Verreistes Glück, Verwaiste Märkte, Traumen im Trend, Samtige Suppe, Zukunftskultur-Förderung
Geschrieben am 9. April 2020 von KPBaumgardt
Früher war alles besser, und die Sorgen waren – welche Sorgen? Sorglos waren wir! Mal ein Trip nach Thailand, warum nicht?
Heute hindert uns nicht die Flugscham, sondern so eine Theorie, dass Flugzeuge eine Tröpfcheninfektion mit Corona verursachen, oder dass Corinna so etwas „einschleppt“?
Das Foto ist noch aus der Zeit vor dem großen Flugzeugsterben, aus der Zeit, als die Flieger noch nicht fast neuwertig wieder eingeschmolzen worden sind. Die Luft ist zwar besser geworden, der Himmel klarer, weil kaum noch Kerosin gekauft wird, kann man es geschenkt bekommen – und niemand will es!
Früher – da gab es noch manchmal ein Stadtfest, einen Markttag mit Volksauflauf und Schlangestehen vor der Eisdiele.
Wäsche, Gewürze, Weidenkörbe gab es; Heute herrscht der „Shutdown“, der Markt findet im Internet statt als Schwarzmarkt für Desinfektionsmittel, Atemschutzmasken und Toilettenpapier.
Kreuzfahrten sind ausgesetzt, weil die schwimmenden Kleinstädte im ‚Infektionsfall zur Falle werden könnten – nicht, weil es irgendwie unmoralisch wäre, halbwegs privilegiert der übrigen Welt zu zeigen, wie viele Ressourcen unser Massentourismus vernichten kann. Da trauern viele dem guten Gefühl nach, arme Menschen mit Peanuts beglückt zu haben, am Souvenierstand und so.
Das große Glück finden wir ohnehin nicht auf dem Markt oder in Thailand – vielleicht mal das kleine Glück, dort beim Schnorcheln oder auch zu Hause mit einem Tellerchen Pasta:
Sogar Gemüse gibt es bei diesem Nudelgericht: Die Sauce besteht nämlich aus Avocado, Zitronensaft, Gemüsebrühe, Knoblauch, Olivenöl, Salz und Pfeffer. Fürs kleine Glück ist das eine optimale Portion.Ein Pianist, der nicht mehr vor physischem Publikum auftreten darf, hatte ein Spaghetti-Foto als „Pasta gegen rechts“ gepostet – „Penne für die Menschenrechte“ war dann meine Antwort.„Schopenhauer definiert Glück in seinem Hauptwerk Die Welt als Wille und Vorstellung als ein Negativum, als die Abwesenheit von Unglück.
„Daher kann die Befriedigung oder Beglückung nie mehr seyn, als die Befreiung von einem Schmerz, von einer Noth.“
Als dritte [???] Ursache des Unglücklichseins nennt Schopenhauer dieertötende Langeweile, die unser Daseyn zur Last macht.“
Die Diskussion der Langeweile finden wir auch in den Aphorismen zur Lebensweisheit , sie treibt die (Spieß-) Bürger unter Anderem in die Spielsucht , die psychologisch vielleicht als Vermeidungsstrategie zu versrtehen ist.
Wer Tempeh selbst macht, ist vor Langeweile geschützt und hat eine vielseitige Beschäftigung, die zu vielseitigen, „interessanten und gewöhnungsbedürftigen“ Ergebnissen führen kann:
Knoblauch-mariniertes Bohnen-Tempeh kurz gebraten – ein Test. Ergebnis: „Das kann man lassen“.Macht Tempeh glücklich?
Das ist, ehrlich gesagt, keine zentrale Frage – aber sie kann vom momentanen Pech, das wir mit der Biologie der Viren haben, ein wenig ablenken.
Tempeh ist keine bewusstseinsverändernde Substanz – selbst wenn es mit Hilfe von Pilz-Myzel hergestellt wird, und manche Pilze halluzinogene Feffekte haben. Aber auch diese werden nicht wirklich glücklich machen, noch nicht einmal Lust bereiten: Die Menschen
„… streben nach dem Glück, sie wollen glücklich werden und so bleiben. Dies Streben hat zwei Seiten, ein positives und ein negatives Ziel, es will einerseits die Abwesenheit von Schmerz und Unlust, anderseits das Erleben starker Lustgefühle.“
So hat das Sigmund FREUD gesehen, und irgendwie Schopenhauer getoppt, aber nicht wirklich übertroffen. „Lust“ und „Glück“ sind nicht das Gleiche; was wäre die Lust ohne die Vorlust, ohne Steigerung und das „Herunterkommen“ in der „Endlust“?
Schopenhauer hatte es sich und uns erspart, von Lustprinzip vs. Realitätsprinzip zu „schwafeln“ oder zu referieren – Das kann man zwar ausführlich, das hat aber keinen therapeutischen Wert. Neurowissenschaftlich gibt es auch eine Gehirnregion, die „Belohnungszentrum“ genannt wird, in der bei gewissen Gemütszuständen kleine elektrische Sensationen geschehen – die kann man auch mit Elektroden simulieren, aber so simuliert man kein Glück.
Das Glück als Zufall, der einen Einsatz fordert, zeigt sich vielleicht am Rouletttisch in seiner Reinform, wenn der Gewinn vom Zufall abhängt. Wollen wir eigentlich, was unas zufällt, oder wollen wir, was uns zusteht?
Zwischen Glücksempfindung und Suchtgehorsam rangiert das Kaffeetrinken; bei den Alltagsdrogen mit positiver gesundheitlicher Wirkung ist die Kaffeebohne weit vorne.
„Bilder von Kaffeetassen“ gibt es seitenweise – eine Spielerei mit Gründen
„Trends“ zu folgen, ist ein (neuer?) Trend; die trendigen Themen zu kennen, ist wichtig, will man mitreden. Einen Trend zu setzen ist ein kleines Kunststück, bei dem die Trendsetter sich die Bälle zuspielen und die Aufmerksamkeitsspanne des Volks für sich ausschöpfen, während „das Volk“ nicht in der Lage ist, Trends zu setzen. „Maskenpflicht“ oder „CoronaApp“ werden zum Trendbegriff, wenn die Obrigkeit das so will, nicht weil das Volk das so will.
Was verdrängt wird, schafft es nie in die „Trendline„. Traumen sind nie richtig verarbeitet im Sinne des „Jetzt soll es gewesen sein – und gut“. Traumen sind häufig kollektiver Natur, Flucht und „der große Treck“, Todesfälle und „der Krieg“, materielles Elend und „die Hyperinflation“.
Das individuelle Trauma kann nicht „Die vaterlose Gesellschaft“ heißen, sondern „Wenn schon der Großvater im Geburtjahr des Vaters gefallen ist, kann der Sohn nur ein von übergroßer Sorge um die Mutter geprägtes Persönlichkeitsmuster gehabt haben und wird als väterliches Vorbild viel, das nicht zur Nachahmung zu empfehlen ist, im Angebot gehabt haben.
Die „Zauberformel“ lautet schlicht „Erinnern, wiederholen, durcharbeiten“.
Nicht nur anzunehmen, sondern evident ist, dass frühe Trennungen „Psychostress“ sind. Zu erinnern gibt es dabei nicht allzu viel: Das (Sprachliche, formulierende) Gedächtnis ist ja noch nicht entwickelt. Was bleibt, ist die Reaktion auf die Trennung – (Über-)Angepasstheit oder Aggression. Wenig „Selbstverwirklichung“, eher so etwas wie eine ständige (Un-)Bewussheit, Opfer zu sein. Es ist nur logisch, dass es folglich auch Täter gibt.
Lauch, Zwiebel und Knoblauch fein zerkleinern und in Gemüsebrühe mit Currypaste köcheln. Mit einer geachtelten Pellkartoffel, Tahin und Kokossahne pürieren, mit Salz und Pfeffer abschmecken, servieren und mit Schnittlauchröllchen bestreuen. Wer diese Suppe als sahnig-cremig beschreibt, untertreibt.
Krisenzeit
In der kollektiven Erinnerung sind Krisen kritisch, wenn „die Versorgung“ kritisch ist. Dann wird gefordert, „für die Armen„:
„In den ärmsten Familien im Land droht Mangelernährung mit allen gesundheitlichen Folgen, die das haben kann. Am härtesten wird das die Kinder treffen, die den ganzen Tag zu Hause bleiben müssen. Das Schulessen ist weggebrochen, die Tafeln sind geschlossen. Diese Familien stehen noch schlechter da als sie es sowieso schon tun.“
Wirtschaftlich schlecht sieht es auch bei Künstlern, Journalisten, Medienschaffenden aus – die sind vielleicht (noch) keine Hartz-IV-Bezieher, aber schlecht ausgelastet und sehr schlecht entlohnt.
Genau betrachtet, steht das kulturelle System auf der Kippe, nicht nur, weil alles, was mit Publikum-Kontakten zu verbinden wäre, gestrichen ist.
Kultur kann, ist sie einmal digitalisiert, beliebig geklont werden; Original und Kopie sind gleich, gleichzeitig ist die Zahl der Kulturschaffenden gestiegen – immer mehr Mitmenschen möchten kreativ sein und davon leben. Märchenerzähler, Moritatensänger, Gaukler haben ausgedient, die Aufnahmekapazität für Straßenmusiker ist erschöpft, und Zirkus kommt, ist man nicht im Milieu geboren, auch kaum in Frage.
Dass Journalisten, Autoren, Künstler nicht einmal mit dem Mindestlohn sicher kalkulieren können, ist ein verschwiegener Skandal. „Existentielle Sorgen“ im Bereich Kultur wären bei einer Kulturförderung, die sich nicht an Prestige und Quoten orientiert, überflüssig. Damit wären mächtige Kräfte freizusetzen. Verlage könnten gezielt beispielsweise zeitkritische, „progressive“ Texte nachfragen, mit der Maßgabe, diese auch dialogisch zu kommunizieren. Das verschaffte den Autoren „Aufgabe und Bedeutung“ im Sinne einer Autorenförderung. Demgegenüber gibt es, so erfahren wir in einem Interview,
„… teilweise auch Ängste, wie es sein wird, wenn ich infiziert bin und ins Krankenhaus komme und muss dann vielleicht alleine sterben, weil niemand zu mir darf“, sagt Stagnier. Man sehe, dass Fantasien im Kopf entstünden, „die dann eine eigene Dynamik entwickeln und Personen auch ganz überwältigen können, sodass sie sich gar nicht mehr befreien können von diesen Ängsten.“
Die „Geschichten aus 1001 Nacht“ liefern ein Paradebeispiel, wie spannende Geschichten böse Gedanken vertreiben. „Fantastische Geschichten“ können ihren Charme haben, und gleichzeitig nötig sein: Wir brauchen aktuell „Fantastische Entwürfe“ für „die Zeit danach“. Wir sollten Ideen fördern, für Gesundheit, Soziales, Wirtschaft, Verkehrswesen, Landwirtschaft und Bedarfsdeckung, Feminismus, Wissenschaft, Demokratie.
Dreierlei Blumenkohl mit zweifacher Beigabe
Blumenkohl, als Ganzes gegart – dann
- geviertelt und mit Kokos-Gemüsesauce (oben rechts) oder
- in Scheiben geschnitten, mit Geröstetem Paniermehl, beziehungsweise
- in Scheiben, paniert
– und mit einem süß-sauer-scharfem Bananenketchup, frisch aus der Lehr-und Versuchsküche (hier größere Version); das zweite „Extra“ (unten links) ist Chinakohl, der zusammen mit Roter Beete über längere Zeit fermentiert hatte.
Es wäre eine Anregung für die „Nach-Corona-Zeit“, für eine Zeit ohne Kontaktsperren und Versammlungsverbote: Schaffen wir mehr Raum und Zeit für kleine Rituale, direkten Erfahrungsaustausch, für kulinarische Gelage, ohne große Veranlassung und Preise, nur für den Spaß an der Freud‘, gepflegte Geselligkeit…
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