Nachhaltigkeit und Heuchelei in der modernen Ernährung
Geschrieben am 20. März 2018 von KPBaumgardt
Finde den Fehler!
„81 Prozent der Deutschen wollen Lebensmittelabfälle vermeiden. Drei von vier meinen, jeder sollte etwas gegen die Verschwendung tun. Dennoch werden in Deutschland jedes Jahr 82 Kilogramm pro Kopf weggeworfen. Das macht in Summe 6,7 Millionen Tonnen.“
Nun hat diese Millionen-Rechnung sicherlich irgend etwas mit „Nachhaltigkeit“ zu tun – mit Ressourcenverbrauch, Wertschöpfung, -Vernichtung und vielem mehr…
Dass andere Quellen schon mal „mehr als 18 Mio. Tonnen“ genannt haben, beweist nur, dass das Hantieren mit großen Zahlen nicht jedermanns Sache ist.
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Hausgemachter Kefir kann derart dickflüssig sein, dass er auch mit Obstsaft „verdünnt“ – hier mit frischem Blutorangensaft – ein leckeres, cremiges Getränk ergibt…
Als jemand, der Statistiken interpretieren kann, würde ich meinen: „Je mehr die Leute Abfall vermeiden (wollen), desto mehr Müll produzieren sie“. Oder ich finde die Verhältnisse einfach nur verrückt – fertig ist die Diagnose. Verrückt ist es auch, verpackte, „abgelaufene“ Lebensmittel samt zerkleinertem Plastik in einen Faulturm zu baggern und die Plastikpartikel in die Schlei zu pumpen…
„Fertig“ ist ja auch so beliebt, dass
„… der Umsatz von Fertiggerichten … in den letzten Jahren stetig gestiegen [ist]. Der Pro-Kopf-Verbrauch von Tiefkühlkost lag 2016 bei mehr als 45 Kilogramm. Aber statistisch greift nur jeder siebte zu Fertignahrungsmitteln – wenn man den Werten glaubt, die durchschnittliche Befragte selbst angeben.“
Die Verbraucher wollen mehrheitlich für Fleisch aus artgerechter Haltung mehr zahlen, dabei
„… liegt der Bioanteil bei Geflügel-, Rind- und Schweinefleisch in Deutschland deutlich unter fünf Prozent des Gesamtmarktes … .“
Besonders bedeutsam finde ich die folgenden Zahlen, wenn es sich auch nur um Orientierungswerte handeln wird:
„34 Prozent der Verbraucher [kochen] regelmäßig – 42 Prozent dagegen so gut wie nie. Und: Beim Ernährungsreport wurde unter „kochen“ schon verstanden, heißes Wasser aufzusetzen – und sei es bloß für Fertignudeln.“
Der Trend, zur Fertigmahlzeit zu greifen, muss wohl mit der K0nserven-Nutzung begonnen haben. Er gehört zu einem weit gefächerten gesellschaftlichen Wandel, der uns zwingt, Farbe zu bekennen.
Dazu gehört nicht nur, was wir essen, sondern auch das „Warum“: Das Bekenntnis, Tim Mälzer beim Kochen zuzuschauen kann dabei gleichzeitig die eigene Manipulierbarkeit offenlegen:
Klasse, jetzt hau ich mir nachts um 23uhr wieder irgendwas unnötiges rein, weil mir kitchen impossible so Hunger macht.
#kitchenimpossible
Wenden wir uns also einem anderen Thema zu:
Nachhaltig abnehmen – ganz ohne Diät
Aus einer Liste von Anregungen habe ich mal zwei ausgewählt:
- „Essen aus Frust und Langeweile durch sinnvolle Betätigung oder gesunde Snacks (z. B. Obst und Gemüse) ersetzen.“
°
Also klare Regeln aufstellen und sich daran halten – „das Naschen“ ist ja vielleicht der größte Feind des Abnehmerfolgs, und sich gleich zu entschließen, es ganz sein zu lassen, wäre nur konsequent…
Statt „Ersatzverzehr“ direkt zu „Echter Genuss, echte Befriedigung der eigentlichen Bedürfnisse samt Selbstwirksamkeitsbewusstsein“ überzugehen – das wäre doch nicht allzu radikal?
Oder wo bleibt die Maxime? Was ist mit „notwendigem, strategischem Verzicht“, haben die Diät-splainers die Hosen voll?
° - „Gruppendynamische Programme haben meist sehr gute Erfolge, da das gegenseitige Motivieren ansteckt.“
°
„Grau ist alle Theorie – und gruppendynamische Programme sind selten. Aber gut, sie mal erwähnt zu haben. Im kommerziellen Bereich werden Millionenbeträge aufgewendet, um sie zu bewerben – selbst wenn vorübergehende Erfolge sich hier auch nur innerhalb der mathematischen Durchschnittsverteilung einstellen. Den verlässlichen Austausch in der Gruppe muss man erst noch arrangieren, der fällt nicht vom Himmel! - …
Sicher könnte man auch die Verwandlung des Lustprinzips ins Realitätsprinzip einfordern, oder die Verwendung ballaststoffreicher Nahrung nebst fermentiertem Gemüse vorschreiben – fragt sich nur, wer sich an derlei Tipps und Vorschriften hält.
„Nachhaltige Forstwirtschaft“ ist wahrscheinlich leichter erklärt als „Nachhaltige Diät„ – hier geht es zu wie beim Begriff „nachhaltiges Bauen“, wenn die aufwendig gestalteten Kartenhäuser immer wieder zusammenfallen.
Insofern navigieren wir durch die Ernährung, als würde uns ein „Navi“ mit korruptem Kartenmaterial lotsen. Weil die Diäten von a bis z nicht funktionieren, muss es eben „Abnehmen ohne Diät“ sein, statt einer der Diäten, die von Alpha bis Omega buchstabiert werden.
Auf dieser Linie finden wir auch die Autonomie, Selbstbestimmung, Souveränität…
Fertiggerichte, die man nur noch aufwärmen muss, lassen sich gut mit Frischem ergänzen…Die einfache Hausmannskost scheint an Wertschätzung verloren zu haben – in Kochbüchern, Koch-TV-Shows und auch Foodblogs geht es um die feinen, abgedrehten Dinge, die man in Hochglanz oder HD professionell präsentieren kann.
Wenn es „einfach“ hergeht, muss bei den veröffentlichten Rezepten inzwischen das Prädikat „vegan“ oder zumindest „vegetarisch“ herbei, gerne auch „Bio“ oder „Naturland“, „Bioland“ oder „Demeter“, da reicht das „einfache Discounter-Bio“ nicht, denn auch da werden Tiere gequält und Pflanzen artfremd gehalten und unnötig verpackt.
Wir wissen auch nicht, was die Ernährungs-Dozentinnen und Diättrainer mit dem Anspruch, unsereins zu belehren, selbst so zu sich nehmen.
„Kochen Sie auf jeden Fall selbst, meiden Sie Zucker, industriell hoch prozessiertes und schlechte Fette, Gluten, Glutamat und Dioxin“ hört man – bei der Beraterin selbst gibt es vielleicht eine Kaltspeise, einen Becher Yoghurt natur…
Auf jeden Fall gibt es Rat ohne Tat, manchmal mit Unrat. Oder die Kopie von Ratschlägen, die Andere erteilt haben, so wie hier:
Für den “Hausgebrauch” sollte sich die ernährungsberatende Zunft auf etwas Leichtes, Einfaches einigen; mein Vorschlag:
Als „fermentiert“ gilt der oben gezeigte Kefir, fermentiert ist auch der Kefir-Frischkäse, ein leicht selbst zu machender Brotaufstrich:
Es heißt, diesen Brotaufstrich könne man auch aus Pflanzenmilch herstellen – dann wäre er „nachhaltiger“ als mit Tiermilch gemacht. Viel vom ökologischen Fußabdruck der Ernährung wäre auch vermeidbar, könnten wir die Milch, die wir verbrauchen, wohnortnah einfach mit der Milchkanne abholen.
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