Seehofer und Schmidt: Fünf Punkte, Übergewichtige bleiben dick, es bleibt wie es ist

Die Regierung hat pünktlich fünf Punkte erstellt, die dafür sorgen, dass Deutschland gesund leben wird, berichtet die Tagesschau. Es geht um Ausgaben für durch Übergewicht verursachte Erkrankungen – zwischen zehn und zwanzig Milliarden Euro.

Die Deutschen sind nicht mehr die „Krauts“, und „Dickste Nation Europas“ ist schlecht fürs Image. Saubere Programme, ordentlich präsentiert, garantieren den Eindruck, dass etwas geschieht. Die Überlegungen im Hintergrund können wir uns wie folgt vorstellen:

Wir kennen das Ausmaß der Katastrophe und wir können die Folgen abschätzen. Was die Ursachen betrifft, sind wir ratlos, was wir aber nicht zugeben.

Wir sagen mal: Das Volk frisst zuviel und bewegt sich zu wenig. Da aber nur die Hälfte der Frauen und zwei Drittel der Männer zu fett sind, nehmen wir mal noch genetische Ursachen an, gegebenenfalls Charakterliche. In der Regierung sind schließlich nur schlanke Menschen – also mehr eine Frage des Willens – auch das Volk muss nur wollen, der Altkanzler und der Altinnenminister sind ärztlich betreut.

Der komplette Hintergedankenkomplex interessiert hier nicht, nur der Punkt der schwachen Begründung für das massenhafte Übergewicht: Der Mensch wird wie eine Maschine verstanden, die zuviel Treibstoff aufnimmt, den sie als Fett“polster“ mit sich herumschleifen muss. Warum manche den Tank nicht voll genug bekommen können, kann doch eine Regierung nicht wissen.
Muss eine Regierung eigentlich etwas von Psychologie, außer von Massenpsychologie verstehen? Reicht es aus, mit einem mechanistischen Menschenbild zu regieren?

Wir leben in einer Zeit des Narzissmus, der Selbstliebe und der eitlen Selbstbespiegelung. Das ist soweit jedermann klar. Dass Narziß und Narzisse von der Wortwurzel her einen Zusammenhang haben, auch. Dann gibt es noch einen leicht verständlichen Zusammenhang zu „Narkose“; der narzisstische Mensch betäubt sich, Essen, ein voller Magen, stellt ruhig, übertönt seelische Schmerzen, ob sie von Stress oder von vermeidbaren oder unvermeidbaren Konflikten herrühren.
Fünf Eckpunkte mit Haken

Der Vielfraß isst aus seelischen Gründen. Koalition und Opposition könnten 50
Fünzig-Punkte-Programme aufstellen, ohne dies zu berücksichtigen.

Fünf Eckpunkte ergeben ein Fünfeck, ein Pentagon. Die Kunst des Abnehmens gehört nicht zum Regierungsprogramm.

Das Symbolfoto von Fressnet.de zeigt eine visuelle Umsetzung der Ideen der Bundesregierung: Progamm mit Haken.

Man sollte einen Boxsack daranhängen – allüberall, dann kommt Deutschland samt Regierung wieder in Bewegung.

Nachtrag:

Thomas Trueten geht unter der Überschrift „Scheinheiligkeit, Übergewicht und Hartz IV“ auf weitere globale und nationale Probleme in diesem Zusammenhang ein:

“ … Der Zusammenhang zwischen gesunder Ernährung und deren Bezahlbarkeit – für Hartz IV Empfänger ganz zu schweigen – wird von den Architekten des „Fit statt fett“ Programmes geflissentlich „übersehen“. Von der Möglichkeit zur Zubereitung innerhalb der heutigen Lebens und Arbeitsumstände der meisten arbeitenden Menschen ist sowieso keine Rede.

Da fällt es dann leicht, über Fastfood- und Tütenfraßopfer zu richten und Kreide zu fressen.“

Siehe auch den Beitrag „Unsere kleine Gesundheitsreform

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11 Kommentare zu “Seehofer und Schmidt: Fünf Punkte, Übergewichtige bleiben dick, es bleibt wie es ist”

  1. Ein Freund von mir sagte mal, daß es ein Problem sei, daß wir nur noch BERUFSpolitiker haben, die seit ihrem sechszehnten Lebensjahr an ihrer Kariere basteln und jeglichen Bezug zur Realität verloren haben.
    Inzwischen kann ich ihm zustimmen.
    Man sieht es z.B. auch an der Besetzung der Ministerposten – es geht nicht nach Kompetenz, sondern danach, wer an der Reihe ist.
    Als Ergebnis sehen wir dann solche Programme wie „Schlankes Deutschland“ und man fragt sich, warum manche Projektwochen an den Schulen mehr Substanz haben als die Blödeleien in Berlin…

  2. Sich schon in jungen Jahren auf eine Richtung oder Partei festzulegen, ist sicher nicht jedermans Sache – und Sachfragen erfordern gründliche Einarbeitung. (Parteileitlinien vielleicht auch …)

    Der „Blödsinn“ beschränkt sich nicht auf Berlin – so manches Krankenhaus ist bei der Verpflegung seiner Patienten weit von vollwertiger Ernährung entfernt, die Kochkunst hierzulande ist in vielen Familien auf unterstem Niveau, die Klage, für gute Ernährung zu wenig Mittel zur Verfügung zu haben, bezieht sich auf das preisliche Niveau der Fertignahrung, die Zeit fürs Kochen wird lieber der Fernsehunterhaltung gewidmet usw. .

    Die mit den Essstörungen verwandten Krankheiten, die keine organischen, sondern psychische Ursachen haben, zeigen es ja am deutlichsten, dass bei allen Bemühungen um Einflussnahme der Faktor „Psyche“ nicht vergessen werden darf – was m.E. der „Haken“ bei dem Programm sein dürfte.

  3. Irgendwie schwante mir das am Freitag beim Kurzkommentar “Scheinheiligkeit, Übergewicht und Hartz IV” bereits, bei der heutigen Zeitungslektüre wurde es dann zur Gewissheit: Die Bundesregierung will die Mehrwertsteuer auf „ungesunde“ Lebensmittel von 7% auf 19% heraufsetzen. „Fit statt fett“ist also nichts anderes als das ideologische Vorgeplänkel auf den nächsten Griff in unsere Taschen.

  4. Jedenfalls sind Steuererhöhungen keine Erziehung zur Mündigkeit. Die pädagogischen Bemühungen, wie sie sich in den Programmen der „Gesundheitskassen“ widerspiegeln, sind auch nicht gerade vom Erfolg gekrönt.
    Und wenn Du – persönlich – mit der „Didaktik des Abnehmens“ mal etwas genauer hinschaust, den Lug und Trug all der klugen Ratschläge (die wesentliche Ebenen einfach ignorieren) hinterfragst, kommt die Politik mit der Peitsche: Steuererhöhung?

    Jahrzehntelang waren wir der Werbung fürs Rauchen ausgesetzt, ohne dass ein Politiker uns davor geschützt hätte, nur so als Beispiel.

    Wenn die Fett- oder Zuckersteuer noch ein paar Diskussionen aulöst, kann das nicht schaden.

  5. Mein Vorschlag: „Führen durch Vormachen“. Ich fände es klasse, wenn Angie Merkel, Kurt Beck, Ulla Schmidt und vielleicht noch der selbsternannte „Gesundheitsexperte“ Wolfgang Zöller eine Fasten- und Fitnessgruppe gründeten, mit dem Ziel, bis zum Jahresende gemeinsam 50 Kilo abzunhemen. (Thierse könnte ähnliches durch eine simple Rasur erreichen, das ist zu einfach, deshalb darf er nicht mitspielen).

    Wie würden wir uns freuen, wenn wir täglich um 06.30h via Liveübertragung aus Berlin daran teilhaben könnten, wie die Spitzen der Politik beim Joggen oder im Kraftraum schwitzen, um selbst zumindest annähernd dem Bild des schlanken, ranken, gelenkigen und kerngesunden deutschen Bürgers zu entsprechen, das sie propagieren.

    Mein Respekt wäre den Vertretern der politischen Klasse jedenfalls erstmals sicher.

  6. Von Politikern als Vorturnern würde ich Abstand nehmen, da gibt es auf diesem Gebiet besser ausgebildete Fachleute, KrankengymnastInnen zum Beispiel – der Spass soll ja auch nicht zu kurz kommen bei der Körperertüchtigung, und somit könnten wir den ganzen Spitzensport, der eben das Publikum zum Zuschauen verdammt, statt zum Selbst-Bewegen anzuregen, bis hin zur Olympiade, eigentlich dichtmachen.

    Abnehmen in der Gruppe mag ja gut sein, vielleicht gründen betroffene Politiker auch noch Selbsthilfegruppen, oder nehmen zumindest teil – hier ist noch ein weites Feld für ehrenamtliche Betätigung.

    Vom Fasten möchte ich definitiv abraten. Ob Seehofer/Schmidt bei ihrem Programm – wegen der Nachhaltigkeit – wohl unseren Ex-Zu-Sich-Selbst-Läufer befragt haben?

  7. […] Wenn die überwiegende Mehrzahl der Bevölkerung nun skeptisch ist, ob die Bundesregierung mit ihrem Programm für ein fittes, schlankes Deutschland erfolgreich sein wird, ist das kein Wunder: Von Seehofer und Schmidt kommen die guten Vorsätze Mitte Mai, der Einzelne hat sie – bezüglich des Gewichts – im Januar getroffen – und was ist dabei herausgekommen? […]

  8. […] Haben unsere “verantwortlichen” Politiker schon mal etwas in dieser Richtung angedacht, unternommen – oder muss das vom Markt geregelt werden? […]

  9. […] Anlässlich der Nationalverzehrsstudie ein Rückblick: Das Übergewicht einer ganzen (bzw. halben) Nation macht krank und kommt teuer, das wissen auch unsere Volksvertreter, die Regierungsprogramme abhaken sollen; Große gedankliche Anstrengungen zur Überwindung des Übergewichts im Parlament: […]

  10. […] Gesundheit der Republik braucht mehr als ein 5-Punkte-Programm, sie braucht  viele gesunde Programme zum […]

  11. […] die Nebenwirkungen von staatlichen Programmen wie “Fit statt fett” und über die Fragwürdigkeit der angegebenen Zahlen zur […]

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Frische Kommentare

  • Sabrina: Schön, dass du bei der Bilanz dabei bist! Mit Spirulina und Algen zu experimentieren,...
  • ClaudiaBerlin: Mit all meiner fortgeschrittenen Lebenserfahrung kann ich sagen, dass das mit den...
  • Julia: Da hast du recht, was das Fermentieren angeht, bin ich Spätzünderin 😂
  • Ulrike: Nachhaltigkeit und Produkte aus der Umgebung sind wichtig, da bin ich ganz bei dir. Alles...
  • Bine: Lieber Klaus-Peter, ich bin über die Foodblogbilanz2021 auf Deinem Blog gelandet und...

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