Wunschgewicht, Konsequenz der Diät-Vorsätze, alleine oder gemeinsam abnehmen?

Bald hat das Jahr „Halbzeit“, und im Januar haben 80% der Bevölkerung ihre guten Vorsätze getroffen, die weniger resignierten unter den Übergewichtigen sich vorgenommen, ihr Wunschgewicht zu erreichen.

Die besten Vorsätze – etwa:

„Ich will konsequent abnehmen“

nutzen nichts, wenn man sich nicht daran hält. Gesetze, die ständig übertreten werden, deuten auf einen schwachen Staat hin – der kommt ohne Polizei nicht aus und hat Regeln aufgestellt: Zu Not wird eben der Führerschein entzogen.

Wenn die überwiegende Mehrzahl der Bevölkerung nun skeptisch ist, ob die Bundesregierung mit ihrem Programm für ein fittes, schlankes Deutschland erfolgreich sein wird, ist das kein Wunder: Von Seehofer und Schmidt kommen die guten Vorsätze Mitte Mai, der Einzelne hat sie – bezüglich des Gewichts – im Januar getroffen – und was ist dabei herausgekommen?

Alleine oder gemeinsam abnehmen?

„Wo ist es denn jetzt, mein Wunschgewicht?“ wird sich manche(r) fragen – die freie Marktwirtschaft, die Balance von Angebot und Nachfrage hat kein Fett „abschmelzen“ lassen, auf beiden Seiten der Waage lastet zu viel Gewicht.

Was uns vom Wunschgewicht trennt, ist die schlichte Wahrheit:

Der Geist ist willig, das Fleisch ist schwach, und das Fett schwabbelt zu sehr.

Wir können das mal als gegeben annehmen und uns einen Lösungsansatz überlegen: Wo ist der Hebel anzusetzen?

Da das Fett nur die Folgeerscheinung ist: Hier nicht.

Die Schwäche des Fleisches ist, abgesehen von den Muskeln, für die wir etwas tun können, auch nicht zu ändern – das will ja auch niemand, sorgt sie doch für allerlei Abwechslung, ohne die das Leben nur noch langweilig wäre.

Der Geist ist willig – das ist eine Verkürzung, genau gesagt, müsste es heißen:

Der Geist ist eigenwillig.

Er hat Vorlieben – manchmal, eher selten, für hochgeistige Gespräche. Auch allzu hochgeschraubten Texten gegenüber verweigert er sich.

Kleingeister wollen eigentlich nur ihre Ruhe, und finden sie nicht vor körperlicher oder geistiger Unruhe, oder wegen störender Unkenrufe.

Der Geist hat auch seine Abneigungen: Gegen Vorschriften, Bevormundungen, Nicht-Anerkennung. Manchmal sieht er schon „böse Geister“, wenn man nur etwa „So etwas tut man doch nicht“ zu ihm sagt, rebelliert, ohne den Geist des Gegenübers erkennen zu können. Die Geister der Vergangenheit können ihn beherrschen.

Aber im Allgemeinen gilt:

Der Geist hat den Willen zur Freiheit und zur Kommunikation.

Wer ein Wunschgewicht erreichen möchte und von seinem Geist verlangt, Kalorien zu zählen, hat nicht verstanden, was Wünsche sind, und seine geistigen Fähigkeiten mit denen eines Computers verwechselt.

Computer sind doof, folgen sturen Programmen, der Geist will frei und eigenständig sein und kann, was kein Rechenknecht kann: Etwas freiwillig tun.

Wer Diätvorschriften sucht, hat nicht verstanden, sich seines Verstandes zu bedienen. Wer anderen Diätvorschriften machen will, will sie zu Kleingeistern erziehen und ist wohl selbst einer.

Imitation

Es gibt, um zur Kommunikationsfreude zu kommen, diese altbekannte Scherzfrage: „Zehn Vögel sitzen auf einem Baum, ein Jäger kommt und schießt einen ab – Wieviele Vögel bleiben auf dem Baum?“

Dass Lebewesen einander imitieren, gehört zu den Bedingungen der Biologie. Auch, dass der Mensch nicht geboren ist, um allein zu sein. Die Imitation finden wir auch beim Menschen, und

Identifikation

und als Weiterentwicklung. Die braucht nicht einmal reale Wesen, sondern zum Beispiel Helden, Stars, Märchenfiguren usw..

Die Märchen erzählen ja von der Zeit, „als das Wünschen noch geholfen hat“, was heute noch hilft, zum Beispiel aufs Wunschgewicht zu kommen, sagt uns keiner, und kein Lexikon definiert ein Wunschgewicht.

Wir brauchen zum Einen Identifikationsfiguren – dabei kann, wenn reale Identifikationsfiguren fehlen, die Literatur oder Verfilmung für Ersatz sorgen, und  Manche nehmen in ihrer Not schon mal den Bösewicht als Vorbild.

Zum Anderen müssen wir uns mit unseren Vorbildern auseinandersetzen, auch von ihnen lösen, wenn sie uns nur ein mangelhaftes Selbstgefühl vermitteln konnten – woran sie ja mehr oder weniger unschuldig waren.

Die Idealisierung einer Figur hemmt die eigenständige Selbstwahrnehmung, die Idealisierung oder gedankliche Schonung eines Verführers etwa führt in Teufels Küche, zieht schräge Rationalisierungen, nicht aber die Herrschaft der Vernunft nach sich.

Wunschgewicht, Vorbilder, Mitmenschen und Anteilnahme

Wir sind wieder beim Thema Wunschgewicht und gedanklich ein Stück weiter: Die Identifikation mit einem Vorbild hilft wenig, da z.B. Frau Powter eine andere Ausgangssituation hatte, kann ihr Weg nicht mein Weg sein. Mag auch jeder seinen eigenen Weg gehen müssen, will und braucht man doch die Kommunikation nach außen.

In der Familie, in der man „groß“ geworden ist, ist bei den Übergewichtigen einiges schief gelaufen. Sich deshalb eine Ersatzfamilie zu suchen, scheint auch nicht die beste Idee.

Eine therapeutische Gruppe ist eine Erfindung der Neuzeit, die, bei allem Hochgefühl in der Anfangsphase, auch nur so gut ist, wie ihre Leitung (Das war jetzt pauschalisiert und klingt, als bräuchten wir sie nicht – doch, wir brauchen auch psychotherapeutische Gruppen, brauchen auch eine psychosomatisch orientierte Medizin, und, und, und …).

Brauchen wir neue „Organisationseinheiten“, Clans, Stämme?

Die Idee, Übergewichtige in Selbsthilfegruppen zu organisieren, wird zwar öfters beschworen, aber seltsam selten realisiert.

Kein Wunder: Depressive in einer Gruppe würden auch stets jemanden finden, der, was die pessimistische Sicht der Welt betrifft, die Führung übernehmen will.

Therapeutische Gruppen profitieren neben allen anderen Prozessen von der Idealisierung ihrer Leitung, was die Emanzipation der Mitglieder aber auch gelegentlich behindert; auch hier ist die Aufhebung der Idealisierung ein schwieriges Stück Arbeit, bei dem der Leiter, wenn er die Idealisierung nötig hat, nicht kooperativ sein kann.

Kooperative, freiwillige Arbeitsgruppen

Bei der Diskussion im Anschluss an ein Referat über „Identifkation“ gab ein Kommilitone seiner Bestürzung darüber Ausdruck, wie sehr man sich u.U. dem Gegenüber angleicht, wie wenig man doch dadurch „man selbst“ ist, da man ja gar nicht anders könne, als sich fortwährend zu identifizieren, kurz: Wie unvermeidlich die Identifikation ist.

Als daraufhin aus einer der hinteren Reihen der Zuruf kam, dann soll er es doch lassen, lachte der ganze Saal.

Da wir also, auch wenn wir „alleine“ abnehmen, uns fortwährend mit anderen identifizieren, liegt es auch nahe, diesen psychischen Mechanismus in unser Programm einzubauen.

Wir brauchen bloß noch die richtigen Identifikationsfiguren – dieser Punkt ist bereits abgehakt – oder, besser, den richtigen Umgang mit der Identifikation.

Die Einfühlung oder Empathie (sozusagen eine distanzierte Identifikation – kein einfaches Mitleid) beruht auch auf der Identifikation, und die Empathiefähigkeit zu schulen, hilft letztlich jedem im Gruppenzusammenhang, überfällige Identifikationen loszuwerden.

Das klingt, im Vergleich zu schnell dahergebeteten drei-Punkte-Programmen, doch recht umständlich.

Ist es aber nicht wirklich so, dass Dicke es schwerer haben als andere, und sie nicht nur so tun?

Von einer „gewissen Unterstützung beim Abnehmen“ ist ja schon öfters die Rede gewesen. Vielleicht – und jeder hat da seine eigenen Erfahrungen – ist sie ja auch nötig.

Als Einzelkämpfer und „Steppenwolf“ diesen Kampf durchzustehen, ist nicht jedermanns Sache. Im Team ist doch manches leichter. Bei „Team“ fällt uns gleich „Fußball“ ein, also „Mannschaft“; wir können Team aber auch mit „Arbeitsgruppe“ übersetzen.
Das Problem ist auch groß genug, um mehrere Teams zu bilden. Wir sollten jetzt damit anfangen.

Weiterer Artikel:

Selbsthilfegruppen bei Übergewicht

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Ein Kommentar zu “Wunschgewicht, Konsequenz der Diät-Vorsätze, alleine oder gemeinsam abnehmen?”

  1. […] Vorsatz 1: Abnehmgruppen […]

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