Leitkultur 2.0, #Kultblick: Heiße Butter im Auge?

Verloren und wiedergefunden? Mein Kulturblick!“ | #KultBlick

„Ehm – ja. Doch. Ja, das hat was. Kultur erblicken als aktive Rezeption… Eine Blog-Parade, ausgerichtet in Hamburg – das doch während der G-20-Krawalle in Flammen gestanden hat? Also doch nicht komplett abgebrannt, und ein Museum hat überlebt?“

Ich kann nichts dafür, denn es ist der innere Schweinehund, der mich zur satirischen Teilnahme an der Blog-Parade zwingen will:

„Los, mach da mit, nimm die Sache auf die Schippe! Du wirst doch noch etwas beitragen können zu „verschütteter Kultur“, „ausgraben“, „Leitkultur und Leibkultur!“

Ehe ich mich versehe, habe ich auch schon ein Video zu „Archäologie 2.0“, also „digitale Archäologie“ gesehen.

Toll: Man kann ein Schiffswrack, ohne es an die Luft zu holen, unter Wasser photographieren, scannen, und mit den Daten im Computer reanimieren. Genauer gesagt: Rekonstruieren.

Das ist doch faszinierend – und wirft die Frage auf, welche Rolle der Fernhandel im 13. Jahrhundert hatte, und ob wir aus den damaligen Techniken noch etwas fürs Heute lernen können, hinsichtlich Warentransport ohne Umweltbelastung. Wenn es um fairen Handel und Nachhaltigkeit geht, wird das Thema gleichfalls relevant.

Ausgrabungen brachten „Kinderspielzeug“, etwa einen fein ausgearbeiteten Hahn aus Eisen zu Tage – könnte das nicht auch ein Glücksbringer, ein Amulett gewesen sein? Vielleicht bringt der Eisen-Hahn ja auch heute wieder Glück, ich würde es dem Finder wünschen 😉

 

Meine Ausgrabungen

Es braucht für Ausgrabungen keine große Ausrüstung. Alles, was ich als Werkzeug 😉 benutze, ist hier abgebildet:

 

Leitkultur, Fermentation und Integration

Wenn Frau Özoguz, die regierungsamtliche Integrationsbeauftragte, keine wirkliche Deutsche Leitkultur, sondern – neben der Sprache – nur viel regional Spezifisches wahrnimmt, („Eine spezifisch deutsche Kultur ist, jenseits der Sprache, schlicht nicht identifizierbar“) sind wir mitten im Thema „Kulturblick“, aber völlig neben der Spur. Natürlich gibt es regional unterschiedliche „kulturelle Sequenzen“: Deshalb auch unterschiedlichen Käse, Hintertaler, Mitteltaler, Vordertaler, diverse Seitentaler zum Beispiel – in jedem Tal reift ein spezifischer Käse: Das Prinzip der wilden Fermentation gilt auch beim Emmentaler, der unter strenger Kontrolle reift.

Ein Sauerteig aus der Oberlausitz wird sich im Vordertaunus dem hiesigen Sauerteig angleichen, ein „eigentlich“ kaukasischer Kefir, der in Hessen Milch fermentiert, produziert eher hessischen Kefir, der kaukasische Nussbaum jedoch wächst nur in seiner Heimat, die deutsche Eiche ist im Vergleich zur „weichen“ französischen hart und knorrig.

„Alles ist im Fluss“, vielleicht ist der Wandel ja sogar vorhersehbar, gesetzmäßig, planbar?

 

Da, da, da, la, la la, blablabla

Das ist der Text aus einem irischen Folk-Song – wozu eingangs auch erklärt wird: „The words don’t mean very much“, weil das Lied seinen Schwung von Melodie und Rythmus bezieht. Man kann auch wortlos Memory spielen oder Puzzeln, muss nicht immer alles benennen.

Ansonsten ist aber die Sprache nötig, um Gedanken zu fassen, Pläne zu schmieden, Strategien zu entwickeln (wenn das auch im Sandkasten funktionieren mag).

„Deutschland“ klopft sich gerne auf die Schultern, weil wir ja das Volk der Dichter und Denker sind, von Leuten also, die feine Gedanken zu Büchern, Schauspielen, Filmen spinnen. Wir haben also genügend Vordenker, die uns mehr zum Nachdenken gelassen haben, als wir verdauen können.

 

Alte Texte ausgraben

Ich kann nicht beurteilen, welchen Wert es hat, wenn man heute die Inhalte bisher unübersetzbarer, unlesbarer Schrifttafeln verfügbar macht. Der Text steht in einem Kontext, ist davon losgelöst unverständlich.

 

Is Your Mother Narcissistic or Controlling?

Das fragt eine amerikanische „Psychologin“, ohne auf die Beziehung der Eltern einzugehen, macht, unbemerkt, den (Denk-) fehler, nicht an den Mann zu denken, (re-) produziert die Misere, von der sie einen Ausschnitt betrachtet. Wenn es beim kulturellen Verständnis eine Hierarchie gibt, geht nichts ohne Basis-Wissen. Die „moderne“ Theorie zum Narzissmus basiert eigentlich auf dem Mythos des Narziß in dessen Kontext – hat aber freischwebend(?) abgehoben, und jeder darf sich mal im Drachen-Steigen-Lassen versuchen.

Was, wenn der Mutter-Tochter-Konflikt unter der Oberfläche noch eine oder viele weitere Dimension(en) hat? Oder auch: Wie tief muss man da graben?

Schließlich machen uns schon unsere „eigenen“ Texte, die wir uns doch nur selten aneignen, Probleme.
So kommt es, dass wir eher den hessischen „Äppelwoi“, weniger den „hessischen Landboten“ feiern. Die „Kritik der reinen Vernunft“ ist in der schönsten Sprache der Welt verfasst, was ihren Sinn doch nicht leicht verständlich macht – insofern hatten wir auch eine Phase, in der Deutschtum und Bücherverbrennung, das Verscherbeln „entarteter Kunst“ und das Konstrukt einer „arischen Lebensweise“ zusammengefallen sind.
Die deutsche Sprache allein kann – ohne den einen oder anderen Sinn, den sie in den verbrannten und unverbrannten Schriften vermitteln könnte, überhaupt nicht integrativ wirken.
Das häufig zu hörende Deutsch, das Dauerwerbesendungen, Wetterbericht und Verkehrsnachrichten, politische Verlautbarungen und allgemeine Geschäftsbedingungen, Klischees von Cowboys und Präsidenten transportiert, wäre gesondert zu bewerten.

Die Sprache (das deutsche Lautbild) der Dichtung, der Manipulation und der Analyse allein ist es nicht, was ihre Wirkung ausmacht:

„Eine Hand wäscht die andere.“

oder auch „Manus manum lavat.“ stammt noch aus dem alten Rom – Seneca d.J. apocolocyntosis 9, 6; Petron, satyricon liber 45, 13 – wir haben in dieser Hinsicht überalll „geräubert“, und auch die humanistische Leitkultur ist so alt, dass ihr gegenüber „des Deutschen Leitkultur“ noch in den Babyschuhen steckt.

Wo im alten Testament noch der Kult ums goldene Kalb, um den Fetisch Mammon, verdammt und bestraft wurde, wird heute das Elektroauto auf dem Sockel der Wahlversprechungen heilig gesprochen und soll uns in eine klimaneutrale Zukunft fahren. Wir sind, noch im fortschreitenden Klimawandel, zu denkfaul und feige, einzusehen, dass es so nicht weitergeht, auf dem alten Weg in neuen Stiefeln.

„Gottes Wille ist unerforschlich“: Damit ist der Monotheismus schon mal ein Fortschritt, denn, würden wir noch an einen Poseidon glauben, müssten wir den jetzt gerade in der Karibik, mit welchen Opfern auch immer, besänftigen. Eigentlich braucht so ein Allmächtiger auch keine Menschen, die einen Kult um ihn veranstalten, und der Schrift nach gilt ja die Aufforderung seines Sohnes, Nächstenliebe zu praktizieren.

Butter und religiöses Ritual

Insgeheim tobt hierzulande ja ein unterirdischer Glaubenskrieg, der sich als Kampf um die Deutungshoheit bei Diäten ausdrückt: Low oder High fat, helle oder dunkle Kohlenhydrate, Fleischwurst oder Putenpüree, vegan oder verschimmelt?
Die „Gute Butter“ ist uns heilig, nicht, weil das in der Bibel steht, sondern weil zig-tausend Agrarminister, -Lobbyisten, Zeitungs- und Fernsehköche nebst kompetenzstrotzenden ErnährungsberaterInnen das unseren Müttern (Eltern) und uns eingebleut haben.
Butter, oder wenn nicht Butter, nimm Rama-dann“.

„Vermeintlich“ hält sich jeweils die andere Religions-„Gemeinschaft“ für etwas Besseres und beharrt auf der Lehre, auserwählt zu sein. Je nachdem, wie der religiöse Mythos gestrickt ist, braucht man dieses Element für die „Logik“ des Mythos.

Die Furcht, dafür von „den Anderen“ gehasst zu werden, verwandelt sich in den Glauben, gehasst zu werden, der wiederum den Neid auf die anderen Gruppen übertüncht: Die werden insgeheim als besser funktionierend (Familie, Nationalstolz, Wohlstand, Spiritualität) erlebt.
Es ist ja keineswegs der Fall, dass „Die Deutschen“ kulturelle Leithammel sein wollen – ein paar Karrieristen tun so, als ob.
Weil, (für die Abgehängten und Abhängigen) gefühlt, die Gesellschaft nur noch am Wanken ist, in Hinblich auf persönliche Werte kein Stein auf dem anderen bleibt, stellt sich hierzulande häufig die Frage nach der Identiät.

Alfred Grosser sagt in einem Interwiew, anlässlich des Erscheinens seines Buchs „Le Mensch“:

In der Einleitung zähle ich eine ganze Reihe meiner Identitäten auf. Als Mann, als alter Mensch, als seit 57 Jahren glücklicher Gatte, als Vater und Großvater, als Wähler, als kulturell überprivilegierter Pariser, als Professor, also Beamter, der nicht arbeitslos werden konnte. Augenzwinkernd könnte ich auch von einer gespaltenen Identität sprechen: Als Autofahrer habe ich Angst vor den Radfahrern, als Radfahrer habe ich Angst vor den Autofahreren. Ich versuche ständig, zu meinen verschiedenen Identitäten auf Distanz zu gehen.

Von Privilegien ist hier eher zufällig die Rede. In Richtung aufs Beamtentum hatte Tucholky angemerkt:

Deutschlands Schicksal: Vor dem Schalter zu stehen. Deutschlands Ideal: Hinter dem Schalter zu sitzen.

Wir sehen, bei Ausgrabungen geht es schon mal kunterbunt zu. Wieder Tucholsky, wieder unbedingt zu zitieren: „Dick sein ist keine physiologische Eigenschaft – das ist eine Weltanschauung.“

Obwohl – vom Butter-Preis hatten wie es hier auch schon einmal. Die kann sich längst nicht mehr jeder auf dem Brötchen leisten; Butter bei die Fisch sollte aber auf jeden Fall sein. Wenn die beim Braten nicht ins Auge spritzt, ist das immerhin ein bewährter #Kultblick.

http://www.faz.net/aktuell/politik/bundestagswahl/deutsche-kultur-was-aydan-oezoguz-mit-ihrer-aussage-meinte-15175917.html

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7 Kommentare zu “Leitkultur 2.0, #Kultblick: Heiße Butter im Auge?”

  1. Hi Klaus aka @fressnet,

    ein fettes Danke für deine satirische Teilnahme an #KultBlick! Kein Artikel, den ich eben mal so herunterlesen konnte. Gerade die Diskussion um die Leitkultur hat es in sich. Treffend fand ich es, dass ich am selben Tag den Artikel auf dem @PortalLISA fand, der ebenso das Thema behandelte:

    https://lisa.gerda-henkel-stiftung.de/peter_trawny_zur_debatte_um_deutsche_kultur?nav_id=7270

    Der interviewte Peter Trawny weicht in der Einschätzung der Sinnhaftigkeit der Äußerungen von Frau Özoguz von dir ab und trotzdem berührt ihr euch in einigen Punkten, vor allem hinsichtlich der Sprache und ihrer Selbstüberschätzung – spannender Aspekt.

    Ich persönlich tue mich immer schwer mit Begriffen die Leitbild, Leitkultur etc. sein wollen. Habe mal nach Visionen bei deutschen Museen geschaut, während in Amerika Vision und Mission im Doppelpack auftreten, fand ich stattdessen den Begriff Leitbild dafür. Die Art der deutschen Erklärung war eher abschreckend statt einnehmend, da verschwurbelt, elaboriert ausgedrückt.

    Also, merci für deinen Denkstoff und damit Butter bei die Fisch!!!

    Sonnige Grüße
    Tanja Praske

  2. Hi, Tanja,

    was demnächst drei oder vier „Wertegemeinschaften“ in Leitpolitik umsetzen, werden wir ja bald sehen.
    Wo unsere kulturellen Wurzeln liegen – nicht notwendigerweise bei Hölderlin 😉 liegt jedenfalls in Zeiten, die auch als „graue Vorzeit“ benannt werden.
    Unter dem Stichwort „Wandel“ ist dann noch ein Link zu einem Zitat von Pythagoras…
    Mit den sprachlichen Wurzel haben die Gebrüder Grimm sich ja intensiv beschäftigt, Wörterbuch und Märchensammlung; möglicherweise wollten sie dem vorbeugen, dass uns dieser Schatz zwischen den Fingern zerrinnt, sich damit zu beschäftigen, wird die Integratuionsbeauftragte demnächst jedenfalls die Zeit haben.

  3. […] Klaus-Peter Baumgardt: „Leitkultur 2.0, #Kultblick: Heiße Butter im Auge?“ // 23.09.2017 2. Anke von Heyl: „Kultur ist mein Geschäft.“ // 27.09.2017 3. Michael […]

  4. Lieber Klaus-Peter Baumgardt, vielen Dank für diesen wunderbaren Blogbeitrag mit Leitbild, Sprache und Butter – Augenzwinkern inklusive!
    Wir sind begeistert! Herzlichen Dank für das Mitmachen an unserer Blogparade!
    Herzliche Grüße aus Hamburg
    Katrin Schröder,
    Archäologischen Museum Hamburg

  5. Hallo, Katrin,

    Vielen Dank für diesen netten Kommentar – und auch gleich Danke, dass Du/Ihr diese Blogparade veranstaltet habt!

    In der Summe der Beiträge relativiert sich das „politische Leitbild“ oder dessen Spektrum doch sehr; ich habe, ehrlich gesagt, die anderen Beiträge mehr überflogen als gelesen, will mich doch noch mal damit beschäftigen. Die Idee mit dem #Kultblick nach außen zu bringen, war jedenfalls mutig, und ich fände eine Weiterführung als positiv.

    Liebe Grüße aus der Provinz, dem Taunus,

    Klaus-Peter

  6. […] Klaus-Peter Baumgardt: Leitkultur 2.0, #Kultblick: Heiße Butter im Auge? // 23.09.2017 2. Anke von Heyl: Kultur ist mein Geschäft. // 27.09.2017 3. Michael Bauer: […]

  7. […] Zahl von 82 Beiträgen! Da kann gar keine Langeweile aufkommen:1. Klaus-Peter Baumgardt: „Leitkultur 2.0, #Kultblick: Heiße Butter im Auge?“ (23.09.2017)2. Anke von Heyl: „Kultur ist mein Geschäft.“ (27.09.2017)3. Michael Bauer: […]

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