Drei neue „Die Besten aller Zeiten“- Linsensuppen
Geschrieben am 7. November 2021 von KPBaumgardt
Wir haben schwierige Zeiten und stehen vor ein paar Herausforderungen – die Pandemie zu beenden, politisch das Wohl der Nation herzustellen, und überhaupt: Das Klima retten – aber nichts davon können wir abhaken, die großen Ziele entziehen sich unserem Zugriff.
Gerade jetzt sei „Resilienz“ für fortschrittlich eingestellte Menschen wichtig, schrieb jedenfalls Robert Reich in einem Guardian-Artikel, und meinte die Fähigkeit, nach dem Hinfallen wieder aufzustehen, am Scheitern nicht zu scheitern, sondern so etwas als Grundvoraussetzung der Entwicklung zu verstehen.
Das nur mal so oder als „grundsätzliche Anregung“ oder als Motivation, doch „wenn wir zusammenhalten, zusammenarbeiten, werden wir in der Lage sein, die Welt zu verändern und zu einem besseren Platz zu gestalten“, formuliert Vanessa Nakate, quasi als „Stimme Afrikas“ im Umweltgesang:
I believe that if we are united, if we work together, we will be able to transform this world and make it a better place.
Und tatsächlich sehen wir in den hoch industrialierten Ländern zum Beipiel mehr auf südamerikanische als auf afrikanische Urwälder, die als „Kohlenstoffsenke“ und Ort der biologischen Diversität nicht weniger bedeutsam sind als das Amazonas-Gebiet.
Wir reden nicht von dem merkwürdigen Fakt, dass unsere Co2-Emissionen zwei Prozent der globalen darstellen, während ganz Afrika nur drei Prozent des globalen Ausstoßes bedingt, und was den Anteil der globalen Waldbrände betrifft, an dem unser Fleisch-und Sojahunger mit schuld ist, scheint es ein Sprechverbot, eine Zensur zu geben.
- Interview (ca. 8 min): Vanessa Nakate – Why Africa Should Be at the Center of the Climate Conversation | The Daily Show
Auf der Umweltkonferenz in Glasgow haben afrikanische Bauernverbände eine globale Agrarwende gefordert – auch im Interesse von Klimaschutz und Biodiversität.
Wer hierzulande argumentiert, nur eine industrielle Landwirtschaft könne „die Welt ernähren“, will Traktoren, Erntemaschinen, Kunstdünger und monopolisiertes Saatgut verkaufen, wird Landgrabbing und Vertreibung der Einheimischen begünstigen und nicht die Bedürfnisse der hungernden Menschen, die weltweit selbst Bäuer*innen sind, deren Ernten häufig nicht ausreichen.
Eine Strategie des „bescheidenen Wohlstands für alle“ durch nachhaltige Intensivierung der Landwirtschaft und faire Teilnahme an den Weltmärkten müsste auch die modernen Völkerwanderungen bremsen, sofern sie nicht bereits auf Klimaveränderungen beruhen.
Wir lieben „unsere“ Linsensuppe – häufig derart, dass wir sie in Wildwestmanier direkt aus der Dose essen.
Machen wir doch den Umweltverantwortlichen, die an den Verpackungsmülllawinen verzweifeln, mal eine Freude mit einem Teller „ökokorrekt-gesunder“ Linsensuppe: Beluga-Linsen (im energiesparenden Multicooker vorgegart). Fleischbällchen aus der Bio-Bratwurst, rote Paprika, gelbe Zuccini, Champignons, Zwiebel, Knoblauch, Fertig-Tomatensauce aus dem Plastikbeutel. Es sollte ja schnell gehen…
Landwirtschaft, Ackerbau und Viehzucht als Basis der menschlichen Existenz – ganz ohne Massentierhaltung oder Umweltprobleme – kennt schon die Bibel, die dazu ein „passendes Gebot“ bereithält: „Macht Euch die Erde untertan“.
Eine Fehldeutung dieses Paradigmas (Muster; Erzählung; hier: Leitsatz) war und ist, der Mensch solle zu seiner „Erbauung“ alles dazu tun, voranzukommen und dabei zu verbrennen, was sich verbrennen lässt:
Still from the 1956 film adaptation of Around the World in 80 Days, starring (from left) Robert Newton as Inspector Fix, David Niven as Phileas Fogg, and Shirley MacLaine as Aouda.
Da die Reisegruppe mit Stäbchen aß, gab es keine Linsensuppe 😉 .
Jules Verne wusste offensichtlich, wie man Geschichten erzählt, und so ließ er Phileas Fogg auf dem letzten Abschnitt seiner unerhörten Reise das Aberwitzige anordnen, das fahrende Schiff zu verheizen, um den Druck im Kessel zu steigern.
Das war schon hellsichtig in Hinsicht auf unsere Zeiten, in denen mehr und mehr erwirtschaftet werden soll, damit die „Vermögenselite“ ihren Nervenkitzel – notfalls im All – abbekommt.
Wo diese Denkweise: „Wir, die Krone der Schöpfung dürfen, ohne Rücksicht auf die Bedürfnisse und Nöte aller, herrschaftlich-verächtlich auf die sogenannten Schwachen herabblicken“ das Handeln bestimmt, wird die Welt und der Rest der Menschheit als „Das zu Unterwerfende“ betrachtet.
Unsere Schöpfungsgeschichte, die „Genesis“, ist ja vielleicht zwischendurch mal falsch übersetzt worden: Nicht nur das „Macht Euch die Erde untertan“ kann plausibel erklärt werden, sondern auch die Version „Macht Euch der Erde untertan“. Oder das, was dazwischen gilt.
Wir können für die „Krone der Schöpfung“ ausbeuterische oder imperialistische Tendenzen annehmen und diesen Gedanken in der Kiste „Später mal checken“ (zwischen-) parken, sonst kommen wir nicht mehr auf die Linsen zu sprechen, und zwar auf diese Linsen:
Es handelt sich um Beluga-Linsen, gewässert, gedämpft und mit Essig und Tempeh-Sporen versetzt nach 48 Stunden im „Brutschrank“, anders gesagt: Um ein Tempeh von Linsen, das in einer Backform fermentiert wurde.
Eine kleinere Probe stammt aus einer kleineren „Backform“, ist eigentlich auch fisch-förmig, weshalb der Tempeh-Fisch in einer Brühe schwimmt, mit Fenchel, roter Zwiebel, Karotte, einem kleinen Bio-Wiener Würstchen, Lauch und Kapern. Bei der roten Farbe auf dem weißen Edelschimmel handelt es sich um ein wenig Sriracha-Sauce.
Den Tempeh-Fisch gibt es zum Betrachten auch eine Nummer größer, warum wir Tempeh als „Grundnahrungsmittel“ in Betracht ziehen sollten, wird auf der Tempeh-Seite angedeutet, aber selbst das Betrachten fällt unseren „Querköpfen“, die in ihre Widersprüche und unrealistischen Mystizismen verstrickt sind, schwer, und die, die für neue „kulinarische Erfahrungen“ offen sind, haben kein Interesse, einen Geheimtipp, dessen Gegenstand noch auf dem Preisniveau von Apotheken gehandelt wird, zu popularisieren – oder sagen wir mal: Sie können es eben nicht.
Im fiktiven Dialog könnte gesagt werden, die individuelle Freiheit sei bedroht vom Tempeh-Gebot: Das klingt für manche so plausibel wie die Tabak-Werbung im letzten Jahrhundert, als gemietete Propagandistinnen „für das Recht der Frau“, in der Öffentlichjkeit zu qualmen, auftraten.
„Die schlanke Zigarette“ und der Slogan „Ich rauche gern“ konnten gut mit dem Leitsatz „Fleisch ist ein Stück Lebenskraft“ koexistieren, den Gedanken an Gesundheit und Gemeinwohl wohl-verdrängend.
Gleichzeitig galt und gilt es, süße Genüsse zu versprechen, wobei zu verschweigen ist, dass diese Verführungen immer auch ihre Kehrseite haben.
Den Linsen ist das gleichgültig – sie munden auch ohne Fleischbeilage.
Belugalinsen-Tempeh mit gedämpften Tomaten, Champignons und Kräuterseitlingen auf Spinatkissen mit fruchtig-scharfer Tomatensauce und beim Dämpfen aufgefangener Gemüsebrühe
Siehe auch: Die progressiv-Diverse Küche
Tempeh from Beluga lentils „how-to“:
The lentils were soaked for 48 hours in a widening bowl, because the content is swelling with time, so water must be re-filled, eventually, too. Lentils may begin to sprout, that is not bad.
The water is poured off with the help of a big-enough strainer, let the lentils drip off 15 minutes. I did not cook the lentils, but steamed them in a „multicooker“ under pressure, about 20 minutes with not too high pressure, without Pressure that may take 40, 45 minutes (I like them not too hard, but rather soft). You may test the texture, and go on steaming or stop it, depending on what you prefer.
Then the pulses have to become about as wet or dry as a mushroom, or a bit more wet than a fresh bread, for example.
This could be reached by switching the multicooker on „keep warm“ and stiring the lentils every some minutes, in maybe 45 minutes.
Some more stiring had to be done after adding two tablespoons of vinegar, then 1 1/2 teaspoons starter-culture (for 500 gr lentils primary).
Then the lentils were filled in a (glazed) earthen baking-mold, covered with a clean wooden lid, so that little air exchanged still was possible.
The rest happened in some 48 hours – then I took the ready tempeh out of the baking pan and steamed it for 20 minutes, to stop the fermenting process. After cooling down I kept it, wrapped, in the fridge.
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Danke für diesen wunderbaren Artikel. Den Fotos sieht man an, dass die Gerichte schmecken und das ist neben dem Aspekt der Nachhaltigkeit sehr wichtig.
Weiter so
LG