Geben & Abgrenzen. Toxisch oder Ermutigend. Kulturstreaming, Sozialforschung, Habecks Räte

Fangen wir mal bei der „… Notwendigkeit, füreinander da zu sein“ an: In der Krise sei die „Stunde der Solidarität“, doch sind viele Stunden davon nötig, und möge bloß nicht das letzte Stündlein der Solidarität geschlagen haben!

Glaubt man dem Geschriebenen, schwimmen wir geradezu in/auf einer Welle der Solidarität, ohne eine Spur des Mangels. Und „nachher“ müsse das natürlich so solidarisch wie jetzt gelernt weitergehen.

Ein kleiner Einwand vorab: Meine Solidarität haben Alle, doch ob sie das praktisch merken, als Schwingung spüren – und wo die praktische Re-Solidarität ist, die ich ja gemäß kosmischer Gerechtigkeit zurückzubekommen habe, ist eine ungelöste Frage.

Dabei ist, was sich als Solidarität ausgibt, auch schon einmal eher zweifelhaft: Nicht ganz ohne Ambivalenz jedenfalls. Ein sogenannter „Gabenzaun“ wird mit Tüten behängt, in denen Notleidende etwas zu essen finden. Eine neue Spendenkultur? Wer sich da, öffentlich beäugt, outet und „bedient“, muss ein dickes Fell haben. Es sind auch nicht hunderte von Tüten am Zaun – Klar, wenn die Lokalität ein Verkehrskreisel ist, wo man streng genommen überhaupt nicht anhalten kann.

 

Ein Tempeh auf Erdnussbasis – schmeckt zwar nicht genau wie Fleisch, ist aber eine Alternative, und Alternativen brauchen wir, und zwar global, weil die Fleischerzeugung immer noch zur Klimakrise beiträgt, hierzulande etwas Neues, fleischfreies  zu „erfinden“ ist nicht alltäglich.  „Geschenkte Kreativität“, verschenkte Kreativität oder vergebliche Liebesmüh?
Da die Essgewohnheiten so geprägt sind, wie sie sind, ist Neues ungewohnt, und Fremdes essen wir nicht, wie auch was wir essen, wir nicht kennen. 

 

 

Sei unbesorgt besser, als Du zu sein glaubst

Psychologisch könnte man zwischen „giftigen“ und „nährenden“ Personen in der Umgebung unterscheiden. Da gibt es die, die „Deine“ Erfolgsbemühungen hintertreiben, („das wird ja doch nichts, hat keinen Zweck“) und es gibt die, die ermuntern, „aufhelfen“, Dein Selbstvertrauen stärken, an Dich glauben.

Du bist recht gut. Dann sei das auch!

„They motivate you to be better than you thought you could be!“ Die Motivation, besser zu sein, als man glaubt, zu sein – darauf kann es eben ankommen.

Sei so gut wie Du eigentlich bist, nicht besser!

„Toxisch“ kann Empathie – und zwar vortäuschen. Das fragt Essgestörte freundlich „Was sind eure Top5-Leckereien, die euch Trost spenden, ein gutes Gefühl geben oder wieder gute Laune machen?“ und bekommt hunderte Antworten, hält sich damit im Zentrum der Aufmerksamkeit, für den Moment, und wir haben mal wieder über panierten Camembert, Tortellini mit Sahnesoße, Rouladen, Salat mit Sahnedressing, Tortillachips mit Salsadip und Brühe mit  Markklößchen gesprochen, aber nichts gelernt.

Unterhaltsam ist, wer die Neigungen der zu Unterhaltenden bedient.

Mal so richtig „fies und giftig“ zu fragen:
„Was meint Ihr denn so zur Situation der Saisonarbeiter beim Spargelstechen?“ wäre Gift für die Bühne – das wirkt ja „toxisch“…

 

Die Würde des Spargels

Merkwürdig schweigsam sind unsere Medien, was die Reise-, Arbeits-, Wohn-und Ernährungsbedingungen der „Wanderarbeiter“ betrifft – die TAZ  hat für die Aktion, bei der die gültigen Abstands- und Hygienevorschriften nicht eingehalten  wurden, deutliche Worte gefunden:
„Dass die deutsche #Landwirtschaft mitten in der #Coronakrise zehntausende Erntehelfer einfliegen lässt, ist menschenverachtend. Das lässt sich nicht damit rechtfertigen, dass die Deutschen möglichst wenig für das Luxusgemüse Spargel bezahlen müssen.“

Den Einen schmeckt der „deutsche Spargel“ weiterhin, Anderen nicht. Ich will auch niemandem „seinen“ Spargel madig machen und Frau Klöckner den billigen Triumph gönnen, die Versorgung der Masse der Bevölkerung mit dem Luxusg’müs gesichert zu haben.

Unsere Bedürftigen konnten manchmal über die „Tafel“ Spargel beziehen – jetzt schreckt das ehrenamtliche Engagement vor dem Wort „Risikogruppe“ zurück – „Hilfsbereit, aber alt“ zu sein, ist auch nicht schön. Und schrecklich ist, dass jetzt auch der erste Rumäne auf Deutscher Scholle vom Virus dahingerafft ist.

Möge, was wir brauchen, der

Schutzschirm für jene Menschen, die es wirklich benötigen, die von Entlassungen bedroht sind, die von Hartz IV leben müssen, die obdachlos sind, die Soloselbständigen… „

sich doch auch für diese Besitzlosen öffnen.

Existenzsorgen sind Sorgen um die (eigene) Existenz, und die Existenz ist gefährdet, die Gefährdung ist keine eingebildetet.
„Gerade Honorarkräfte, Minijobber oder Solo-Selbstständige verlieren ihre Jobs. Für viele ist das existenziell.“

Künstler dürfen und können nicht mehr live auftreten – das ist schlecht für die private Künstlerkasse. Im Kampf, bekannt und beliebt zu sein und zu bleiben, ertönt ein neues Schlagwort:

Kulturstreaming

Ein bunter Vogel (das farbige Schopfhaar steht bei Vögeln fürs „Gefieder“) erklärt.

 Alles „… über Künstler ohne Auftrittsmöglichkeit und LehrerInnen ohne Klassenraum“, die jetzt im „Netz“ auftreten und sich technisch/kreativ  verbessern um „… auf das technische Level professioneller YouTuber oder Streamer zu kommen …“ und spricht von Webvideo als „… eigenständige ergänzende Kunstform mit zahlreichen exklusiven Möglichkeiten in Gestaltung und Präsentation …“.

 

Das läuft hinaus aufs Eigenlob des „professionellen Freischaffenden“ – kann jedoch nicht verallgemeinert werden, denn im Allgeméinen geht die Rechnung nicht auf, auch unser „Zerstörer„, der „Young Shatterhand des Internet“, arrangiert sich nach dem Motto: „Man muss halt sehen, wo man bleibt, und wie man sich bettet, so liegt man.“

 

Equipment ist nicht teuer, aber guter Rat

Bereits mit einem gebrauchten Handy kann man Filme „drehen“. Um etwas zu produzieren, das wirklich mit dem Medium arbeitet und nicht von ihm sabotiert wird, müsse man sich in Kameratechnik, Beleuchtung, Tontechnik, Bearbeitung, Streaming, Schnittstellen und so weiter einarbeiten. Das ist Arbeit, „Vorleistung“ die einem keiner bezahlt. Da gibt es wenig Kooperation, kein Team mit Aufgabenteilung, aber unangebrachten Enthusiasmus: Was Dir „erst mal“ keiner bezahlt, interessiert auch später nicht.

Der Gelinggarantie beim Hefezopf ist eher zu trauen als der Anleitung, erfolgreich zu Youtuben.

Anleitungen und Instruktionen

„Lehrfilme“,  „Instruction Films„, haben eine lange Tradition, sind „schon immer“ gebührenfrei präsentiert worden. Mit der Zeit werden sie zu einem Lehrstück in „Geschichte“, je nach Thema.

Wobei die Substanz vieler Themen die Gleiche bleibt, wenn sich auch das Erscheinungsbild ändert.

Beim „Narzissmus“ geht es ums Nebeneinander, das Gegenteil von „Miteinander“, um Beziehungen zu sich selbst und (abgewehrte) Abhängigkeiten in einer mehr oder weniger pathologischen Form. Auch um die Umwelt geht es, spielen doch Pflanzen, Wasser, Umwelt eine Rolle.  Offenbar kann hierzu jeder sagen, was er will, „frei assoziieren“ – und doch ist das „narzisstische Beziehungsmuster“ in einem gedanklichen Kontext aller möglichen Verwandlungen zu sehen.

 

Auch zum Autor dieses Mythos  gibt es „Erklär-Videos“ – oder Videovorlesungsmitschnitte, bloß führen die eher ein Schattendasein, statt millionenfache Abrufzahlen zu erzielen:

Jonathan Bate on Ovid
 7.634 Aufrufe •23.02.2016
David Nystrom: Ovid
Torrey Honors Context Lecture
12.652 Aufrufe •13.10.2013
Michael Moir:  World Lit
Ovid's Metamorphoses
11.908 Aufrufe •03.02.2016
Claussen: Das Veralten der
Kritischen Theorie
   831 Aufrufe •12.02.2019
Erklärvideo der Uni Rostock
Soziologie studieren: Theodor
W. Adorno - Kulturindustrie
 3.151 Aufrufe •07.01.2020

 

Wir erklären uns die Welt – wie es uns gefällt?

Sagen wir mal: Wir leben in schwierigen Zeiten. Es gibt „Naturphänomene, die bei aller Wissenschaftlichkeit nicht so wirklich zu durchschauen sind – Wir kennen weit mehr Naturgesetze als unsere Vorfahren (aber wie haben die es fertiggebracht, diese Pyramiden zu bauen oder eine „Himmelsscheibe“ zu erschaffen?), bei aller Kenntnis und vermeintlichen Berechenbarkeit von „Allem“ stecken wir bis zum Hals in Schwierigkeiten, werden nicht überall von den Besten bestmöglich regiert und die Angst ist vielleicht größer denn je.

Die kritische Theorie hatte sich der Denktradition der Aufklärung gewidmet – und prompt ein paar Denkfehler entdeckt. Im Buch „Die „Dialektik der Aufklärung“ hatte sie sich direkt mit Homer verknüpft, ist bedeutsam für unsere Zeiten, auch wenn sie die Verknüpfung zu OVID nicht zustande gebracht hat.

Wir sollten zum Beispiel mal solche Gedanken wie „Alles gut, so wie es ist“ und „Soziale Ungleichheit ist ein Naturzustand“ überwinden – das Erklärvideo „Kulturindustrie“ hilft vielleicht weiter…

Gespannt wäre ich ja auf das Erklärvideo, das Odysseus als Urbild des modernen, selbst-beherrschten Menschen darstellt und sich der „komischen Dialektik“ von Aufklärung und Mythologie, dem „Umschlag“ von Aufklärung in Mythologie, widmet. Ich kann sowas nicht machen – vielleicht ein You-Tube-Star? So ein (e) „Influencer*In“?

Es geht im Übrigen gar nicht um die Zerstörung der Unterhaltungsindustrie, denn  Zerstreuung, Unterhaltung und Entspannung sind prima und wir haben es verdient, jetzt mal Pause zu machen, um uns nur um Kängurus zu kümmern:

 

Man könnte sich vorstellen, dass so ein vietnamstämmiges Känguru gelegentlich Horkheimer und Adorno zitiert: „Wie freilich die Beherrschten die Moral, die ihnen von den Herrschenden kam, stets ernster nahmen als diese [die Mächtigen, Herrscher, Anführer] selbst, verfallen heute die betrogenen Massen mehr noch als die Erfolgreichen dem Mythos des Erfolgs.“

Das ist klar: „Vom Tellerwäscher zum Millionär“ – das ist so ein amerikanischer Ur-Mythos, der nicht „totzukriegen“ ist: Vom Firmengründen in der Garage, Vom Buchversender zum globalen Player, vom Kellerkind zum YouTube-Star: Überall Erfolgsmythen.

Und was heißt das? Ich versuche mal, eine Übersetzung zu finden, die vielleicht hilft, das Phänomen Donald Trump zu beschreiben:  Arme Leute wählen einen Milliardär, der Bäder mit goldenen Armaturen  liebt, zum Präsidenten. Weil sie daran glauben, dass der Erfolg zählt, dass man einen echten Macher braucht, einen, der weiß, wie man gewinnt.

Das war jetzt echt ein Zufall, dass das Motiv „goldener Wasserhahn“ in diesem Artikel doppelt auftritt ;-).

 

 Mit der Konzeption, selbst mit der Produktion von Hanf-Dinkelvollkornnudeln wird man auch nicht zum Millionär: Die Welt ist ungerecht, und das Konsumvolk liebt, was die Lebensmittelindustrie ihm vorsetzt.
Dosentomaten sind vielleicht noch ganz lukrativ. Doch wem nutzt das schon etwas?

 

 

Habecks Räte: Wehe, wenn sie losgelassen

Damit die aufgeklärten, regierenden,  vom Volke gewählten „Regenten“ auch der Stimme des Volkes lauschen, könnten, so Robert Habeck unlängst auf seinem Blog, zufällige ausgewählte, ausgeloste „Räte“ die Stimmung des  Volkes repräsentieren.

„… wir sind ein Land von mündigen Bürgerinnen und Bürgern, und was wir aus der Krise lernen, das sollte mit und zwischen Bürgerinnen und Bürgern verhandelt werden. Es wäre ein großes Zeichen der Bundesregierung, nach der Krise Zukunftsbündnisse, Räte zu gründen, in denen zufällig geloste Bürgerinnen und Bürger das Erlebte diskutieren, über Konsequenzen für die Zeit danach beraten und gesellschaftliche Schlüsse daraus ziehen. Holt das Wissen, die Erfahrung, die Ideen der Leute ab!“

Darauf wurde – aus einer verwirrend verwirrten Ecke – der Vorwurf laut, Habeck wolle die „repräsentative Demokratie“ vernichten und stattdessen eine Räteregierung, wie dereinst für ein paar Tage nach dem ersten Weltkrieg in Bayern, installieren. Habeck wiederum hatte wohl an etwas „altgiechisches“ in Kombination mit französischen Volks-Präsidentenberatern und deutschen Ernährungsräten gedacht – was hätte er schon in einer Räterepublik zu tun?

Ich finde, anschaulicher als der Freidemokrat Kemmerich hätte man die Prämisse des „Landes der mündigen Bürgerinnen und Bürgern“ nicht als unzutreffend entlarven können. Bei allem Bedürfnis nach Veränderung braucht’s ein ordentliches Projektmanagement, Fahrpläne, Verlässlichkeit.

„Holt das Wissen, die Erfahrung, die Ideen der Leute ab!“ Wer das von anderen fordert, darf das auch selbst tun. Tut er nicht selbst, was er von Anderen fordert: Ist er ein Scharlatan, Ehrenmann, Hochstapler, grüner Guru – oder Was?

Was, wenn die Ideen der Leute auf einer einfachen Grundannahme beruhen:

Wir kaufen Dinge, die wir nicht wirklich brauchen mit Geld, dass wir nicht haben, um Leute zu beeindrucken, die wir nicht kennen.

Was, wenn die Forderung nach der bedingungslosen Biolebensmittelgrundversorgung aufkommt?

Wer tritt dann dafür ein? Und wann? „Nach dem Ende der Krise“ ist nämlich „am Beginn der nächsten Krise“!

 

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