Nachträglich Fernsehen: Dicke am Pranger

Am 14. April über den Äther gegangen, und heute noch im Internet zu sehen: die Sendung

Dicke am Pranger: Faul, gierig, undiszipliniert?
Natürlich, so eine Sendung muss sein, wenn das Thema Abnehmen und Diät immer noch in den Bestellerlisten steht.

Das

1.

Nun, es war auch ein Fernsehkoch mit Abnehmerfolg dabei, in dessen erfolg-reichem Buch wir so ein Zitat finden:

„Es sind die Fernsehköche, die durch ihre oft unterhaltsamen Lehrstunden einen Gutteil dazu beitragen, dass Kochen und Genießen zum demokratischen Vergnügen geworden ist und jeder in die Rolle eines „Gourmetkochs“ schlüpfen kann.“

aus:
Lafer nimmt ab von Johann Lafer und Detlef Pape

Weiterhin zwei (Ex-) Übergewichtige:

Nach zahlreichen erfolglosen Diäten und Kuraufenthalten entschlossen sich Sabine Naß und ihr Freund Thomas Sittinger zu einem radikalen Eingriff: einer Magenoperation. Sie hat seit dem Eingriff vor drei Jahren über 80 Kilo verloren, er seit diesem Februar 25 Kilo.

Noch eine Autorin:

Margit Schönberger, schrieb „Das Diätenhasser-Buch“)

Schon als Kind kämpfte die Karrierefrau mit Übergewicht. Doch nach über 30 Diäten … schwor sich Margit Schönberger: nie wieder Hollywooddiät, Kohlsuppe oder Abführtee. Die Bestsellerautorin verbannte ihre Waage, schrieb das „Diätenhasser-Buch“ und entschied für sich: „Ich bleibe dick aus Überzeugung“.

Ein Arzt und Diätkritiker:

Dr. Gunter Frank sagt: „Politik und Gesellschaft betreiben eine Hexenjagd gegen Dicke“, betreut seit  zehn Jahren in seiner Praxis Übergewichtige. „Jahrelange Diskriminierung und der ständige Kampf gegen das eigene Gewicht haben Schäden bei den Patienten hinterlassen“, sagt der Arzt und Buchautor („Lizenz zum Essen“). …  fordert die sofortige Einstellung aller Diätprogramme.

Eine Oberärztin und Gesundheitsberaterin

Dr. Annette Heller ist der Meinung, “ dass Übergewichtige nur mit radikaler Ernährungsumstellung und mehr Bewegung erfolgreich abnehmen können. Wer das nicht schafft, müsse unter Umständen höhere Krankenkassenbeiträge zahlen, um die steigenden Kosten auszugleichen, sagt Annette Heller. „Immerhin sind die meisten Dicken an ihrem Gewicht selber schuld.“ Abnehmen könne jeder – dies sei nur eine Frage der Disziplin.“

Ein meines Erachtens wichtiger Punkt im Zusammenhang mit der Behandlung sehr hohen Übergewichts wurde immerhin angesprochen: Dass es zwar Langzeitstudien zu den Risiken der Operation gibt (sehr hoch, diese chirurgischen Eingriffe gehen auch „mal“ tödlich aus und können sehr unangenehme Nebenwirkungen haben), aber keine Langzeitstudien zu den Erfolgen einer konservativen Therapie mit Lebensstilveränderung.
(Wahrscheinlich gibt es die erforderliche Langzeit-Therapie (noch) nicht; denn, dass stark Übergewichtige, z,B. in einer Kur, durchaus abnehmen können, ist ja erwiesen – wird die Therapie abgebrochen, tritt eben der Jo-Jo-Effekt ein.)
Das heißt, und dieses Problem wurde ausgeblendet, es gibt keine ausreichende Nach- bzw. Dauerbetreuung.

Weiter:

  • Dr. Gunter Frank:
    Bei Forschungen an Adoptivkinder hat man immer gefunden, dass die Kinder … ihrer leiblichen Mutter entsprochen haben.
  • Dicke essen weniger, Schlanke haben weniger Isolierung, müssen mehr Kalorien verbrauchen, um die Körpertemperatur aufrecht zu erhalten.
  • Stress und Essstörungen durch Diäten und schlechtes Gewissen, unter anderem von den Ärzten
  • Das Thema „Aufgedunsenheit“ durch schlechtes Essen wäre separat zu besprechen
  • Wenn Diäten funktionieren, dann nur unter hohem Aufwand: „Jedes 2. Wort ist „Disziplin“; -> Stress abbauen…
  • Für die Programme der Krankenkassen steht der NAchweis der Wirksamkeit aus
  • Wer eine mollige Veranlagung hat, ist oft einer Gehirnwäsche mit entsprechenden  Auswirkungen ausgesetzt
  • Dicke/Mollige (Wir reden nicht über massiv Fettsüchtige) haben kein höheres Krankheitsrisiko
  • Diäten machen dick…
  • Dr. Annette Heller
    betont die Frage der Prägung, es gab den Wirtschaftswunder-Wohlstandsbauch.
  • Johann Lafer
    hat über viele Jahre „schleichend“ zugenommen und litt unter burn-out-Syndrom. Sport/Bewegung mit personal Trainerin, offenbar 5 km nach 4 h Schlaf: „Abnehmen im Schlaf“ 😉
  • Beantwortet nicht die Frage, ob er nach 6 Semmeln mit Honig oder fetter Nougat-Creme keinen Heißhunger entwickelt, bis er 5 h später sein Mittagessen zu sich nimmt.
  • Behauptet jetzt vehement die Wirksamkeit von „Schlank im Schlaf„, kann aber die Nachhaltigkeit der Methode frühestens in drei Jahren belegen – wenn er es kann (vgl. Joschka Fischer und sein Lang-Lauf-Experiment, das auch einen Bestseller hervorgebracht hatte).
  • Sabine Naß und Thomas Sittinger
    konnten den SIS-Speiseplan nicht nachvollziehen: „Ich brauche morgens Eiweiß“
  • Margit Schönberger
    beschrieb sehr anschaulich die Nachteile einer dreiwöchigen Kohlsuppendiät, wobei: So etwas würde sie nie mehr wiederholen. Leider kein wörtliches Zitat verfügbar.

Kommen wir noch einmal zur eingangs zitierten These von „Jedermann als Gourmetkoch“ zurück“: Geschickterweise findet sich in dem Satz ein „kann“, denn tatsächlich ist die „Deutsche allgemeine Gourmetküche“ mehr Traum als Wirklichkeit. Auch hat allein schon die hektische Betriebsamkeit bei so mancher Kochshow so rein gar nichts mehr von „bewusst geniessen“ an sich…

Aber es soll jeder selbst beurteilen, welche Thesen besonders bemerkenswert sind. Erwähnt sei noch der Fall der Lehrerin, die wegen des falschen BMI nicht verbeamtet worden ist, und als „nur“ Angestellt ein paar Hundert EURO weniger verdient. Das heißt, auch mit Geldprämien ist nicht jeder zum Abnehmen zu bringen.

Was fehlte, war die Option vernünftiger Selbsthilfegruppen auch für „minder schwere Fälle“, die fehlende Strategie, den nunmehr klar herausgearbeiteten Gedanken, dass Reduktions- und einseitige Diäten die Krankheit erst (mit-) erzeugen, zu verbreiten und vielleicht auch die Absage an Versuche, diese Krankheit mit „edukativ wirkender Arznei“ zu bekämpfen.

Zu kurz kamen auch die psychischen Ursachen des Übergewichts, die hier lediglich unter dem Begriff „Stress“ zusammengesfasst wurden – das geht auch genauer.

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  5. Markklösschen, Fleischpreispolitik, Brokkolikapseln, Eiserne Fastenzeit, Veggy-Burger

5 Kommentare zu “Nachträglich Fernsehen: Dicke am Pranger”

  1. […] Baseler Zeitung, die sich dann leicht zu “leibfeindliche Diäten” transformieren ließ: Gunter Frank wurde interviewt, und, das Wichtigste zuerst: “Gewicht verliert, so der Arzt Gunter Frank, […]

  2. […] ja: Von Gunter Frank (das ist der, der “Lizenz zum Essen” geschrieben hat) gibt es auch mal wieder ein […]

  3. […] Dicke am Pranger? […]

  4. […] zu unterhalten, mit lauter handverlesenen Selbstdarstellern – das übliche halt… Einen eigenen Artikel zur Maischberger-Diät habe ich einmal geschrieben – und nie […]

  5. […] Gunter Frank (Arzt) … warnt täglich vor Diäten und heilsversprechenden Abnehmmethoden. "Die Leute haben […]

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