Geschrieben am 25. Juli 2008 von KPBaumgardt
Zu einem Beitrag aus dem Januar: „Bio-Öko-Fair-Trade-Schokolade“ hier noch ein Nachtrag:
Die „sportliche“ Öko-Schokolade ist seit April auf dem Markt, und wer sie sucht, findet sie auch im gut sortierten Lebensmitteleinzelhandel.
Die quadratische Tafel bricht – verpackungstechnisch bedingt – beim Auspacken in zwei Hälften, wer so eine Tafel ganz darstellen will, muss schon vorausschauend ein Schere benutzen.
Nun hat die „Öko-Ritter“ die gleiche Größe wie die Hälfte einer normalen 100-Gramm-Packung; diese Zauberei hängt mit der Gewichtsreduzierung um rund ein Drittel, auf 65 Gramm, zusammen, wobei die quadratischen Brocken ein wenig dicker als die rechteckigen sind.
„Weniger ist mehr Genuss“ wird hier offenbar vorausgesetzt – obwohl die Veränderung gängiger Verkaufseinheiten noch nie besonders viel Anklang gefunden hat.
Noch wagen es die Tankstellen nicht, zwei Drittel Liter Super zum „vergleichsweise günstigen Preis“ anzubieten, aber bei einer Einführung von Bio-Sprit mit Öko-Siegel könnte auch so etwas kommen.
Subjektive Beurteilung
Ist auch auf der Ritter-Verpackung ein „Aroma geschützt“ ausdrüclich angegeben, entströmte beim Öffnen der Feodora doch der stärkere Duft.
Ein Profi-Testschmecker könnte die beiden Sorten mit Sicherheit ganz leicht auseinanderhalten; die Feodora hat vielleicht ein wenig mehr Vanille-Geschmack und wirkt etwas säuerlicher, hat sogar einen winzigen Touch von Minze; diese Geschmacksnuance scheint der Ritter zu fehlen und es gibt einen ganz leichten Anklang an das Rustikale der Block-Schokolade.
Einen zarten Schmelz mit langem Nachgeschmack entwickeln beide, wenn man ihnen die Gelegenheit gibt.
Der Suchtfaktor, die Tendenz zum Weiteressen, ist bei der Ritter stärker.
Bei Feodora ist der Anteil an Edelkakao möglicherweise höher – dazu kann von hier aus jedoch keine verbindliche Aussage getroffen werden. Weder bei der Einen noch bei der Anderen stellt sich das Gefühl ein, nun den höchstmöglichen Genuss zu erleben.
Markt- und Markenpolitik
Grundsätzlich könnte ein Fair-Trade-Siegel bei solchen Waren als unnötig und übertrieben erscheinen, wenn die Sozialstandards der Herkunftsländer in Ordnung sind, und man kann auch so argumentieren, dass man die Kosten für die Zertifizierung lieber den Erzeugern zugute kommen lässt.
Ich persönlich mag diese Plaketten nicht, weil sofort der Verdacht entsteht, Produkte ohne diese Siegel seien unfair gehandelt.
Beim Kaffee macht das „fairtrade-Siegel“ schon einen deutlichen Unterschied pro Pfund, aber wir wissen nicht, welchen Teil der Differenz die Bauern bekommen.
Bio ist nicht automatisch fair, fair ist nicht immer gleich Bio, und fair ist auch nur mit Einschränkungen fair.
Fair wäre ein Zugang zu moderner Kommunikationstechnik auch für Menschen, die im Urwald ihr Brot verdienen; als Blogger war mir da die Idee der „bloggenden Campesionos“ gekommen; unter anderem hierzu kam aus dem Hause Ritter Sport vor einiger Zeit diese Antwort (Auszug):
… Kooperativen-Blog halte ich aus mehreren Gründen für wenig realistisch.
Unsere Engagement in Nicaragua betreiben wir seit 18 Jahren. In dieser Zeit gab es einige Rückschläge zu verkraften, wie z.B. eine Kakaokrankheit, die fast den gesamten Kakaobaumbestand vernichetete.
Alleine aus dieser langen Präsenz können Sie vielleicht ersehen, das es sich dabei für uns keineswegs um eine PR-Massnahme handelt und wir deswegen dieses Engagement, wie auch viele andere Aktivitäten nicht groß bekanntmachen.
Bloggende Campensinos würden nicht nur an der eventuellen Analphabetenrate (immerhin leider doch noch 24% der Bevölkerung in Nicaragua) scheitern, sondern auch daran, das die wenigsten Englisch beherrschen. Spanisch ist Landessprache, so dass gerade die meisten unserer Kunden (Deutschland) von so einem Blog wohl keinen Mehrwert hätten.
… Solch ein Blog wäre zudem vielmehr ein Mittel für die Schokoladenkonsumenten, beim Kauf einer Schokolade ihr Gewissen zu beruhigen, einen wirklichen Mehrwert für die Campensinos sehe ich dabei nicht.
Es erschließt sich erst nach einiger Zeit praktischen Bloggens, welche Bedeutung diese Form der Meinungsäußerung (und ohne Meinungsäußerung keine Demokratie, ohne Demokratie keine Gerechtigkeit usw.) haben kann.
Von außen betrachtet, hat das Bloggen auch hierzulande keinen „wirklichen Mehrwert“. Das ist ganz natürlich, und ganz natürlich wird sich diese Wahrnehmung verschieben.
Das Sprachproblem ließe sich mit einer zweisprachigen Version umgehen, und es gilt: Ein Bild sagt mehr als tausend Worte.
Eine Beschulung zumindest der Kinder müsste bei den jetzt so fairen Preisen doch drin sein.
Mehr und mehr Konsumenten achten tatsächlich darauf, wie produziert wird und wie ihr Kaufverhalten sich auswirkt: Das hat sicherlich auch etwas mit dem Gewissen zu tun, und das ist dann auch gut.
Die Idee zum „Campesionoblog“ hatte aber weniger mit gutem oder schlechtem Gewissen, sondern mit Neugier zu tun. Und mit Solidarität:
Die Abbildung auf der Kaffeepackung ist nicht nur ganz nett, sondern auch überaus kitschig gestaltet.
Wäre es nicht besser, diejenigen, um die es beim „fair trade“ geht, könnten selbst das Bild, das wir uns von ihnen machen, beeinflussen?
Wie viel Kommunikation dabei zustande kommt, wird man sehen.
Links:
Schokolade und Diät
Schokolade oder Kakao als Seelentröster beim Abnehmen?
Schoko-Käsekuchen ohne Boden
Was ist ein Weblog?
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