Von milchsaurer Salzzitrone und politischer Führungskraft
Geschrieben am 23. März 2018 von KPBaumgardt
Bei einem „politischen“ Artikel auf einem Food-Blog ist die richtige Einstimmung, sozusagen die Vorspeise, unverzichtbar. Dass eine Führungskraft des öffentlichen Lebens, hier der „alte Fritz“, auch mal von der weniger respekterheischnden Seite gesehen werden sollte – hört Ihr Euch am Besten selbst an, gegen Ende des verlinkten Videos.
Da wird ja – humoristisch – darauf hingewiesen, dass wir uns die Welt, unsere Vorstellung von der Welt, schön machen, mit geschönten Darstellungen, getönten Brillengläsern, und manchmal auch mit der Hoffnung, dass alles gar nicht wirklich so schlimm ist, wie es in der Übertreibung dargestellt wird:
Dass der Gesangsverein zwar zur Einweihung der Müllverbrennungsanlage eingeladen wurde, dann aber hinter einer Baubude singen sollte, damit die „hässlichen Alten“ nicht zu sehen sind, das war natürlich übertrieben.
Das, oder auch eine saure Salzzitrone, ist also kein Grund, sauer zu sein.
Bei der Gelegenheit muss ich sagen: Wenn Salzzitrone, dann bitte nicht eingekocht, sondern milchsauer fermentiert: Dadurch mischen sich zwei Arten von Säure, wenn man die durch etwas mehr Wasser „verdünnt“, wird es lecker.
Wenn manche, stolz wie ein Pfau, ihre Rezepte vorstellen und keine Alternative dazu, aus Gründen der „Demokratie“ mit der vollen Autorität des Ministerrangs zu jeglichem Politbereich ihren Senf dazuklatschen – das kann schon mal unpassend sein:
Im Zusammenhang mit der „Tafel-Diskussion“ hatte sich herausgetsellt, dass „Hartz 4“ das eigentliche Debakel ist, das Gerede vom „Schutz vor Armut“ nur ein Gerede, das die Schwätzer davor bewahren soll, zu erkennen, wie festgerostet ihr Denken doch ist.
Die Damen und Herren, die da meinen, es ist genug, wenn die ärmeren Leute vor dem Verhuungern bewahrt werden, die „Eliten“, die rast- und sinnlos von Berlin nach New York, Brüssel, Paris und weiteren Lieblingsdestinationen jetten, auf Versammlungen die Menge zum Toben bringen, an exklusiven Orten von erlesenem Geschirr tafeln, haben so das Gefühl, mitten im Leben zu stehen.
Werbung – [“Promotion”] Hausgemachter Kefir
Für alle Fälle gibt es in diesem Fall ein Heilmittel:
Kefir-Schokolade ist allerdings auf dem freien Markt nicht erhältlich. Die rare Spezialität mit der dezenten Säure und der reduzierten Süße ist ein cremiges Mood-Food, das schon in kleinen Mengen besänftigend wirkt.
Das Leiden, oder der Mangel an Lebensfreude derer, die nicht im Scheinwerferlicht, sondern im Dunklen leben, wird nicht wahrgenommen:
Wenn man keine soziale und kulturelle Teilhabe hat, dann sieht man keinen Sinn mehr darin zu leben. …
An die Menschen mit Behinderung bzw. chronischer Krankheit hat man weder bei Konzeption noch Einführung von Hartz 4 jemals gedacht. Man denkt selbst in der Diskussion heute nicht an diese Personengruppe, sondern konzentriert sich auf all die Menschen, die kontinuierlich arbeitsfähig sein könnten, würde es Stellen für sie geben.
Das muss sich ändern. (Quelle)
Der Begriff „Teilhabe“ ist hier vielleicht zu erläutern. Vom Wort her der „Teilnahme“ verwandt, klingt noch das (veraltete?) „teilhaftig-werden“ (Berthold Brecht) an:
Das Recht des Menschen ist’s auf dieser Erden
Da er doch nur kurz lebt, glücklich zu sein
Teilhaftig aller Lust der Welt zu werden
Zum Essen Brot zu kriegen und nicht einen Stein.
Also, das ist zwar kein Brot, sondern sind zwei Salate, im Vordergrund lila Kartoffeln. Ich lasse Euch also vermittels eines Fotos an meiner Ernährung teilnehmen – teilhaben; im günstigen Fall sind wir ja bereits
„… auf dem Weg zu einer Teilhabegesellschaft … [voller] Liebe, Respekt, Solidarität, gegenseitige[r] Hilfe. Nicht nur Haben, auch Geben. Nicht nur besitzen, auch loslassen. Welche Projekte und Aktionen brauchen wir, um diese Kräfte in allen Menschen wachsen zu lassen, für ein volles erfülltes Leben für alle?“
Wenn wir uns den im Sozialgesetzbuch notierten Gedanken der „Partizipation“, die umfassende Bedeutung des Teilhabegedankens verdeutlichen, sind die „Hartzigen Transferleistungen“ nicht das einzige Hemmnis, das zwischen Betroffenen und gesellschaftlichem Leben wirkt, klar ist aber auch:
Das muss sich ändern, das verlogene Herumeiern mit nichtsnutzigen Argumenten, vom „niemand muss verhungern“ übers „alle sind vor Armut geschützt“, denn die eigentliche Realität heißt:
Wenn es ans Sparen geht, werden zuerst die (wenn vorhanden) Zeitungsabos gekündigt, und weiterhin wird billig eingekauft – also nach den Regeln der Ökonomie viele Kalorien für wenig Geld, denn, wenn gespart wird, wird auch am Essen gespart, was zwar Ängste hervorruft, die uns noch aus dem 30-jährigen Krieg vererbt worden sind, oder aus den großen Wirtschaftkrisen der Weimarer Republik. Mit diesen diffusen Vorstellungen spielen unsere „Führungskräfte“ herum.
Das Sprichwort „Trocken Brot macht Wangen rot“ kann ja nicht aus dem Nichts in unseren Sprachschatz eingefallen sein; man kann versuchen, das Beste daraus zu machen:
Während also eine Tageszeitung einen „Bericht aus dem richtigen Leben“ bringt, um die Frage, „Reicht Hartz 4 zum Leben?“ zu klären, können wir den Link auch mit der Antwort: „Es ist zu wenig zum Leben, und zu viel zum Sterben“ überspringen.
Was auch immer Frau Merkel sich von Spahn im Gesundheitsressort erwartet hatte – jetzt hat sie einen Ausbund an Stammtischwissen, der auch noch beachtet wird:
Dass eine Verkäuferin schlechter „dasteht“ als ein „reiner Stütze-Empfänger“ glaubt(?) und verbreitet der Herr Gesundheitsminister.
Eine Presse, die einst noch den klugen, lesenden Köpfen geschmeichelt hatte, veräppelt sie jetzt mit der Zahl: 15,80 € – die, mindestens, pro Stunde, eine vierköpfige „Hartz-Familie“ virtuell kassiere…
Das seien die neusten Zahlen und Berechnungen! Auch der Steuerzahlerbundverein hatte skandalöse Zahlen vorlegen müssen. Wo bleibt da das „Arbeit muss sich wieder lohnen“?
Die flinken Rechenkünstler hatten die Möglichkeit, „aufzustocken“, die ja einen Zusatzverdienst nicht ausschließen soll, „übersehen“ wie auch ein „abgezogenes“ Kindergeld. Nebenbei hatten sie das Los der Langzeitarbeitslosen, die so minimal gefördert werden, dass sie sich in eine Sackgasse abgeschoben fühlen, übersehen, übertüncht wurde damit die soziale Realität.
Sachkompetenz in Ernährungsökonomie würde die Suche nach Lösungen unglaublich dringend machen –
Würde der Knödel sprechen: „Ich war mal eine trockene Semmel“, entspräche das der Wahrheit. Wahr ist auch, dass er besser als trocken Brot geschmeckt hat, viel besser. War allerdings auch mit Arbeit verbunden, bis man mal den Trick heraus hat.„Es gibt zahlreiche Untersuchungen dazu, dass die Qualität eines Lebensmittels, also die Menge an enthaltenen Mikronährstoffen, mit sinkendem Preis abnimmt, während der Energiegehalt zunimmt“, erklärt Prof. Dr. Biesalski. Das Kind werde damit zwar satt, nehme aber zu viel Kalorien und zu wenig Mikronährstoffe auf. „Es kommt zu dem, was wir als ‚double burden‘ bezeichnen: Übergewicht bei unzureichender Versorgung mit Mikronährstoffen.“
Richtig, um die Kinder geht es in diesem Zusammenhang (Kosten der Ernährung) auch. Um die „nachhaltige“ Entwicklung der Gesellschaft, für die eine gemeinsamen Sprache als zusammenhaltendes Moment dienen muss, die aber zulässt, dass ärmere Kinder später zu sprechen anfangen – „Entwicklungsverzögerung“ ist dann die verharmlosende Umschreibung; man soll zwar das vorsprachliche Denken nicht unterschätzen, aber selbst Bild-Symbole müssen strukturiert werden und brauchen die sprachliche Ergänzung. Wie sollen Kinder, die nicht verstehen können, was gesagt wird, heutzutage lernen können?
Hülsenfrüchte gelten global als optimale Kost für ärmere Leute – von der UNO empfohlen… Allerdings kann man eine Bohnensuppe auch noch aufpimpen…
Politzyklopie
Ralf Stegner:
CDU Minister
@jensspahn gibt derweil den Provokateur und hofft, mit seiner Herzlosrhetorik Beachtung zu finden. Inhaltlich wird von seinen Tiraden gegen alles, was sozial klingt, natürlich nichts Realität in der Regierungspraxis. Befund: Politisches Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom.
Für ein Wörterbuch der politischen Psychologie wäre damit ein schöner Anfang gemacht, als letzten Eintrag könnte Stegner die (politische) Einäugigkeit, das Polit-Zyklopen-Syndrom vorsehen.
Wenn die moderne Diät möglichst viel Gemüse enthalten soll, und wenig Fleisch, aber auch schon gar nicht kohlenhydratlastik sein soll, wird Gemüse-Schnippeln zur Pflicht. Dazu ein halbes Hühnerbein pro Nase.
Innerhalb der „Armutsdebatte“ ist auch auf eine Parallele Spahn-Westerwelle hingewiesen worden;
„… Westerwelle hatte Anfang 2010 bemerkt „Wer dem Volk anstrengungslosen Wohlstand verspricht, lädt zu spätrömischer Dekadenz ein. An einem solchen Denken kann Deutschland scheitern“ – und schleppte sich danach wochenlang durch eine Debatte, die ihm und der FDP lange nachhing.“
Dass markige Worte in der Politik einfach dazugehören, ist eine Meinung, deshalb keine Wahrheit. Dass Bohnen, die Biss haben, eine Option sind, und dass es überhaupt auf Rezepte ankommt, die zu praktisch Genießbarem führen, ist Konsens. Was in der Politik vorherrscht, ist allerdings Nonsense.
Related posts:
- Das Groko-Kroko, solidarische Ernährungsberatung und die Eierschalen im Salat
- Schulmensa und -Bauernhof und die Debatte zum solidarischen Arbeitsmarkt
- Umworbene Kinder – Kein Stopp bei der Werbung
- Hat Jens Spahn schon genug vom „Hartz vier ist genug!“?
- Das falsche Umfeld verkürzt das Leben – wie gut geht es „UNS“ eigentlich?
Abgelegt unter: Politik | Keine Kommentare »
Frische Kommentare