Hat Jens Spahn schon genug vom „Hartz vier ist genug!“?

„Wo gehobelt wird, fallen Spähne, Späne mit H“ – das hatte ich mir als Eselsbrücke gebastelt, um nicht von „diesem neuen, jugendlichen angehenden Gesundheitsminister/Haudegen“ anfangen zu müssen; also merken wir uns „Jens Spahn, Freund der Bescheidenheit“, denn 

„Auch ohne Tafeln müsste hierzulande niemand hungern – Hartz IV reiche, sagte der künftige Gesundheitsminister Jens Spahn.“
Abbildung: Pizzabelag. In der Mitte geriebener/gehobelter Käse.
 
 
So jedenfalls stand es in der ZEIT, und jeder, der je behauptet hat, nur die Tafel bewahre die Armen vor Hungersnöten, weiß nicht, was eine Hungersnot ist, soll sich also vom künft’gen G’sundheitsminister korrigiert fühlen – aber eigentlich hat das auch keiner gesagt, und für alle Fälle ist es jetzt aus gesundheitspolitischer Perspektive mal klargestellt. Um es noch mal deutlich zu sagen:
Mit Hartz IV hat jeder das, was er zum Leben braucht.

Es wäre zynisch, hier zu behaupten, diese Äußerung sei nicht zynisch.

 

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Nur  hausgemachter Kefir – hier aus Ziegenmilch – bietet die Möglichkeit, seine leicht säuerliche Molke mit frischem Orangensaft zu diesem belebenden Getränk zu mixen…

Man braucht zu Zynismus und Ironie auch Distanz, deshalb die Prognose:

 

Aus ernährungsmedizinischer Sicht wird dieser problematische Ansatz – der Grundsatz „Jedem das Seine“ mit der verbundenen Frage nach Wertigkeit ist doch recht komplex –  noch mit reformierten Armutsleitlinien unterfüttert werden, wenn die Deutsche Gesellschaft für Ernährung das Motto „5 Portionen Obst und Gemüse am Tag“ auf vielleicht „zwei + etwas Eiweiß + Fette und Kohlenhydrate nach Belieben, Salz sparsam verwenden + 1,5 Ltr. Wasser oder Tee“ herunterfährt und auch Dosengemüse empfiehlt – Kohlenhydrate sind immer eine gute Wahl; verhungern muss, wie gesagt, niemand, für Toastbrot und Kartoffeln reicht auch mal das Pfand für gefundene Dosen –   und wie wenig er höchstselbst zum Leben braucht, wird Jens Spahn uns nicht auf die Nase binden – dazu ist er sicher viel zu bescheiden.

 

Eine gewisse Bescheidenheit repräsentiert auch diese Mahlzeit: Sojagulasch mit Topinambur…

Nun war die Spahnsche Pressemitteilung ein Schlag ins Gesicht aller, die unter materiellem Mangel leiden, denen die Zementierung der prekären Lage  verdeutlicht wurde, und schließlich steht nirgends geschrieben, dass mit dem Ministeramt eine gesamtgesellschaftliche Solidarität zu verbinden ist. Ansonsten heißt es ja nicht umsonst: „Jeder ist seines Glückes eigener Schmied“.

Wie wir vom Zynismus zu einem angenehmeren, allerdings immer noch schwarzen Humor kommen, erklärt Janosch in der Zeit:

Um Altersarmut zu vermeiden, ist es am besten, das Altwerden aufzugeben – »… Armut in der Jugend ist wesentlich angenehmer. Dazu … Gymnastik.«

Es gibt Prognosen, dass mit geeigneten Massnahmen Armut in Deutschland weitgehend  unsichtbar gemacht werden könnte. Erst diese Regelungen, die als „Spahn  IV“ kommuniziert werden sollen, dürften den Namensspender unvergesslich machen. Das vorzeitig bekannt gewordene Erkennungszeichen ist die Hand mit ausgestreckten Fingern, wobei der kleine nicht gezeigt und nicht gereicht wird.

 

Ein ganz anderer Ansatz wäre, ungenutzte Ressourcen zu erkennen und zu fördern,

Gib einem Mann einen Fisch und du ernährst ihn für einen Tag. Lehre einen Mann zu fischen und du ernährst ihn für sein Leben.

Das bekannte Konfuzius-Zitat  erfordert in der Folge, dass ein gewisser Wissens-Fundus (es wird nicht zur Schenkung einer Angel oder von Boot und Netz aufgefordert, sondern zu lehren)  vorhanden ist und die Zeichen der Zeit zu erkennen:

„Wenn im Staate Ordnung herrscht, ist es eine Schande, ein armer und gewöhnlicher Mensch zu sein. Wenn im Staate Verwirrung herrscht, so ist es eine Schande, reich und Beamter zu sein.“

Was Konfuzius von Staatsdienern, die Verwirrung stiften, gehalten hat, kann man sich denken. Gelegentlich wird Spahn jedoch weniger als Staatsdiener, sondern eher-auch als Dienstleister der Pharma-Industrie verstanden. Oder als beherrschbare Schachfigur.  Als blind und taub, wenn es an die Sozialforschung geht.

Leider wird  Jens Spahn sich für „son ollen China-Kram“ so gar nicht interessieren – und wenn er solche globalen, überzeitlichen Weisheiten umsetzen soll, alles weghobeln, was ihm nicht ins Weltbild passt.

Dabei gibt es so schöne Möglichkeiten, „chinesisch“ zu kochen, gar  „China“ und „Kohl“ zu fusionieren:

Gedünsteter Chinakohl mit fruchtiger Chili-Paste, Spinat-Semmelknödel mit Walnüssen und Rindsgulasch mit Champignons
 

Per Twitter ist Spahn nun gemahnt worden, sich um das Problem „Mangelernährung in Krankenhäusern“ zu kümmern, bisher hat das Gesundheitsministerium hier immer Andere in der Verantwortung „verortet“.

Tatsächlich sterben schwerkranke Patienten häufig nicht an ihrer „eigentlichen“ Krankheit, sondern weil sie nicht angemessen versorgt werden. Wir werden sehen, ob Spahn sich um das fachliche feedback kümmern wird.

 

Gesundheit in Europa

Im Zeichen der europäischen Gesundheit wird auf gesunde Ernährung wie folgt hingewiesen:

Der Patriot isst Roggenbrot

Wie sich der Gesundheitsminister in der Ernährungsfrage positionieren will, kann keine Koalitionsvereinbarung festlegen. Er kann als „Gesundheitsapostel“ agieren oder die Angelegenheit „liberal“ dem freien Spiel des Marktes überlassen. Oder sich sachkundig machen – die Lobbyisten stehen bereit, haben längst ihre Netze ausgeworfen, ihre Köder ausgelegt. Hier ist also Vorsicht geboten…

Einfach Vollkorn, hier Dinkel, als Pizza: Gesund oder ungesund? Jedenfalls nicht „wie gemalt“, nicht die Abbildungsqualität wie auf den Pappschachteln mit Käsefädenziehender Tiefkühlpizza, die fast 50 Prozent der nationalen Ernährung bestreiten muss.

 

Spahn, der bei Phönix am Gespräch „Über Rheinischen Kapitalismus und digitale Marktwirtschaft“ teilnahm, wo er sich als schlechter Zuhörer präsentierte und zum „disruptiven Wandel der Gesellschaft“ durch die Digitalisierung als Anwendungsbeispiel den simulierten Fernurlaub im Wohnzimmer per „virtueller Realität“ zu nennen wusste, imponiert bisher nicht durch überdurchschnittliches gesundheitspolitisches Problembewusstsein. Hatte er, was „elektronische Krankenakte, gekoppelt mit dem Krankenkassenkärtchen“ betrifft, ein Sprechverbot?

Sich mit den Ansichten von Götz W. Werner zu Grundeinkommen etc. gesprächsvorbereitend bekannt zu machen, wäre ein Gebot der Höflichkeit gewesen. Der hatte in einem Interview zur Frage, was jemand tun soll, der sich mit seiner Arbeit nicht identifizieren kann, gemeint:

Dann müssen Sie sich eine andere Arbeit suchen.

Leider hat Werner nicht gesagt, was Politiker, die vor lauter  Über-Identifikation mit ihrem Amt zu  einer alternativen Arbeit unfähig sind, dagegen tun können.

Pak-Choi-Teller mit Nussreis – eine echte Investition in Gesundheit, bei der das Gemüse schon mal einen „Tagessatz“ kosten darf: Jeder hat alles, was er zum Leben braucht, und die paar Bedürftigen verpesten wenigstens nicht mit ihren Verbrennungsmotoren die Luft!

 

Bei der Saarbrücker Zeitung hat der Bundespräsident seine Meinung zur Tafel-Angelegenheit geäußert:

„Es ist nicht alles auf die Höhe von staatlichen Transferzahlungen zurückzuführen. Klar ist aber auch: Die Politik muss Sorge dafür tragen, dass es nicht zu einer Konkurrenz der Bedürftigen kommt, die sich dann auch noch aggressiv äußert.“

Steinmeier blendet aus, dass jeder in irgendeiner Form bedürftig ist. Nur werden manche Bedürfnisse besser befriedigt als andere, und sicherlich hat auch er ein Konto, auf das letztlich Steuergelder transferiert werden.
Es scheint ihm nicht einmal peinlich, dass der Staat zwar einen gigantischen „öffentlichen Dienst“ unterhält, aber auch „Bedürftigkeit“ durch Zeitverträge und Entlassungen aktiv produziert.

Weil die „Heute-Show“ ja meint, den „Vater der Tafeln“ identifiziert zu haben, dürfen wir auch fragen, wer denn die mythischen Mütter waren, bei über 900 „Ausgabestellen“.

 

Aber auch staatliche Passivität schafft Elend und kostet Zukunftschancen: Seit Jahrzenhnten raunt man immer mal wieder, es „bedürfe der Schaffung eines dritten Arbeitsmarktes“ – natürlich ohne die Absicht, ihn zu schaffen.

Der Bedarf an sozialen Dienstleistungen ist nicht zu unterschätzen; es gibt zwar „Essen auf Rädern“, aber keine „Rentnerkantine„, weil niemand auf die Idee kommt, und niemand kommt auf die Idee, weil es das nicht gibt.

Die Erfahrung lehrt: Es gibt Dinge, die kompliziert erscheinen, aber einfach zu machen sind, wenn man sie einfach macht. Hierbei bitte das  „immer weiter wie gehabt“ mit dem Sondermüll entsorgen.

 

Den materiell alsbald abgesicherten Politikern bleibt jedenfalls die narzisstische Bedürftigkeit, die dafür Begabtesten inszenieren sich frühzeitig so, dass es für ein Direktmandat reicht.

Mit ihrer permanenten gegenseitigen Konkurrenz, den  vorgefassten, angewiderten  „Meinungen“ zu den „materiell bedürftigen Mitbürgern auf den untersten Stufen der Gesellschaft, die sich noch um die Krümel, die der Überlussgesellschaft vom Tisch fallen, prügeln“ müssten solche Politiker zurückgepfiffen werden. Gerüchteweise bedauert Spahn bereits seine Äußerungen, wie ein Fußballer ein Eigentor.

Er hat zwar nicht gesagt: „Hartz vier ist mehr als genug“, aber das denken vielleicht andere, hat diese alte „Verteilungsgerechtigkeitswunde“ wieder aufgerissen, und vielleicht mehr provoziert, als wir ahnen. Wie schön, dass die Würde des Menschen zu garantieren ist…

 

 

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