Essen als Trost – kann Essen trösten? Vom Getröstet – werden zum Trost – finden
Geschrieben am 29. April 2007 von KPBaumgardt
Eine amerikanische Studie will herausgefunden haben, dass Frauen sich mit Süßigkeiten – gefolgt von Schuldgefühlen – trösten und Männer sich mit Deftigem belohnen.
„Tja, so hat jeder seine Sorgen“, sagen Viele, die von Anderer Sorgen nichts wissen wollen. Ohne Sorgen oder Schmerz kein Bedürfnis nach Trost – und bei Sorgen ist Essen und Trinken der „Klassiker“ – ein Württemberger Trollinger führt gar den Zusatz „Sorgenhobel“ auf dem Weinetikett.
Zu den schmerzlichen Gedanken gehören die Sorgen, dem (geliebten) Objekt nicht gut genug zu sein, seelische Schmerzen aus Verletzungen, Überforderung, mangelnder Anerkennung, fehlendem Respekt und Grenzüberschreitungen. Gern werden die seelischen Wunden nicht wahrgenommen – es „hilft“ ein Trostpflaster, sie werden verdeckt, beiseite geschoben, verdrängt – da wäre die ärztliche Heilkunst gefordert, wo „das (Familien-, Bezugs-) System“ stattdessen Salz in die Wunden streut.
Wenn Sorgen nicht vernünftig besprochen werden, kommt es zum (bleibenden) Streit, und sie werden verdrängt, oder verdeckt, „hinuntergespült“ mit Alkohol – oder hinuntergeschluckt mit dem Essen, dem wohl gebräuchlichsten Rauschmittel:
„Der Wein äußert seinen Einfluss mehr sichtbar, die Speisen tun es langsamer, aber vielleicht ebenso gewiss.“ (G. C. Lichtenberg 1742–1799)
Eine Würdigung dieser vielleicht erstaunlichen Beobachtung und eine mehr naturwissenschaftliche Erklärung liefert das Ärzteblatt:
G. C. Lichtenberg war ein ausgezeichneter Beobachter. Er faßte in Worte, was jeder, der genug zu essen hat, täglich an sich selbst beobachten kann.
Andererseits war Lichtenberg als Philosoph auch mit der Wirkung der Gedanken auf das eigene Gemüt befasst – und mit der Wirkung auf Andere; die konnten bei ihm noch etwas lernen, oder sich von ihren Sorgen ablenken lassen:
Frage: Was ist leicht und was ist schwer? Antwort: Solche Fragen zu tun ist leicht; sie zu beantworten ist schwer.
Dementsprechend wurde die Psychoanalyse mit ihrer Gesprächs-Kur, der freien Assoziation und schließlich dem teilnehmenden Beobachter erfunden.
Davon abgesehen, hilft es am Ehesten, von seinen Sorgen zu erzählen, sie mitzuteilen.
Das ist schwierig, und schwer mag es sein, hierfür einen Gesprächspartner zu finden, dem man sich öffnen kann, oder eine Selbsthilfegruppe, oder, findet sich keine, eine zu gründen.
Viele unserer Konflikte, so hatte Freud ja schon in den Anfängen seiner Forschertätigkeit herausgefunden, rühren aus der unaufgelösten Beziehung zu den Eltern – eine Mutter-Sohn Beziehung kann nun einmal keine erfüllende sein, bleibt aber oft unaufgelöst wie auch die Identifikation der Frau mit der Mutter.
Folglich arbeitete er sich am Mythos von Ödipus, der seine Mutter heiratete, ab – und überging den Mythos von Narziss und Echo.
Der Übergang vom getröstet werden zum Trost finden ohne Elternfigur, zum sich-trösten also, geschieht, wenn nicht in der Kindheit, so doch normalerweise in der Pubertät, jener stürmischen und drangvollen Zeit, in der so manche Weiche für das spätere Leben gestellt wird. Da muss so Vieles Neue bewältigt werden, und darum sind neue Bewältigungsstrategien gefragt.
Wenn Essstörungen gerade in der Pubertät entstehen oder entstanden sind, heißt das, wir haben zu dieser Zeit die eher ungünstigen Strategien gewählt und müssen diese im eigenen Interesse ersetzen.
Mehr zu den psychischen Ursache des Übergewichts findest Du im Artikel „Übergewicht und Psyche“ (hier geht es besonders um die unbewussten Anteile) sowie im Blog unter der Rubrik „Psyche„. Und natürlich ist auch der Narzissmus eine psychologische Kategorie, die mit der Selbstliebe oder – entwickelter – der Eigenliebe zusammenhängt. |
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Du hast ja sehr richtig beschrieben, dass eigentlich das (therapeutische) Gespräch oft den einzigen wirklichen Trost bieten kann: Es geht um Verständnis, Einsicht, Enttäuschungen, Kränkungen, Erwartungen.
Das Gespräch mit der besten Freundin – sie wird mir die Bemerkung verzeihen – bringt oft nicht wirklich etwas Neues; sie will nicht verletzen, mich nicht verlieren, wenn sie anderer Meinung ist, oder identifiziert sich mit mir, wie auch umgekehrt, und dann bietet sie mir Pralinen an.
Bei Selbsthilfegruppen sehe ich wenig wirkliche Möglichkeiten, denn gerade, wenn ich nicht gut drauf bin, müsste ich unheimlich viel Energie haben, um eine zu gründen.
Die Unzufriedenheit mit meinem Körper will ich in der Öffentlichkeit ja auch nicht wahrhaben, und eien Selbsthilfegruppe würde das ja noch verstärken.
Ich denke nicht, dass das Gespräch mit der besten Freundin nicht zum Erfolg führen kann.Gerade dafür ist sie doch meine beste Freundin, damit sie mir nicht schmeichelt, sondern mir die Wahrheit sagt bzw. das,was mir auch nützt. Sonst würde ich sie bestimmt nicht beste Freundin nennen, wenn sie Angst haben müsste, die Freundschaft könnte zerbrechen, nur, weil sie mit mir offen und ehrlich spricht und mir dadurch doch viel mehr hilft als mit einem mitleidigem Lächeln oder Pralinen.
[…] Bei Mensch und Tier kann dieses Belohnungszentrum auch chemisch erreicht werden; Rauschmittel setzen Dopamin frei und dämpfen den Einfluss der Vernunft. Süßigkeiten und andere besondere "Leckerlis" werden als "Verstärker", Mittel zur Belohnung in der Dressur eingesetzt, die These, dass Nahrungsmittel den Charakter von Rauschmitteln haben können, ist nicht neu. Der Verzehr von Nahrungsmitteln, die nicht nähren, kommt so dem puren und sinnlosen Reizen des Belohnungszentrums nahe. […]
[…] Wer heute hier aus dem Fenster schaut und die Sonne vermisst, kann vielleicht mit einem 3 Tage alten Bild getröstet werden: […]
[…] Wer sich geschnitten hat, schützt die Wunde mit einem Pflaster. Für Kinder gibt es Pflaster mit lustigen Motiven: “Trostpflaster”. Auch zum Abnehmen gibt es Pflaster – die bieten dann Trost, Essenzen und Wirkstoffe des Essigs, oder ganz wundersame Mittel. Schützt ein Abnehm-Pflaster auch vor dem Jo-Jo Effekt? […]
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