: Die Kostenfrage als Gretchenfrage und Werbung mit alten Schachteln

Wenn es um die neue Einbauküche oder mal wieder ein anderes Auto geht, sind die Ladies mit den paar Pfunden zuviel durchaus entschlussfähig – bei Beträgen, die sich auch schon mal im fünfstelligen Bereich bewegen.

Geht es aber um die Gesundheit, wird so getan, als sei die Kostenfrage die wahre Gretchenfrage. Von der Gretchenfrage zur Milchmädchenrechnung ist es nicht weit, und plötzlich verschwindet aller Mut und wird das Zögern groß – so groß, dass keine Entscheidung mehr möglich ist.

Dabei ist ein Kostenvergelich durchaus kein Problem: Die DGE offeriert 17 Gruppentreffen zu 205 EURO, macht 15 EURONEN pro abendlichem Gesundheits – Anschub; bietet einen Ordner mit Arbeitsmaterialien für 35 der europäischen Währungseinheiten; warscheinlich sind die Arbeitsblätter individuell gestaltet und mundgemalt.

Bei Fressnet.de ist die Gruppenberatung deutlich günstiger, dauert pro Einheit aber auch nur 75 Minuten, bietet außerdem den Mehrwert flexibler Inhalte und wirklich kleiner Gruppen. Und, bei Bedarf können wir auch noch „Turbo-Diät-Einheiten“ einschieben.
Die Arbeitsmaterialien sind nur schwarz-weiß, Farbdruck sparen wir uns, um die Kosten zu senken, und den Ordner für die Blätter mögen die Teilnehmer sich selbst organisieren.

Die Kostenfrage ist also nicht das Entscheidende. Die potentielle Kundin, beim Verabreden der Erstberatung: „Gut, dann also Mittwoch, 10 Uhr, ich muss jetzt Schluss machen, mein Mann braucht das Telefon.“

Der Mann braucht kein Telefon. Diät braucht er auch nicht, da er ja schon mager ist, was seine Frau noch nie war, jetzt eigentlich auch werden wollte – eigentlich; uneigentlich hat sie den Termin platzen lassen, und wir werden nie erfahren, warum. Schade, schade. Sie klang so motiviert, optimistich, mutig.
Streicholzschachteln sind altmodisch und darum alte Schachteln. Rechterhand seht Ihr ein Logo, das ausgedruckt – von der Breite her – auf die alten Schachteln passt.

Wir basteln uns ein Werbemittel. Und die Rückseite lassen wir auch nicht leer. Wer Vorschläge hat, möge sie einbringen. Vorläufig ist der folgende Text auf der Rückseite:

Ich will abnehmen nee doch nicht lieber so bleiben wie ich will wozu denn überhaupt das wird ja doch nichts na gut eine Diät mach ich noch ich komm schon allein zurecht von wegen Leib und Seele und Hilfe beim Abnehmen dass ich nicht lache hätt ja gerade noch gefehlt: Veränderung und Reform und gründlich, gemeinsam was erarbeiten und Lebensstil und lernen als ob ich nicht schon alles wüsste.

Hilfe!

Ich glaube, ich brauche jetzt mal eine Kommunikations-Design-Beratung  oder eine Meta-Diätberatung …

Herrgott – allein schon dieses grottenschlechte Layout … Motto: Augen zu und durch …

Kannibalismus, Aufmerksamkeitsoekonomie und Neosexualitaeten

Wie Ernährung sich gestaltet, kann oft nur als abartig bezeichnet werden, und in Extremfällen muss man es wohl als pervers bezeichnen. 2001 gab es in Rotenburg einen Fall von Kannibalismus, jetzt hat Klaus M. Beier ein Buch über sexuellen Kannibalismus geschrieben, ein Interview dazu wurde veröffentlicht.

Meiwes, der als “Kannibale von Rotenburg” bekannt wurde, ist lt. Beier weder ein geistesgestörter Mörder noch ein Sadist, sondern ein extremer Fetischist mit einer schweren Bindungsstörung:

“Mit dem Schlachten seines Opfers wollte Meiwes keinen Lustgewinn erreichen, wie es bei Sadisten der Fall wäre, sondern eine Bindung eingehen.”

Sein Opfer sei ein Masochist gewesen, der “sich den Penis abtrennen lassen und Qualen erleiden” wollte. Meier:

“Dafür hat er seinen Tod in Kauf genommen und so getan, als wäre es das Größte für ihn, wenn Meiwes ihn sich einverleibt. Dem wiederum waren die quälenden Handlungen zuwider, aber er nahm sie in Kauf, um an sein Ziel zu kommen. Im Grunde genommen handelte es sich um gegenseitiges Instrumentalisieren; ein Phänomen, das wir auch in normalen Partnerschaften finden.”

Wir könnten diese Abgründe menschlicher Leidenschaften eigentlich ignorieren. Wissenschaftlich distanziert von Kollusion oder Folie-à-deux zu sprechen, bringt immerhin etwas an Abstand.

Kybele, Zwiegeschlechtlich und kastriert

Der Hinweis, dass unter „Bindung“ auch

die stabile Neigung eines Individuums, die Nähe und den Kontakt zu einer oder mehreren spezifischen Person(en) zu suchen und aufrechtzuerhalten, die von dem Betreffenden subjektiv ein Gefühl von physiologischer und/oder psychologischer Sicherheit vermitteln

zu verstehen ist, erläutert, was da gefehlt hat: Sicherheit. Mir ist so, als hätte ich den Satz von Bowlby schon einmal gelesen, oder in einem Seminar gehört:

„Jeder von uns … neigt (dazu), anderen das anzutun, was ihm angetan wurde. Der tyrannische Erwachsene ist das tyrannisierte Kind von gestern.“

Tat, Opfer und Analyse sind mir nicht nachvollziehbar. Wahrscheinlich hätte selbst Herr Sacher-Masoch protestiert und sich dagegen verwehrt, als tiefgefrorener Fleischvorrat zu enden.
Wenn es hier um Bindung gegangen ist, dann um das kaltschnäuzige Ende der Bindung („Tja, da warst Du selbst schuld, was musstest du mir auch hörig werden“). Brandes, das Opfer, das vermutlich „nur“ geschlechtslos werden wollte, kann niemand mehr befragen. In früheren Zeiten hätte es – geachtet oder nicht – Priester werden können.

Der Täter ist weltweit bekannt geworden, wurde auf Titelseiten abgebildet, in den Nachrichten erwähnt, Filme wurden gedreht. Vielleicht, weil er sich geschmeichelt fühlt von so viel Öffentlichkeit, grinst er so oft, und über Herrn Beier, der eine wissenschaftliche Abhandlung über den sogenannten „sexuellen Kannibalismus“ schreiben musste.

Aus der Tatsache, dass die Partner, die nicht für lange ein Paar bleiben wollten, sich über ein Internetforum fanden, ist zu schließen, dass Kommunikationstechnik auch der Durchführung von außerordentlichen Abartigkeiten dienen kann, weil gewisse Foren allgemeine Werte außen vor lassen.

Der Täter, der sich längst als Prominenz fühlen mag, wurde mit öffentlicher Aufmerksamkeit belohnt.
Dem Opfer, mit seiner Bestrebung, Sexualität nicht nur abzuspalten, sondern abzutrennen, wäre vielleicht zu helfen gewesen. Das wird totgeschwiegen (müssten wir doch sonst die sexualmedizinische Unterversorung zugeben und etwas dagegen tun), wie auch allgemein die „Asexualität“ tabu ist, gerade als „unbedenkliche, unauffällige Neosexualität“, unter der ja niemand zu leiden hat.

Im besprochenen Fall wurde – zumindest im weitesten Sinne – dem Kult der Kybele gefrönt. Zu dessen Anfängen hieß es in den Sibyllinischen Büchern:

Dir fehlt die Mutter; drum such – ich befehl es dir, Römer – die Mutter

In der „Liebeskunst“ (1/501) hat OVID seine Abneigung gegenüber den Praktiken der „Eunuchen, die die Mutter Cybele mit phrygischen Melodien heulend ansingen“ deutlich gemacht.

Ebenfalls geschlechtslos im weitesten Sinne und, zwar äußerlich ein Riese, aber von der Entwicklung her sehr, sehr prägenital ist die mythologische Gestalt des Zyklopen.

„Der Kannibalismus hat seit jeher in Polyphem seinen Archetyp“: So Fuhrmann 35, und er verweist wiederum auf Ennius (ann. 321f. V. 319 Sk.), wo von dem vom Menschenfleisch geschwollenen Bauch des Kyklopen die Rede ist.

Die Interpretationen zur poetischen Technik der Metamorphosen enthalten weitere Hinweise auf die Psychologie des Menschenfressers:

… Die beherrschende Polyphem-Gestalt der Metamorphosen ist aber nicht der Kannibale, sondern der Möchtegern-Galantuomo der burlesken Galatea-Geschichte … In summa: „Le bon Ovide, n’a rien d’un voyeur sadique“, so H. Le Bonniec mit einem Zitat von Montaigne.

„Galantuomo“ ist italienisch und entspricht dem englischen „Gentleman“. Galatea war eine schöne Meeresnymphe (schon wieder ein Wesen ohne primäre Geschlechtsmerkmale), in die der einäugige Riese sich verliebte. Im 13. Buch der Metamorphosen finden wir seine „grottenschlechte“ Liebeserklärung.

Wenn, oder dass nun auch das Stichwort „Sadistischer Voyeur“ auf den Menschen, der gerne ehrenwert wäre, sich aber gar nicht galant verhalten hat, im hier vorgestellten Fall zutrifft, ist das wohl ein unheimlicher Zufall.

Artikel bei „Schattenwelten“

Messies, Übergewicht, Termine

Da von ADHS bzw. ADS im Zusammenhang mit Übergewicht und seinen Ursachen hier schon die Rede war, ist die folgende Übernahme einer Presseerklärung wohl legitim.

Die „zerstreute Persönlichkeit“ hat, wenn sie übergewichtig ist und den Termin bei der Diätberatung (regelmäßig?) vergisst, offenkundig ein Problem, dessen Lösung – nämlich einen ordentlichen Terminkalender zu führen – so schwierig doch eigentlich nicht sein dürfte. Oder liegt das Problem doch tiefer?

„Ich kann mich aber der Vermutung per analogiam nicht erwehren, daß hier ein ungewöhnlich großes Maß von nicht eingestandener Geringschätzung des anderen das Motiv ist …“ (1, S.173)

Die Mitteilung:

Sigmund Freud PrivatUniversität Wien

ZWEITE DEUTSCHSPRACHIGE MESSIE TAGUNG D-A-CH
Psychotherapeutische Sichtweisen
9. und 10. November 2007

Abgeleitet vom englischen Wort mess (= Unordnung) werden jene Menschen Messies genannt, die ihren Lebensbereich drastisch einschränken, indem sie zum Beispiel ihre Wohnungen mit Dingen überfüllen und unter Umständen sich auch die Organisation des Alltagslebens oft extrem erschweren.

Die amerikanische Sonderschulpädagogin Sandra Felton prägte den Begriff „Messies“ für Menschen, die an dieser Desorganisation bezogen auf Raum, Zeit und sozialer Integration leiden und etablierte eine Selbsthilfebewegung in den USA. Aufgrund internationaler Entwicklungen und unseren Erfahrungen ist anzunehmen, dass unter dem Messietum eine größere Anzahl von Menschen leidet: Für Deutschland werden 300.000 betroffene Personen geschätzt; dies würde darauf hindeuten, dass es in Österreich möglicherweise 30.000 sind.
Internet – Diskussionsforen, Vereine, Selbsthilfegruppen und alle unsere Angebote stoßen auf rege Nachfrage und dem immer stärker werdenden Bedürfnis nach Hilfe durch Psychotherapie.

Derzeit steht fest, dass diese psychische Entität nicht ausreichend wissenschaftlich dokumentiert oder aufgearbeitet ist. Es gibtChaos populärwissenschaftliche Ratgeber – Literatur, die durch Anleitung Verhaltensänderung verspricht oder Darstellungen von einzelnen Fallbeispielen. Die wissenschaftliche Auseinandersetzung im deutschsprachigen Raum begann mit einer Fallstudie zum „Vermüllungssyndrom“, in den USA Anfang der 60er Jahre des vorigen Jahrhunderts mit dem Begriff „compulsive hoarding“.

Da dieses Leiden nicht als psychische Störung erfasst wurde ergibt sich derzeit ein Mangel an psychotherapeutischer Kompetenzentwicklung.

Aufgrund des bisher unzureichenden professionellen Angebots im psychosozialen, psychotherapeutischen und psychiatrischen Versorgungsbereich, konnte im Rahmen der Sigmund Freud PrivatUniversität Wien und der Psychotherapeutischen Ambulanz der SFU die erste und einzige Plattform in Österreich für Betroffene und deren Angehörige geschaffen werden: die Expertenunterstützte Selbsthilfegruppe, die Expertenunterstützte Angehörigengruppe, Gruppenpsychoanalyse für Messies, die öffentliche Vortragsreihe zu messiespezifischen Themen, Informations- und Aufklärungsarbeit in der Öffentlichkeit, die Messies-Kunstgruppe, die Organisation der Ersten und Zweiten Österreichischen Messie Tagung, Psychotherapie auf Krankenschein und letztlich Unterstützung durch StudentInnen.
Die Zweite Deutschsprachige Messie Tagung (D-A-CH) setzt sich zum Ziel, die aktuellen Forschungsergebnisse der Messies-Forschungsgruppe unter der wissenschaftlichen Leitung von Rektor Univ. Prof. Dr. Alfred Pritz zu diskutieren. Die klinische und wissenschaftliche Definition, die dahinter liegenden psychodynamischen Prozesse und weitere Aspekte – wie die Auseinandersetzung mit Angehörigen und jugendlichen Betroffenen – sollen beleuchtet werden. Daher soll mit dieser Tagung versucht werden, dem Messie-Phänomen näher zu kommen, um es besser zu verstehen und Konsequenzen für die effiziente psychotherapeutische Arbeit ableiten zu können. Den Tagungsfolder mit näheren Informationen sowie das Anmeldeformular finden Sie unter www.sfu.ac.at (Veranstaltungen).

Wenn die Gesundheit Nebensache wird, kann der Tod als Nebenwirkung eintreten

Beim Bandscheibenblog fand ich eine Meldung, die merkwürdig genug schien, ihr noch etwas nachzugehen: Die Verbraucherzentrale Hamburg hat eine Liste mit einem recht umfangreichen Überblick zu den gängigen Schlankheitsmitteln veröffentlicht. Dort heißt es aber auch:

Der Tod der 19-jährigen Schülerin Meltem aus Hannover, ausgelöst durch das illegale Schlankheitsmittel Dinitrophenol, macht auf erschütternde Weise deutlich, wie der Schlankheitswahn unter vielen jungen Frauen durch skrupellose Geschäftemacher angeheizt und kommerziell ausgenutzt wird.

Von „Dinitophenol“ hatte ich noch nie etwas gehört – mehr, als dass es „Schlankeitsmittel“ gibt, die vollkommen unwirksam sind, und welche, diie der Gesundheit nicht zuträglich sind, wollte ich eigentlich auch nie wissen.
Medienmitteilung

Schwyz, 17. Juni 2002

Die Wirkung von DNP beruht auf einem Eingriff in den Energiestoffwechsel der Zelle. Dadurch entsteht Wärme in den Körperzellen (intrazelluläre Hyperthermie). Da man davon ausgeht, dass Krebszellen empfindlicher auf Wärme reagieren als normale Körperzellen, hofft man, über diesen Mechanismus ein Mittel zur Krebstherapie gefunden zu haben. Auf DNP wurde man 1933 wegen Vergiftungserscheinungen bei Arbeitern einer Munitionsfabrik in Frankreich aufmerksam. In der Folge gelangte es in den USA als Mittel gegen Fettleibigkeit zur Anwendung. Das Medikament wurde dann allerdings 1938 wegen der Bildung von „Grauem Star“ von der Food and Drug Administration (FDA) verboten. Aufgrund seiner Nebenwirkungen ist DNP derzeit in keinem Land der Welt als Arzneimittel zugelassen.

Ähnlich hatte es auch Wikipedia erklärt, und dem ersten Anschein gab es keine Hinweise auf Werbung für diesen Stoff.

Aber, am Ende ersten Ergebnisseite fanden sich auch schlimme Verharmlosungen:

DNP does not have the anorectic effects of ephedrine or other thermogenic agents; rather, it tends to increase hunger, particularly appetite for carbohydrates. This problem is easily solved with appetite suppressants, and one may even use ECA itself for this purpose while on DNP.

Blumen mit Trauerrand

Das ist nur ein Ausschnitt aus einer langen Seite, auf der DNP als eher harmlos und wohltätig beschrieben wurde.

Die 19-Jährige, die an einer Überdosis starb, von der sie nicht wissen konnte, dass es zu viel war, hatte das Mittel von ihrer älteren Freundin besorgt bekommen, die es auch selbst einnahm. Nun ist Meltem gestorben, und ihre Freundin stand letze Woche vor Gericht – zu dem Verfahren und dem Vorfall waren nur ganz wenige Informationen zu finden, die Anteilnahme war augenscheinlich gering.
Bei einer größeren Wochenzeitung fanden sich ein paar Leserkommentare mit etwa diesem Tenor:

„Bestraft werden müssen die Hersteller und Vertreiber dieses Giftes!!! Das junge Mädchen wird da doch niemals drüber weg kommen, dass es schuld am Tod der besten Freundin ist. Aber auch die Medien tragen eine Teilschuld. Wie oft werden uns dürre Models als Schönheitsideal gezeigt!“

Man möchte ergänzen: Wie sehr sind Journalisten und auch Verbraucherberater dem Machbarkeitswahn verfallen und geben unter dem Vorwand, zu informieren, sinnlose Tipps, die die Hoffnung, unrealistische Maße zu erreichen, anheizen statt zu mildern, die nur an Äußerlichkeiten orientiert sind und nicht an den wirklichen Problemen der Betroffenen?

Die Schuldzuweisung an die Freundin ist übrigens unnötig: Freundinnen, Freunde, Geschwister usw. sind nicht in der Lage, einen neutralen Rat zu geben, sondern schließen meist von sich auf die Bedürfnisse des Anderen. Da sollte der Komentator, der so hart urteilt, auf seine eigenen Ratschläge Acht haben – schweigt er aber nur, macht er sich auch evtl. „schuldig“.

°

Andererseits: Die Warungen vor den Diätpillen werden erst langsam deutlicher. Ich selbst hatte es auch größtenteils nicht so ganz ernst genommen, obwohl auch hier im alten Forum noch Beiträge mit deutlichen Warnung herumgeistern.

Wir werden das Thema noch einmal aufgreifen müssen.

Nachtrag:

Jana R. ist frei. Eine Schuld am Tod ihrer Freundin, mit der sie gemeinsam das verbotene Schlankheitsmittel Dinitrophenol (DNP) eingenommen hatte, sei der 22-Jährigen nicht nachzuweisen, sagte die Amtsrichterin.

Es sei nicht zu beweisen, dass die Angeklagte von den Gefahren des illegalen Schlankmachers gewusst und ihre Freundin nicht ausreichend über die Risiken aufgeklärt habe, sagte die Richterin. Daher sei sie vom Vorwurf der fahrlässigen Tötung freizusprechen.

Der Verteidiger sagte, der Prozess sei wichtig gewesen, um die Öffentlichkeit auf die Gefahren illegaler Schlankheitsmittel aufmerksam zu machen.

Seine Mandantin verlasse zwar als freier Mensch den Gerichtssaal, doch der Tod ihrer Freundin belaste sie weiterhin sehr. „Dies ist für uns kein Tag der Freude.“

Süßstoff- und Zuckerrezeptoren im Dünndarm: Insulinschub und Heisshunger

Wenn wir etwas süßes essen oder trinken, ist das meistens recht angenehm – wann es zu süß wird, ist individuell unterschiedlich und eine Frage des (anerzogenen) Geschmacks.

Wir wissen jedenfalls, wenn etwas süßes (eigentlich also: zuckerhaltiges) „auf der Zunge liegt“, und damit sind meist sogar angenehme Emotionen verbunden. Genau genommen, setzen wir dabei eine wertfreie Information in Emotion um: Die Geschmacksempfindung leitet sich aus der Information bestimmter Rezeptoren (sozusgen: Sensoren), die sich auf der Zunge befinden, ab. Die Information, der Nachrichtenimpuls wird ins Gehirn weitergeleitet, als aus der Mundhöhle stammend lokalisiert und interpretiert.

Magen-Darm-SystemIn einem der berühmtesten Krankenhäuser der USA, der „Mount-Sinai“-Klinik in New York, hat man kürzlich herausgefunden, dass die fraglos wichtigen Süß-Rezeptoren nicht nur auf der Zunge, sondern auch im Dünndarm arbeiten. Wie sie das herausgefunden haben, ist in dem Artikel nicht beschrieben, aber, dass sie es herausgefunden haben:

“We now know that the receptors that sense sugar and artificial sweeteners are not limited to the tongue. Our work is an important advance for the new field of gastrointestinal chemosensation – how the cells of the gut detect and respond to sugars and other nutrients”.

Da der Darm zum Glück autonom vor sich hinarbeitet, ohne mit den Informationen seiner Sensoren unsere Wahrnehmung unnötig zu belästigen, haben wir von Süß-Rezeptoren im Darm bisher nichts gewusst.

Das Ärzteblatt berichtet über die Studien wie folgt:

Im Darm haben die Rezeptoren nicht die Aufgabe, Geschmackserlebnisse zu vermitteln, sondern sind schlichte Messinstrumente für den den Zuckergehalt der Nahrung, die im Dünndarm die Freisetzung des “Glucagon-like peptide-1” ins Blut veranlassen.

Dieses Hormon stimuliert wiederum die Freisetzung von Insulin aus dem Pankreas. Das hat physiologischerweise den Sinn, den Stoffwechsel auf das bevorstehenden Eintreffen von Glukose vorzubereiten, die es an die Zellen zu verteilen gilt. Wenn die Rezeptoren jedoch nicht durch Glukose, sondern durch künstliche Süßstoffe stimuliert werden, kommt es zu einem relativen Überangebot von Insulin, worauf der Körper mit Heißhunger reagiert. Dieser Kreislauf erklärt nach Ansicht der Autoren, warum der Ersatz von Zucker durch Süßstoff nicht immer den erwünschten Effekt erzielt, sondern die Adipositas sogar noch fördern könnte.

Das klingt ja alles sehr rund und plausibel. Stellt sich zum Einen die Frage, warum man hierzulande nicht schon früher darauf gekommen ist, zum Anderen aber die vielleicht wichtigere Frage, wie wir die Körpersignale, wenn sie ankommen, interpretieren: Ist Heißhunger und Heißhunger das Gleiche, wie interpretieren wir den Hunger und sind wir in der Lage, vernünftig zu reagieren?

°

Lohas – Konferenz: Nachgeschobener Bericht

Die Power-Konsumenten der Gegenwart waren es ncht unbedingt, die sich am Montag in der Hausener Brotfabrik zum „Lohas-Gipfel“ zusammenfanden, wenn auch das Zukunfts-Institut aus der Möbelstadt Kelkheim erwartet, dass bald 50% der Bevölkerung sich zum Lebensstil von Gesundheit und Nachhaltigkeit bekennen, zur Zielgruppe LOHAS gehören.

Aber gut 100 kreative Personen aus Bereichen wie Finanzen, Ernährung, Mode, Handwerk, Werbung, Presse u.A. kamen zusammen, um sich zum Thema zu informieren und auszutauschen – ohne großartige Werbung, nur aufgrund der von Christoph Harrach auf dem Blog für Karma und Konsum ausgesprochenen Einladung, die sich über die Medien des Internet weiterverbreitet hatte – ein praktischer Beleg dafür, dass das Web tatsächlich vernetzen kann.
Einen mit vielen Soziologismen gespickten und von ausführlichen Folien unterlegten Vortrag hielt Eike Wenzel – dass LOHAS wenig mit Jenseitsdynamik und Utopie (wobei Utopie von der Wortbedeutung her ein Nicht-Ort ist) zu tun hat, die Betreffenden sich als Lebenskünstler und Hedonisten verstehen waren vielleicht die wichtigsten Punkte. Die zur Ironie und Betonung des Sexuellen neigende Spassgesellschaft weicht einer (Wiederbetonung?) von Freundschaft, Authentizität und Eros, das Glauben der Spiritualität.

LOHAS-Kollage
Der nächste „Lichtblick“ war Harry Otto, Werber mit „grüner“ Klientel, der kostengünstige PR-Aktionen mit Hilfe eines Kasperletheaters, das Socken verwendet, realisiert. War bei der bisherigen Werbung immer das „kauf mich, kauf bei mir“ die zentrale Aussage, geht bei der kritischeren Kundschaft genau diese Aussage nur noch auf den Nerv, werden glaubwürdige Empfehlungen wichtiger.

Ob erneuerbare Energie immer gleich unproblematisch ist, wurde nicht thematisiert; Alternativen zur Maissilage als Biomasse etwa müssen sich erst noch herumsprechen und durchsetzen.

Blogger

Kommunikationsdesign zu erklären, und noch dazu ethisch-ökologisch einwandfreies Design mit Wiedererkennungswert und Benutzerführung unter Berücksichtigung der präsentativen Symbolik, des Bauhauses und des Gelsenkirchner Barocks – in einer diskursiv-stringenten Zeichen-Abfolge also mitzuteilen, worauf es ankommt: Das ist nicht ganz leicht.

Andrea Niehaus hat sich der Aufgabe gestellt und manches erklärt, was schwer zu verstehen ist, weil ihr Gebiet selbst so extrem an einer Nahtstelle zwischen verschiedenen Aufgaben und Anforderungen liegt. Ihre Arbeit für den Nachhaltigkeitsrat zeigt deutlich, welche Probleme sich da auftun. Kommunikationsdesign versteht sich weniger als künstlerisches Tun denn als Handwerk(?), das im Team stattfindet, ist eine noch junge Wissenschaft, bei der es noch viel zu erforschen gibt…

In den Pausen…

Blogger

gab es nicht nur Speis‘ und Trank, sondern auch Meinungsaustausch & Kennenlernen; oben abgebildet meine Wenigkeit, xx (Auch das eine Frage des Kommunikationsdesigns: Verdecktes Namensschild (und schlechtes Namensgedächtnis, Sorry)), Sjörn, Konsumguerillero mit spitzer Feder, und Horst.

(Ich habe hier jeweils auf die – lesenswerten! – Beiträge zur Konferenz verlinkt.

Ob Harry Scherbach demnächst auch einen Blog eröffnet, ist eine sinnfreie, spontane Frage, die mir im Zusammenhang mit weiteren Zukunftsfragen gerade mal so eingefallen ist

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Fred Grimm gab mit seinem Abschlussvortrag überzeugend Anlass, sich auch für sein Buch „Shopping hilft, die Welt verbessern“ eingehend zu interessieren und gab auch viele Impulse für die

abschließende Diskussion.

Was ethischer, guter Kapitalismus ist oder sein kann, welche Verantwortungen hier wer übernimmt, wurde natürlich nur angerissen, und nicht beantwortet.
Am Beispiel der Energie- und Rohstoffzehrenden Produktion von Computern, die nach nur allzu kurzer Zeit ausrangiert werden, lässt sich zeigen, dass die schnellen Produktionszyklen höchst unökologisch sind.

Zeitlos-schöne, haltbare Prodkute sind auch auf anderen Gebieten (Mode, Möbel, Autos) Mangelware.
Wenn die Bild-Zeitung mit Grennpeace flirtet, wirkt das befremdlich; wenn Coca-Cola in der 3.Welt Trinkwasserprojekte fördert und andererseits den Bauern das Grundwasser wegpumpt, verlogen.

Bei den Lebensmittel werden immer noch 95% „konventionell“ erzeugt, und der Großteil der Bio-Produkte wird inzwischen über die Discounter verkauft.

Die Kosten der gesunden Ernährung darf man nicht isoliert betrachten: Ungesunde Ernährung wird, wenn sie Krankheiten nach sich zieht, in der Summe wesentlich teurer (was kostet ein neues Kniegelenk, 2 neue Kniegelenke usw?).

Die Budgetfragen der „kleinen Leute“ interessieren die, denen es gut geht, scheinbar wenig. Bei der Essmentalität gibt es einen Klasseneffekt, der sich nicht nur darin ausdrückt, dass 20% der Bio-Möhren ausgesondert werden, weil sie zu krumm für den Verkauf mit dem Anschein der perfekten Bio-Ware sind.

Funktionierende Netzwerkstrukturen sind hier wie bei „unseren Lieferanten“ im „fairen Handel“ notwendig (und kann mir mal jemand sagen, wieviele Cent von einem Euro, den ich für den Bio-Öko-Schlabber-Kakao ausgebe, in Bolivien ankommt, und wieviel davon der hiesige Vertrieb, der doch die wenigste Arbeit mit dem braunen Pulver hat, bekommt?).

Ob das alles fair und gleichberechtigt zugeht, wer welches Greenwashing betreibt, muss heute auch nicht die Frage sein.

Und über die Bedeutung von „Kooperative“ oder Kooperation mehr beim nächsten Mal.

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Artikel: Lohas, Nachhaltigkeit, Politik Lohas, Nachhaltigkeit, Politik

Frische Kommentare

  • N. Lang: Ein sehr schöner Bericht, beim lesen beschleicht einen direkt die Lust es doch selbst...
  • Sabrina: Schön, dass du bei der Bilanz dabei bist! Mit Spirulina und Algen zu experimentieren,...
  • ClaudiaBerlin: Mit all meiner fortgeschrittenen Lebenserfahrung kann ich sagen, dass das mit den...
  • Julia: Da hast du recht, was das Fermentieren angeht, bin ich Spätzünderin 😂
  • Ulrike: Nachhaltigkeit und Produkte aus der Umgebung sind wichtig, da bin ich ganz bei dir. Alles...

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