Ernährungsumstellungen kommen durch die Veränderung der Gesellschaft, aber hat das etwas mit Diät zu tun?
Geschrieben am 10. August 2007 von KPBaumgardt
Ich bin ja kein Historiker, aber trotzdem darf ich darauf hinweisen, dass es in unserer jüngeren Geschichte Zeiten der Not und Lebensmittelkarten gegeben hat. Da ist es ums Überleben gegangen, darum, dass niemand verhungern musste, und das, was an Lebensmitteln verfügbar war, einigermaßen gerecht verteilt wurde; die Oberschicht kannte wie immer keinen Mangel.
In der Nachkriegszeit wusste man schon, was Kalorien, Vitamine, Enzyme, Kohlenhydrate, Fett und Eiweiss bewirkten, kannte die Säure-Basen-Regulation und vitaminschonende Konservierungsmethoden; Gefriergeräte allerdings noch nicht. Die Wirtschaftswunderjahre brachten ihre eigene Ernährungsumstellung mit sich.
Die Aufgabe der Hausfrau bestand darin, übers Jahr die Familie mit geeigneter und vor allem preiswerter Nahrung zu versorgen; im Falle des Landkochbuchs noch sehr auf die Selbstversorgung aus Garten und Viehhaltung bezogen.
So gab es Anleitungen zum Selbermachen von Sauerkraut bis geräuchertem Schinken, zur Hausschlachtung von Huhn, Kaninchen und Schwein.
Der Beitrag der Lebensmittelindustrie beschränkte sich auf Hilfmittel wie Backpulver, Salpetersalze, Vanillin, gegebenenfalls erschien noch die Verwendung von gekörnter Brühe und Liebig-Extrakten gerechtfertigt, andererseits wurden auch Verfahren zum Selbermachen von Vanille-Zucker oder Gemüse-Extrakten vorgestellt.
Es ging weniger um die „Raffinesse“, als um eine gesunde, alltägliche Hausmannskost, die den Gewohnheiten entsprach und vor allem bezahlbar war.
Es gab auch noch keine Pizza, keine Tiefkühpizza, keinen Lachs im Blätterteigmantel und kein Cordon Bleu aus der Tiefkühltruhe. Das Warensortiment bei Tante Emma war überschaubar, und „Frischfleisch“ und Wurst gab es nicht beim Discounter, weil es den nicht gab. Tütensuppen und andere „Fertigprodukte“ galten wirklich nur als Notlösung und waren unbeliebt. Kuchen oder Torte aus der Fabrik: Undenkbar. Für Hühnereier Geld ausgeben – warum, wenn die eigenen Hühner doch von den Resten und einem Sack Futter im Jahr satt wurden?
Aber irgendwann kam die Zäsur, Stück für Stück, und heute ist das „Landkochbuch“ pure Nostalgie.
Wir besitzen zwar vielleicht ein Fritteuse, aber keinen Fleischwolf mehr. Welches heutige Schulkind weiß, wie Erbsen geerntet werden, welche Frau kann heute noch ein Huhn schlachten, in wievielen Haushalten wird noch eine Ziege gehalten?
Kam der frühere Lebensmittelladen noch mit einer geringen Fläche aus, haben die heutigen Discounter das Lager in den Verkaufraum verlagert, werden just-in-Time beliefert und ziehen uns mit ihrem eigentlich beschränkten Angebot und immer steigenden Einheitspreisen auf riesigen Verkaufsflächen im bundeseinheitlichen Look and feel das Geld aus der Tasche – aber wir können ja auch per Karte zahlen…
Wir schieben den Einkaufwagen an -zig Regalmetern mit Süßigkeiten, Knabberkram, Chips und Kram vorbei – gezwungenermaßen, wenn es auch kompakter ginge. Wer zu Fuß einkauft, muss einen – meist überdimensionierten – Parkplatz überqueren, wer mit dem Auto kommt, hat die Chance, bis vor den Eingang zu fahren.
Sich dem, was neuerdings „Aldisierung“ genannt wird, gänzlich zu entziehen, scheint unmöglich.
Der Massengeschmack prägt das Angebot und umgekehrt. Dass Fertignahrung unbedingt dick macht, kann man auch nicht behaupten; es hat ja nur die halbe Bevölkerung Übergewicht, und die bräuchten doch bloß so zu essen, wie die vernünftigen Schlanken! Wozu denn dann noch die Mühe mit dem Selbst-Kochen, wenn die Gefriertruhe so viel hergibt und auch die Dosensuppe unter Umständen besser schmeckt als selbst gekocht, wenn man Kochen und Backen nie gelernt hat? Und außerdem gibt es doch extra überall die „Light-Produkte“!
Schließlich sind auch diese Lght-Produkte, sind auch die immer wieder durchgeführten Brigitte- und Atkins-Diäten Teil der Ernährungsumstellung, die – in Intervallen – neben der Umstellung des Warenangebots stattfindet.
Ob die Putenbrust in Aspik geschmacklich an den „Hausmacher Presskopf“ heranreicht, darf bezweifelt werden. Ansonsten gibt es hier bereits einen Artikel über gute Wurst.
Unser Wissen um Lebensmittel ist mittlerweile von völligem Unsinn verseucht: Dass jener Schokoriegel sogar in Milch schwimmt, weil er so leicht ist, muss kein Mensch wissen. Welche Sportlerin welche Nudeln mit welcher Sauce isst, interessiert auch niemanden.
Ständig wird „Essen“ mit „Spass“ assoziiert, ungeahnte Genüsse werden versprochen, oder doch wieder Gesundheit: Wenn das keine Umstellung der Ernährung ist…
Wie betroffen wir sind, sehen wir dann jeweils am BMI.
(Nachtrag: Bzw., genauer gesagt, merken wir irgendwann, dass die Unzufriedenheit mit der eigenen Erscheinung zunimmt, wenn wir dies nicht gerade überspielen).
Dass wir unter Diät mehr als die reine, isolierte Ernährungslehre verstehen sollten, wird uns nicht die eigene, selbstbestimmte Ernährungsumstellung ersparen – angefangen beim Frühstück, über den Brotaufstrich – bis hin zu einem flexilbeln, sinnvollen Diätplan.
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Zum Thema BMI gibt es noch viel wichtiges zu sagen…
Da ich nicht alles abschreiben möchte lest bitte hier unter meinem Text den Link, dass der BMI nur eine ganz geringe Aussagekraft besitzt.
Eigenerfahrung:
Als ich von etwas über 160 kg auf 77 kg abgenommen hatte bekam mein Arzt und meine Familie Angst, dass ich zu dünn würde. Alle „verordneten“ mir Muskelaufbau durch Sport und Krafttraining. Dadurch habe ich nun so um die 83 bis 86 kg schwankend bei einem Körperfettanteil von weit unter 10% was einem Topwert entspricht. Da ich mich aber noch immer im Aufbau befinde, ist die obere Grenze des „normalen“ BMI fast erreicht (Alter 42 Jahre max. BMI 26). Fazit BMI ist nur EIN weniger alleine nutzbares Hilfsmittel.
Hier nun die genaueren Erklärungen über den folgenden Link:
http://de.wikipedia.org/wiki/Body-Mass-Index
Durch gezielte Ernährungsumstellung ist es mir gelungen, mein Gewicht auf Dauer zu reduzieren und nicht zuzunehmen. Seit Januar 2008 fing ich an meine Ernährung gezielt auf Kohlenhydrate zu reduzieren. Nach drei Monaten hatte ich dadurch 20 Kilogramm Gewichtverlust verzeichnet. Zugegeben anfangs war die Ernährungsumstellung etwas gewöhnungsbedürftig aber nach einer Woche konnte ich gut damit Leben. Anfang Januar 2008 hatte ich ein Gewicht von 98 Kilogramm und nach drei Monaten wog ich nur noch 78 Kilogramm. Ich bin jetzt im sechsten Abnehmmonat und halte mein Gewicht bei 78 Kilogramm. Es ist wirklich sehr wichtig, die Ernährung umzustellen und bewusster mit unseren Lebensmitteln umzugehen und eine Ernährungsumstellung nicht als Strafe anzusehen. Ich bin sehr damit zufrieden – diesen Schritt gegangen zu sein. Schauen wir, wie lange es dauert, bis ich meine 71 Kilogramm erreicht habe.
[…] ein Blick in die üblichen Koch- und Backbücher zeigt: Die Fertig-Bratensauce wurde einmal als Arbeitserleichterung empfunden, Vanillin ist eine der häufigsten […]
[…] wäre nicht uninteressant, die gegebenen Empfehlungen mit denen aus dem Landkochbuch abzugleichen, aber wahrscheinlich auch ziemlich traurig, dass bei so viel Aufwand so wenig an neuen […]
[…] stimmen. So ähnlich ist mein Eindruck auch, deshalb habe ich das Landkochbuch auch nicht zum Altpapier gegeben. Allerdings ist auch dort schon die Rede von der Tütensuppe, die […]