Klima-Traumen, Infraschall-Drachen, Kulinarische Hierarchien, Weißwurst-Sisters, Raumschiff Erde
Geschrieben am 28. Juli 2019 von KPBaumgardt
Die Sache mit dem Trauma – dass die (westliche/nördliche/wohlhabende) Menschheit mit ihrem fossilen Energieverbrauch Schäden angerichtet hat, unter denen wir in der Summe mehr und mehr zu leiden haben – wollen wir doch gar nicht wahr haben.
Es waren schließlich unsere Vorfahren, die die Weichen gestellt haben: Landesfürsten haben Länderbahnen bauen lassen, im Kaiserreich entstand eine Reichsbahn mit einheitlichen Tarifen, „Telefonbau und Normalzeit“ lieferte die Bahnhofsuhren mit dem bis heute unübertroffenen Design: Da war doch längst nicht alles schlecht – aber alles basierte auf der Verbrennung von Kohle, von der gab es genug.
Wir beuten weiterhin den Planeten mit Hilfe fossiler Energie aus, verschmutzen ihn mit Plastik und Gift, haben die Atmosphäre verändert und somit das Klima: Das ist mit Zerstörung verbunden, die ist mit unserem jeweiligen Anteil verbunden, also mit Schuld und Mitschuld verbunden.„Einfach mal Spaß haben wollen“ und „sich etwas leisten können“ gehört ja zum System, hält die Wirtschaft in Gang, Mode, Kosmetik, Tourismus sind ähnlich wichtig wie der Montan-Industriekomplex oder Chemie und Automobilbau. Wer in den Flieger steigt, um mal ein US-amerikanisches Eis zu löffeln, darf sich den Genuss nicht mit Gedanken an Nebenwirkungen vergällen:
Eine Gedenktafel für den ersten der 400 schwindenden Gletscher Islands versinnbildlicht, was geschieht. Mit „Ok“ ist hier „Okjökull“ abgekürzt, also der Name des Gletschers, von dem noch nur „totes Eis“ übriggeblieben ist. „The Guardian“, die unabhängige Zeitung, die solche Details und Zusammenhänge berichtet, muss selbst, um überleben zu können, zu Spenden aufrufen – ich gebe das mal weiter.
Die Reaktionen sind natürlich gemischt – von hilflos-traurig-zynisch
bis unempathisch-ablehnend: „A typical liberal empty action“. Da klingt vielleicht die Erfahrung von alten, sinnlosen Appellen an, ein Gefühl der Machtlosigkeit, und der Überbringer der schlechten Nachricht wird bestraft…
Die Drachen auf dem Windkraftwerk
Das ist „Augen zu und durch“ ohne Rücksicht auf die Folgen, doch was vernebelt die Sinne und was setzt die Vernunft außer Kraft?
Das wissen wir längst: Wo nicht die Rationalität entscheidet, wird es „die Irrationalität“ sein, „Das Unbewusste“, ein riesiges Reservoir an Gefühlen, Instinkten, Ängsten – angeboren sowohl als auch vor allem „sozialisiert“, von Erfahrungen geformt.
Da ist in der Welt der kindlichen Vorstellung ein Krokodil unterm Bett, schwarze Vögel flattern durch die Nacht, ein Elefant lauert im Flur (und versucht, sich zu verstecken), Drachen fauchen – die sind schon kulturell entwickelte Phantasie-Vorstellungen, schließlich gäbe es ohne Drachen keinen Drachentöter, und in Türmen eingemauerte Prinzessinnen muss auch irgendwer „erlösen“. So entstanden der ritterliche Held und das Burgfräulein, sowie Feen und Kanzlerinnen, Verteidigungsministerinnen, Ministerin für Justiz, Umwelt, Landwirtschaft und sonstigen Unfug – letztere sind jüngere kulturell-gesellschaftliche Errungenschaften 😉
„growian.jpg“ CC BY-SA 3.0 Uli Harder – http://gallery.future-i.com/germany/pic:growian/So weit, so harmlos, doch bei den persönlichkeitsbildenden Erfahrungen hat es häufig auch Schmerz und Verletzung gegeben, Misshandlung, Missbrauch, Entbehrung, Verkennung, erzwungene Anpassung, Kränkung: „Traumata“, über die man nicht oder fast nicht sprechen kann, manchmal, um das Umfeld nicht zu belasten, oder weil es um ein vermitteltes Selbstbild geht, das geschönt ist, oder weil der schmerzende Bereich abgetrennt werden kann, was der Scham darüber entgegenkommt.
Beim „Windrad-Infraschall“ könnte der Verursacher ein geheimnisvoller Drache sein – das ist noch nicht erforscht, doch inwiefern wir auf harmonische Naturbilder in der Wirklichkeit angewiesen sind, kann nur vermutet werden – eine Weide auf der Weide ist angenehmer proportioniert als ein GROWIAN („Große Windanlage“) – das waren inzwischen abgebaute, relativ kleine Forschungswindräder.
Man wird lieber unter einem Weidenbaum oder einer Linde verweilen als unter einem Mammutrotor – deshalb gibt es ja noch die Dorflinde als Treffpunkt – so viel öffentlicher Raum muss schon sein, in Städten mit gedankenlosem Personal gelten andere Regeln, werden Parkplätze als Fakten und Erfolg gefeiert: So kann der Bürgermeister jederzeit den Amtsschimmel geordnet abstellen.
Gemischter Salat ohne Möhre: Die Karotte hat der Dienstesel gefressen, „mit Fleiss“, also nicht aus Versehen. Wir nähern uns dem Thema „fleischlose Ernährung“ …
Essen und Trauma, Fleisch und Hierarchie
Auch im Bereich „Gefüttert-werden“, „Nahrungsmittelversorgung und -Zubereitung“, „selbstbestimmt essen“, „zum Essen gezwungen/verführt werden“ ist reichlich Platz für unterschiedlichste Traumata – wobei auffällt, dass Essstörungen eher selten aus diesem Blickwinkel beobachtet/verstanden werden.
Zu den Regeln beim Essen gehört, dass die familiäre Hierarchie sich hier ausdrückt – dass Vatern als erster bedient wird und das größte Stück Fleisch bekommt, kann ein übles Klischee oder Bestandteil der Geschichte sein: Wenn wir schon von Homo Sapiens abstammen, sollten wir wenigstens wissen, wie der so etwas in der Steinzeit geregelt hatte. Zu regeln gab es in der Menschheitsgeschichte das fehlende Nahrungsangebot schon öfters – aus unterschiedlichen Gründen, und hat es in Frankreich Hungerrevolten gegeben, die sogar zu „der“ Revolution geführt haben? Es ist nicht immer die übertriebene Genusssucht, die zum Über-Essen führt – das kann auch an der ererbten Angst vor dem Hungern, vor der Not liegen. Und Schweinbraten und Bier haben vermutlich viel mit Prestige und Selbstachtung zu tun.
Die Regeln unterliegen allemal einem Wandel – seit der Industrialisierung hat die Gesellschaft sich krisenhaft mehrfach stark verändert – „Disruption“ ist ein häufig bemühter Begriff, der auch bei der Lohnarbeit der Frauen und dem qualvollen „Sterben“ der „reinen“ Hausfrauen-Existenzen und beim allmählichen Überwiegen der „Familien mit alleinerziehender Mutter“, dem Funktionsverlust der Väter, dem „Untergang der Familie“, Verwendung finden könnte.
Häufiger im ökonomischen Bereich, etwa, wenn die künstliche Intelligenz die menschliche ablöst und übertrumpft, als im sozialen Bereich, wo traditionelle Beziehungen entwertet werden, wird die Frage gestellt: „Wie geht es weiter?“
Schmelzende Eiskappen und erodierende Küsten werden von den Medien in unsere Wohnzimmer getragen.
Das aktiviert alle anderen ungelösten Traumata
Wegen diesem Kernsatz des Umweltpsychologen Zhiwa Woodbury habe ich den gedanklichen (Um-)Weg über Unbewusstes und „Trauma“ genommen – zu schmelzenden Eiskappen und erodierenden Küsten selbst ist nicht viel zu sagen.
Wichtig ist noch, dass die Medien uns Ereignisse vor Augen, ins Privatleben einspielen, ob wir das wollen oder nicht. Zwischen Feierabend und Schlafen-Gehen ist eigentlich das Bedürfnis nach Ruhe größer als der Wunsch, sich mit „Problemen“ zu beschäftigen.
Doch das eine Trauma, die Machtlosigkeit gegenüber der Klimakastastrophe, droht, die alten Wunden (Traumata) wieder aufzureißen. Deshalb wird die Klimakrise verleugnet, verniedlicht, alle sprechen vom „Wandel“, und Wandel kann doch sogar positiv sein…
Die Rede vom „Kätzchen“ Klimawandel erzeugt die innere Vorstellung, es sei die Lage zwar ernst, lasse aber Zeit, beruhigt so weiterzumachen wie zuvor. Demgegenüber kann es aufrütteln, für die Klimakastatrophen das Bild vom bengalischen Tiger, der sicher bald losspringt zu nutzen. Derweil wird bei der „Zeit“ vor den Gefahren der „omnipräsenten Floskel Weltenrettung“ gewarnt, vor den Weltenrettern muss man sich in Acht nehmen, und (Ironie!) wir können das Thema ja zu Staub zerreden – das hilft beim Nicht-tun.
„Omnipräsente Floskel“ trifft mehr bei „Klimawandel“ zu: Wandel gab es schon immer, wir müssen uns nur anpassen, wie an eine Mode – das verniedlicht die realen Gefahren, die „auf dem Sprung“ sind und uns umbringen können. Zu den realen Gefahren solcher Artikel gehört weiterhin eine Reaktion der gewünscht-geneigten Lesderschaft, die ungefähr so ausfällt:„Ich kann Euer Klimageschwätz nicht mehr hören, ich halte das nicht mehr aus!“
Damit ist zwar noch keine Antwort auf die Frage, wie wir der Katastrophe entgegentreten, was wir dagegen tun können, gegeben, aber ein Anfang muss sein und ist möglich. Die Zeit drängt. Woofburys Gesellchaftsanalyse ergibt – wie sollte ich das objektiv verifizieren?:
„Das größte Hindernis für die Transformation der Gesellschaft sind ja gerade die priviligierten Leute. Also die Leute in den wohlhabenderen und hippen Vierteln in San Francisco oder Berlin.“
So eine These ist nicht unumstößlich – so wäre es einfach, Woodbury zu entgegnen, dass die „neuen Hipsters“ kaum schlimmer als die „alten Eliten“ sein können, die ohne Rücksicht auf Expertise und Kosten Projekte bauen lassen, die alles, was die Welt ökologischer machen könnte – verhindern.
„Ich bin mir sicher, wenn wir 2024 noch putzmunter sein sollten, und wir steigen gemeinsam ein und fahren nach München und dann zurück nach einer Weißwurst, und wir kommen in einer Stunde dreißig an und erleben einen völlig neuen leistungsfähigen Bahnhof – dann werden die Vorzüge erkennbar.“
Viel Aufwand für eine Weißwurst, das zeigt: Es geht um die Wurst!
Was Günter Öttinger hier zum Milliardenprojekt Stuttgart Hauptbahnhof („tief“ – also geeignet als Milliardengrab) zu sagen hat, darf als Ergebnis einer versponnenen Weißwurstmanie verstanden werden.
Zur Weißwurst, die vor dem 12-Uhr-Läuten geschlabbert wird, passt für die traditionelle Traditionstrunkenheit das Bier, aus Maßkrügen – die wiederum eine Maßlosigkeit für sich darstellen, und sie zu leeren, kann ein Akt der Selbst-Darstellung sein:
Aschermittwoch 2019 Landshut: Schulze, Hahn und Bärbock wohlgemut; Vorbildlich geht anders.
Parallel gibt es Wurstsalat bei Habeck, der sich als Vegetarier („Tierfreund“) bekennt und eine Lederhose („Tierhaut“) besitzt – mit dieser hippen Führungsriege gibt es nie, nie, nie eine radikale Kampagne gegen den umweltschädlichen Fleischkonsum:
Wenn … die Entscheidungsträger in Politik und Wirtschaft und selbst in den Umweltämtern sowie in der für Umweltschutz eigentlich „zuständigen“ Partei Fleisch essen — wie wahrscheinlich ist es da, dass es eine breite Kampagne zu drastischer Reduzierung tierischer Produkte gibt?
Das Argument, diese Sichtweise wolle nur „uns allen“ eine genussfeindliche, verbitterte Lebensweise aufzwingen, sticht nicht, denn
Die Seite www.simply-live-consciously.com betrachtet die Fleisch- und Milchindustrie sogar als „Mehrheitseignerin“ der Klimakatastrophe und sieht sie verantwortlich für 51 Prozent der klimaschädlichen Gase.
„Die effektivste Methode, um den CO2-Ausstoß und den damit verbundenen Klimawandel aufzuhalten, wäre also eine Ernährung ohne Tierprodukte.“
Eine Klima-Diät oder “Planetaryhealthediet” ist auf diesem Blog auch schon befürwortet worden –
“Die Landwirtschaft” – anders gesagt: Das System, das die Ernährung der Menschen bewerkstelligt, verursacht katastrophale Umweltschäden. Um den Anteil der Landwirtschaft am Klimawandel zu verringernn, gibt es nur den Weg, die Produktion von Fleisch zu verringern, unsere Essgewohnheiten zu ändern…“
Das können die „grünen Damen“ während der nächsten „Grünen Woche“ genussvoll ausdiskutieren: Was ist umweltschonend bei Ernährung, Reisen, Heizen, Kleidung? Keine neue Jute-Kutte, bevor die alte verbraucht ist? Wie ist der ökologische Fußabdruck eines Sessels in der Elbphilharmonie?
Den Unterschied zwischen „flexitarisch“ und „flexitarisch“ erklärt dann das zornige, heilige Kind?
Mal frei von Sorgen Aschermittwoch feiern – warum eigentlich nicht, Greta? Klar, Sorglosigkeit in Verbindung mit Nachlässigkeit – das lieber nicht. Ach – Angst ist ein schlechter Ratgeber; „Angst essen Seele auf“. Panik ist auch nicht gut – selbst wenn das Feuer kein „als-ob-Feuer“ mehr ist.Die Machtinhaber samt ihrer massgeschneiderten Opposition tun aber, als ob das alles ganz weit weg wäre. War es damals beim Vietnam-Krieg auch nicht: Tägliche Kriegsnachrichten in Radio und Fernsehen, zum weghören und wegschauen, Kriegsberichterstattung als Übung, sich nicht gegen Flächenbombardements zu engagieren, Gewöhnung an einen exotischen Nord-Süd-Konflikt, den man sich ohnmächtig, ohne Macht, etwas dagegen zu tun, ins Wohnzimmer projizieren ließ.
Das könnte man „Medien-vermittelte Traumatisierung“ nennen, die gab es auch in Hinblick auf unsere „Nazi-Vergangenheit“, ständige Rückblicke, Jahrestage, Bußtage, Gedenktage – Permanenz des Grauens.
Das sind und bleiben Traumata, die auch die schärfste und tiefste Analyse nicht heilt. Gewisse psychische/gesellschaftliche Tendenzen können ins Verderben führen – wir haben eine Verfassung, die dem hier und da vorbeugen will – doch es bleibt bei der unauslöschlichen Banalität des Bösen.
Das nur nochmal gesagt, um zu wiederholen, dass die Klimadisruption an alte Ohnmachtserfahrungen anknüpft, dass wir ohnehin schon manche Chance vertan haben und die Chancen, die wir noch haben, ergreifen müssen.
Neulich habe ich ein Radio-Feature: Buckminster Fuller, Visionär – Nachrichten vom Raumschiff Erde | gehört; 1980 schon war dieser Ingenieur der Meinung, fossile Energien dürften wir nur noch dafür nutzen, die regenerative Energiegewinnung zu entwickeln. Vielleicht hat „Big Oil“ diesen richtigen Gedanken sabotiert, vielleicht hätte die Presse ihn stärker propagieren müssen, vielleicht findet momentan schon eine stille Revolution statt, der Anfang vom Ende der kritiklosen Bereitschaft, sich „führen“ zu lassen?
Die Geometrie lügt nicht!(Extra: Bastelspass für Gross und Klein)
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