Diät-Beratung, kostenlos und unverbindlich oder konkret
Geschrieben am 10. April 2011 von KPBaumgardt
Klar ist, dass eigentlich Jeder schon längst sein eigenes Rezept zum Abnehmen hat, also auch gar keine wirkliche, echte Beratung zum Thema will. Dass dennoch Fragen wie “Kann ich auch mit Spaghetti Carbonara abnehmen?” gestellt werden, ist die andere Seite der Medaille.
Auch im privaten Bereich sind manche Freunde widersprüchlich:
”Du hast jetzt zwar unheimlich viel zu “Diät” geschrieben, aber, was ich konkret machen soll, das finde ich bei dem Überangebot nirgends”.
Eine konkrete, ernst gemeinte Frage war das allerdings auch nicht, denn die (mündliche) Antwort
“Stell’ Dich am Besten auf eine vollwertige Ernährung um”
wurde vom genannten Personenkreis auch in den Wind geschlagen. Es wurde nur so getan, als ob man eine Anleitung oder Anweisungen suche, nur um den (vermeintlich bitteren) Rat zu verwerfen:
“Der hat auch kein Rezept, kann auch nichts bewirken”.
Oder auch: “Ich hab’ halt nur mal so gefragt…’”
Anregungen und Vorschläge ("Rezept-Sammlung mit dem Ernährungsplan", "Sattmacher-Rezepte" und viele mehr) werden am Rande wahrgenommen, aber nicht beherzigt: Wer Ratschläge verteilt oder verteilen könnte wird als Aggressor oder personifiziertes schlechtes Gewissen wahrgenommen und das wird abgewehrt. Entspricht der “Diätberater” zudem nicht dem Schlankheits- und Fitnessideal der Medien- und Sportindustrie, kann noch nachgelegt werden: “Dich mache ich doch nicht zu meinem Abnehmguru”.
Schön und gut: Im Allgemeinen werden auch eher Anleitungen als Vorschläge gesucht. Dem habe ich mich kürzlich angepasst, und aus der ehemaligen Überschrift
“Ernährungsumstellung – wie geht das?”
eine “Anleitung zur Ernährungsumstellung” gemacht 😉
Dass dabei dann doch keine Schritt-für-Schritt-Anleitung herausgekommen ist: Das hängt damit zusammen, dass die Portionsdiät am Ehesten eine Richtschnur liefert, und zum anderen daran, dass ich ohne detaillierte Informationen für niemanden seine eigene “Bedienungsanleitung” schreiben kann.
KostenlosWas nix kost’, ist nix wert. Oder: Wenn etwas verschenkt wird, ist immer ein Haken dabei. UnverbindlichWenn die Frage unverbindlich ist, ist die Antwort es auch. |
Ich nehme einmal an, dass es sich bei den genannten Grundsätzen um fest einzementierte Grundüberzeugungen handelt.
Ob wahr oder falsch, ist nicht so wichtig: Mit dieser Grundeinstellung kann niemand vom kostenlosen und unverbindlichen Fressnet-Angebot profitieren.
Unverbindliche Diät-Regeln führen nämlich nicht weiter. Sicher, man kann eine gesunde Lebensweise mit einer ungesunden Lebensweise vermengen, den einen oder anderen Diättipp annehmen und sich an der “Nebenbei-Diät” versuchen.
Unverbindliche Regeln: Das ist,als könnte man heute auf der rechten Seite, morgen mit Linksverkehr über Deutschlands Straßen kurven 😉
Warum ein Autohändler eine kostenlose und unverbindliche Probefahrt anbietet, ist klar. Dass ein Kunde, der gar kein Auto kaufen will oder kann, anschließend sich von dem Wagen wenig begeistert zeigt, auch. Früher oder später sagen diese “Interessenten”:
“Nö, will ich nicht.” Oder: “Die Kiste taugt nichts, zu teuer, zu billig, zu alt, zu wenig komfortabel, zu langsam, zu klein. Was der im Angebot hat, taugt nichts, und wie ich damit fahren soll, kann er auch nicht vermitteln. ”
Zunächst einmal tut es also weh, zu hören: “Der kann das gar nicht vermitteln”. Da der Schuh aber nicht passt, brauch’ ich ihn mir auch nicht anzuziehen.
Und wenn ich ganz genau hinhöre, klingt es auch wie
“… und ich will doch meine (heiligen) Gewohnheiten nicht antasten.”
Na, dafür habe ich doch vollstes Verständnis. Auch dafür, dass man schon einmal heilig und unheilig verwechselt. Ich selbst habe ja auch meine Gewohnheiten und Glaubenssätze, Rollenvorschriften, Verhaltensregeln. Weiß, wie schwer es ist, daran zu “drehen”, und das Schubladendenken zu sprengen.
Neue Ideen sollen begeistern – aber selbst die Portionsdiät wirkt wie ein fauler Kompromiss, weil das Wort “Diät” einfach nicht mehr glaubwürdig ist: Bei 7.000 Seitenaufrufen ein positiver Kommentar…
Neue Ideen, neue Diäten haben es also schwer. Sei es, dass ihnen nachgewiesen wird, dass sie gar nicht so neu sind, sei es, dass die Kritik aus unerwarteter Richtung kommt:
“Du gibst damit ja letztlich Ratschläge aus, und Ratschläge haben immer auch etwas mit Schlägen zu tun…”
So sprach Alfons kürzlich, und es fehlte nur noch, dass er gesagt hätte, er sei kein Masochist, ich aber ein Sadist. Man könnte aber auch konstruieren, dass die dumm-dreisten Fragen à la “Was soll ich bloß machen, um abzunehmen?” sehr wohl eine “masochistische Inszenierung” sind, mit dem Ziel, den Befragten in eine ziemliche Wut auf den Fragesteller zu versetzen, um dann ganz unverstanden “Keiner versteht mich, und alle sind gegen mich” zu schmollen.
Warum Alfons nicht auf die Idee kommt, ich wolle ihm eine andere Sichtweise vermitteln, was dann seiner Logik nach auch etwas mit “weise” zu tun haben müsste – wir wissen es nicht. Vielleicht ist er starrsinnig?
Auf die Perspektive kommt es an
Alfons hat schon Almased ausprobiert (“schmeckt wie Sägespäne, ist nicht herunterzukriegen, macht (deshalb???) nicht satt”) und FDH. Zusammenhänge etwas von Zuckerkonsum und Insulinausschüttung sind ihm fremd, und eine Diätberatung braucht er nicht, weil er Alles schon selbst am Besten weiß, oder weil Fragen irgendwie kränkend wäre. Vor allem wird er sich nicht zum Affen machen:
Bei Biggest Loser werden die Übergewichtigen durch den Kakao gezogen, machen sich zum Affen, gegenseitig fertig und dienen den “Dünnen” als Gegenstand der Schadenfreude – zuschauen, wie andere “geschliffen” und geschunden werden, ist ja soo lustig.
So stellt Alfons sich eine “richtige, effektive Diät” vor, und seine Vorstellung davon ist – gelinde gesagt – verfestigt.
Er lebt in einem “Entweder – Oder”, kann sich keine alternativen Möglichkeiten vorstellen, will auch nichts Neues ausprobieren: Die Portionsdiät sei zwar “im Prinzip” klar strukturiert, logisch und anwendungsfreundlich, aber: “Ich kann das nicht”.
Damit wird Diät zur unerprobten Möglichkeit, aber
„Die Durchführung der ‘unerprobten Möglichkeit’… kann nur durch die Praxis erfolgen" (S. 211)
Diät-Beratung oder Diät-Praxis?
Praxis ist allerdings ein wichtiges Stichwort. Praxis etwa als Gegensatz zu Theorie, und Praxis als Ort, an dem eine Behandlung, Therapie oder Schulung stattfindet. Mit der Beratung des “Klienten” ist es nicht getan, es braucht auch die Umsetzung – eine veränderte Praxis. Und in der ärztlichen Praxis haben wir uns ans Ritual, die Praxisgebühr zu entrichten, schon brav und widerspruchslos gewöhnt.
In der Praxis ist es vorbei mit der Unverbindlichkeit. Selbst, wenn es zum Beispiel in der Praxis für Ergotherapie spielerisch-kreativ zugeht, ist das nicht unverbindlich, etwa wenn es um die Fähigkeit zum non-verbalen Ausdruck geht.
Wer sich in eine Praxis begibt, hat übrigens mehr oder weniger stillschweigend einen Vertrag abgeschlossen.
Beratung, Coaching, Unterstützung und Beziehung im Rahmen eines Vertrags
In einem Vertrag werden Rechte und Pflichten von Vertragspartnern geregelt – das Wort “… -Partner” zeigt an, dass gleichzeitig ihre Beziehung geregelt, “festgeschrieben” wird.
Einer fragt eine Dienstleistung nach, einer bietet sie an, einer will etwas bei sich verändern, der Andere will dabei helfen: Im Zentrum des Geschehens, im Fokus, ist der “Klient” und dessen Lebenspraxis:
Gewohnheiten, Einstellungen, Beschwerden, Probleme – und, wenn möglich, auch Lösungen. Wobei es nicht Aufgabe des Einen sein kann, für den Anderen Entscheidungen zu treffen, wohl aber, bei den Lösungswegen zu “assistieren”.
Auch bei einem “einfachen Coaching”, das auf wenige Stunden Sport und Ernährung begrenzt ist, ist das Einfühlungsvermögen des Coach Voraussetzung: Da es nicht darum geht, jemandem die Lieblingssportart des Coachs überzustülpen und seine/ihre Lieblingsspeisen anzugewöhnen.
Werden hier auch ungelöste oder gar unbewusste Konflikte berücksichtigt, sollte die Arbeit mehr in die Tiefe gehen, muss wohl auch das Bestandteil des Vertrags sein.
Der “Berater” sollte sich dann mit Übertragung und Gegenübertragung auskennen, therapeutische Abstinenz üben, aus einer (Probe-) Identifikation wieder herauskommen und Idealisierung wie auch Abwertung aushalten, wenn es auch nicht darum geht, dass er nur als Projektionsfläche dient: Eine therapeutische Beziehung ist weder ein Guru-Schüler-Verhältnis noch eine als-ob-Beziehung.
Von der Wortbedeutung her steht “Vertrag” ja im Zusammenhang mit “tragen” – zwei (oder mehr) Menschen vereinbaren, etwas zu bewegen 😉
Der Vertrag ist verpflichtend, verbindlich, bindend. Die Vertragspartner (die sich vertragen müssen) gehen, so gesehen, eine Bindung ein, bei der auch die Bedingungen, unter welchen der Vertrag aufgehoben wird, geregelt sein sollten.
Wir sehen: eine
unverbindliche Beratung
ist ähnlich nützlich wie ein Sieb zum Wasser-holen. Das war natürlich übertrieben: Denn unverbindlich-kostenlose Beratung hat es schon immer gegeben: Informationen oder Denkanstöße, die frei verfügbar sind, bei denen jeder selbst entscheiden muss, was er damit anfängt.
Aus einer Kirche in Irland sollen diese Sprüche stammen – sie könnten hilfreich sein:
- Bei einem heilsamen Maß an Selbstdisziplin sei gut zu dir selbst.
- Sei authentisch und handle nur aus Deiner absoluten Mitte heraus.
Konkrete Beratung
… ist also nur unter ganz bestimmten Umständen möglich. Wer sie, wenn es ums Abnehmen geht, sucht, ist schon überdurchschnittlich aktiv 😉
Ansonsten glitt natürlich:
Wenn Ihnen das Angebot gefällt, erzählen Sie es anderen.
Wenn Sie Kritik haben, erzählen Sie es uns.
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