Kefir selbst gemacht: Heimvorteil!

Wenn es darum geht, Milch ohne moderne Molkereien, ohne aufwändige Pasteurisierung und Homogenisierung haltbar zu machen, ist die „kontrollierte Vergärung“ oder Fermentation wohl eine bewährte Methode: Die frische Milch wird mit bereits vergorener Milch versetzt, deren Keime die Umwandlung zum gesäuerten Produkt in Gang setzen.

Die Keime, die beim beim Kefir in Aktion treten, sind relativ vielfältig und ergänzen sich in ihrer Arbeit gegenseitig: Hefen wandeln Milchzucker in Alkohol um, wobei sie auch Kohlensäure freisetzen, die ein leichtes Perlen der Milch erzeugt, Essig-Bakterien nehmen sich wieder den Alkohol vor und verwandeln ihn zu schwachem Essig, Sauermilch- und Yoghurt-Bildner konkurrieren gleichzeitig mit den je Anderen Keimen und säuern den Kefir, wobei das Milcheiweiß gerinnt und sich von der Molke, die erkennbar von der Milchsäure gekennzeichnet ist, absetzt – wenn man nicht das Ganze wieder zu einem „homogenen Getränk“ mixt – verrührt oder schüttelt

Die Bakterien und Hefen, die zusammenarbeiten, haften auch aneinander, bilden gleichmäßige Kügelchen von drei bis vier Millimetern im Durchmesser, mit einer gallertartigen Konsistenz und einer dünnen, dabei relativ stabilen Haut. Diese Kefir-Kügelchen „organisieren“ sich wiederum und bilden lockere Formationen, die in Form und Größe an Blumenkohl-Röschen erinnern, wobei der Zusammenhalt der „Blumenkohl-Röschen“, die im Volksmund auch als „Kefir-Pilz“ bezeichnet werden, doch recht lose ist.

Die Bilddatei ist schon etwas älter, also mittlerweile gut gereift 😉
Im dazugehörigen Artikel gibt es ein Foto vom fertig gemixten Kefir-Feigengetränk.

 

Mit dieser Zusammenballung verschiedener „milchwandelnder Einzeller“, die häufig auch als „Kefir-Knolle“ bezeichnet wird, gelingt es recht zuverlässig, aus „einfacher Milch“ ein haltbareres, leicht säuerliches Getränk herzustellen, das arm an Milchzucker (der verhält sich im menschlichen Verdauungssystem manchmal problematisch), eiweißreich und gut verträglich ist.

Die Mikroorganismen, aus denen die Kefirknolle sich zusammensetzt, vermehren sich durch Zellteilung, die Kefirknolle wächst, wenn das Milieu, in dem sie lebt, stimmt.

Kefir herzustellen bedeutet somit gleichzeit: Die Kefirknolle kultivieren, pflegen, am Leben erhalten. Für die Hirtenvölker, die mit ihren Yak-Herden (oder Kühen, Schafen, Ziegen) weite, ferne Steppen bewohnen, ist diese Form der Haltbar-Machung der frischen Milch eine der ernährungstechnischen Lebensgrundlagen, eine uralte, bewährte Praxis.

Vor ungefähr hundert Jahren hat sich bei uns der Yoghurt etabliert, und erst mit moderner Verpackungstechnik und süß komponierten Geschmacksvielfalten ist der bekannte, wild beworbene Multi-Millionenmarkt entstanden.

Kefir, der auf traditionelle Weise ganz ohne Kommerz reift, ist fürs Geschäft viel zu dynamisch, veränderlich, eigenwillig. Die homogene, „glatte Brühe“, die sich unter der Bezeichnung „Kefir“ im Kühlregal findet, wird wahrscheinlich im Turbo-Reaktor mit einem standartisierten Bazillen-Mix schnell gebraut und steril abgefüllt, lässt von unterschiedlichen Entwicklungsstadien des Kefirs nichts mehr erkennen. Nur in Einzelfällen gibt es Molkereien, die echten Kefir verkaufen, bei dem der Deckel sich nach oben wölbt, weil das Getränkt Kohlensäure enthält.

Der Gehalt an Probiotika wird beim „Industriekefir“ nicht kommuniziert, beim hausgemachten nicht gezählt – wie auch?

Winzige Flaschen, deren Markenname auch das Wort „Kult“ beinhalten kann, werden wegen ihrem segensreichen Innenleben verkauft, wobei nicht klar ist, gegen welche Krankheit dieses Mittel wirken soll – sagen wir mal: So wirksam ist Kefir vielleicht auch. Das ist, gerade im Zusammenhang mit „Vielleicht“, jedenfalls gewiss 😉

 

Kefir und Käse

Vor einiger Zeit konnte mit modernen Methoden nachgewiesen werden, dass es sich bei einer 4.000 Jahre alten chinesischen Grabbeigabe um einen „Kefirkäse“ handelte – der durch den Einsatz von Bakterien und Hefe zum Ausfällen des Milcheiweißes hergestellte Käse aus dem westlichen China kam ohne Zusatz von Lab aus:

Die Käseproduktion könnte dazu beigetragen haben, dass sich Viehhaltung im größeren Maße auch in ganz Asien verbreitet hat … .

„Die Herstellung dieses Kefir-Käses ist einfach, er wird nicht schnell ranzig oder verdirbt – der Käse hat die besten Voraussetzungen dafür, in Massenproduktion hergestellt zu werden.“

Bei der Fermentation mit Kefirknollen entsteht außerdem als Vorstufe zum Käse das als Kefir bekannte probiotische Milchgetränk. Bei beiden Produkten wird die Laktose der Milch durch die Tätigkeit der Mikroorganismen in Milchsäure umgewandelt. Für die in Asien lebenden Bevölkerungsgruppen war dies wichtig, denn bei ihnen ist Laktoseintoleranz die Regel. Unfermentierte Milch bereitet diesen Menschen starke Verdauungsprobleme.

Wird Kefir auch meist so, wie er ist, oder als Mix-Getränk getrunken, oder statt Yoghurt im Müsli eingerührt, finde ich die (Frisch-) Käseherstellung mit Kefir recht interessant – aber eigentlich sind all diese „Kefirthemen“ einigermaßen spannend.

Kefir ist im Vergleich zum Yoghurt wesentlich unkomplizierter – so gibt es keinen elektischen Kefirbereiter, weil man keinen braucht; und auch die Starterkultur muss man nur einmal besorgen.

In Anbetracht der uralten Tradition ist Kefir als „sicheres Lebensmittel“ einzuordnen.

Unter Berücksichtigung der üblichen Vorbehalte können wir davon ausgehen, dass Kefir ein vorteilhaftes, wohlschmeckendes, bekömmliches und mindestens im weitesten Sinne gesundes Lebensmittel und Getränk ist.

Man kann den Rohstoff, die Milch, direkt beim Bauern beziehen, und spart jeden Umweg über Handel und Molkereien, in der Folge auch bares Geld. Das betrifft auch Milch, die, „vom Mindesthaltbarkeitsdatum bedroht“, mit Rabatt verkauft wird, aber dank „häuslicher Kefirisierung“ durchaus weiterhin wertvoll ist.

Das Problem des sündhaft energieaufwändigen, durchlässigen Verpackungsrecyclings von Yoghurt- und Quarkbechern und deren Aluminiumdeckeln löst sich dabei von selbst, wir können die Verantwortung für unseren Müll tragen, indem wir ihn vermeiden.

Selbst gemachter Frischkäse aus Kefir, in Salzwasser schwimmend.

 

Eine Frischkäsezubereitung, die keine Wünsche offen lässt, ist problemlos in Eigenregie machbar – aber dazu mehr in einem kommenden Artiekl…

 

 

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