Geschrieben am 24. September 2007 von KPBaumgardt
Beim Bandscheibenblog fand ich eine Meldung, die merkwürdig genug schien, ihr noch etwas nachzugehen: Die Verbraucherzentrale Hamburg hat eine Liste mit einem recht umfangreichen Überblick zu den gängigen Schlankheitsmitteln veröffentlicht. Dort heißt es aber auch:
Der Tod der 19-jährigen Schülerin Meltem aus Hannover, ausgelöst durch das illegale Schlankheitsmittel Dinitrophenol, macht auf erschütternde Weise deutlich, wie der Schlankheitswahn unter vielen jungen Frauen durch skrupellose Geschäftemacher angeheizt und kommerziell ausgenutzt wird.
Von „Dinitophenol“ hatte ich noch nie etwas gehört – mehr, als dass es „Schlankeitsmittel“ gibt, die vollkommen unwirksam sind, und welche, diie der Gesundheit nicht zuträglich sind, wollte ich eigentlich auch nie wissen.
Medienmitteilung
Schwyz, 17. Juni 2002
Die Wirkung von DNP beruht auf einem Eingriff in den Energiestoffwechsel der Zelle. Dadurch entsteht Wärme in den Körperzellen (intrazelluläre Hyperthermie). Da man davon ausgeht, dass Krebszellen empfindlicher auf Wärme reagieren als normale Körperzellen, hofft man, über diesen Mechanismus ein Mittel zur Krebstherapie gefunden zu haben. Auf DNP wurde man 1933 wegen Vergiftungserscheinungen bei Arbeitern einer Munitionsfabrik in Frankreich aufmerksam. In der Folge gelangte es in den USA als Mittel gegen Fettleibigkeit zur Anwendung. Das Medikament wurde dann allerdings 1938 wegen der Bildung von „Grauem Star“ von der Food and Drug Administration (FDA) verboten. Aufgrund seiner Nebenwirkungen ist DNP derzeit in keinem Land der Welt als Arzneimittel zugelassen.
Ähnlich hatte es auch Wikipedia erklärt, und dem ersten Anschein gab es keine Hinweise auf Werbung für diesen Stoff.
Aber, am Ende ersten Ergebnisseite fanden sich auch schlimme Verharmlosungen:
DNP does not have the anorectic effects of ephedrine or other thermogenic agents; rather, it tends to increase hunger, particularly appetite for carbohydrates. This problem is easily solved with appetite suppressants, and one may even use ECA itself for this purpose while on DNP.
Das ist nur ein Ausschnitt aus einer langen Seite, auf der DNP als eher harmlos und wohltätig beschrieben wurde.
Die 19-Jährige, die an einer Überdosis starb, von der sie nicht wissen konnte, dass es zu viel war, hatte das Mittel von ihrer älteren Freundin besorgt bekommen, die es auch selbst einnahm. Nun ist Meltem gestorben, und ihre Freundin stand letze Woche vor Gericht – zu dem Verfahren und dem Vorfall waren nur ganz wenige Informationen zu finden, die Anteilnahme war augenscheinlich gering.
Bei einer größeren Wochenzeitung fanden sich ein paar Leserkommentare mit etwa diesem Tenor:
„Bestraft werden müssen die Hersteller und Vertreiber dieses Giftes!!! Das junge Mädchen wird da doch niemals drüber weg kommen, dass es schuld am Tod der besten Freundin ist. Aber auch die Medien tragen eine Teilschuld. Wie oft werden uns dürre Models als Schönheitsideal gezeigt!“
Man möchte ergänzen: Wie sehr sind Journalisten und auch Verbraucherberater dem Machbarkeitswahn verfallen und geben unter dem Vorwand, zu informieren, sinnlose Tipps, die die Hoffnung, unrealistische Maße zu erreichen, anheizen statt zu mildern, die nur an Äußerlichkeiten orientiert sind und nicht an den wirklichen Problemen der Betroffenen?
Die Schuldzuweisung an die Freundin ist übrigens unnötig: Freundinnen, Freunde, Geschwister usw. sind nicht in der Lage, einen neutralen Rat zu geben, sondern schließen meist von sich auf die Bedürfnisse des Anderen. Da sollte der Komentator, der so hart urteilt, auf seine eigenen Ratschläge Acht haben – schweigt er aber nur, macht er sich auch evtl. „schuldig“.
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Andererseits: Die Warungen vor den Diätpillen werden erst langsam deutlicher. Ich selbst hatte es auch größtenteils nicht so ganz ernst genommen, obwohl auch hier im alten Forum noch Beiträge mit deutlichen Warnung herumgeistern.
Wir werden das Thema noch einmal aufgreifen müssen.
Nachtrag:
Jana R. ist frei. Eine Schuld am Tod ihrer Freundin, mit der sie gemeinsam das verbotene Schlankheitsmittel Dinitrophenol (DNP) eingenommen hatte, sei der 22-Jährigen nicht nachzuweisen, sagte die Amtsrichterin.
Es sei nicht zu beweisen, dass die Angeklagte von den Gefahren des illegalen Schlankmachers gewusst und ihre Freundin nicht ausreichend über die Risiken aufgeklärt habe, sagte die Richterin. Daher sei sie vom Vorwurf der fahrlässigen Tötung freizusprechen.
Der Verteidiger sagte, der Prozess sei wichtig gewesen, um die Öffentlichkeit auf die Gefahren illegaler Schlankheitsmittel aufmerksam zu machen.
Seine Mandantin verlasse zwar als freier Mensch den Gerichtssaal, doch der Tod ihrer Freundin belaste sie weiterhin sehr. „Dies ist für uns kein Tag der Freude.“
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