AID, Ernährungspyramide, Gesunde Ernährung, und was wir darüber wissen sollen
Geschrieben am 11. Oktober 2007 von KPBaumgardt
Wer nach Gesunder Ernährung fragt, erwartet manchmal gleich, einen persönlichen Ernährungsplan in die Hand gedrückt zu bekommen. Allerdings gälte es bei einem persönlichen Plan, vorher Maß zu nehmen.
„Viel Obst und Gemüse ist gesund“, das wissen schon die Kinder, und kaufen vom Taschengeld kein Obst, sondern Chips.
Um erste Hilfe für ein Deutschland in Schutt und Asche ging es nach dem zweiten Weltkrieg, und weil die Idee von dem planreichen Amerikaner Mr. Marshall stammte, war es „First Aid“.
Bei „AID“ ist man bis heute geblieben, und wir sollten es unterlassen, zu rätseln, ob AID nun „Alle im Dienst“ oder „Arbeit in Deutschland“ bedeutet; es ist „einfach so“ übriggeblieben und bezeichnet eine Institution, die uns mit Hilfe farbiger, dreidimensionaler Ernährungspyramiden aufwändig über gesunde Ernährung aufklärt; die Mittel und das Fachpersonal sind reichlich vorhanden.
Im Zusammenhang mit der Ernährungspyramide finden wir Fragen wie
* Was esse ich?
* Wie viel esse ich?
* Wie groß ist eine Portion?
* Wann esse ich?
* Pyramide für Große und Kleine
* Wissenschaftlicher Hintergrund
Da es um gesunde Ernährung geht, besteht die Basis der Ernährung aus Getränken wie Wasser, Obst- und Gemüsesäfte, Tee und Kaffee.
Wir könnten hier zwar sofort einhaken und fragen, welchem vernünftigen Menschen denn Gemüsesäfte zumutbar sind, und ob nicht auch der Genuss von Fruchtsäften nur dazu dient, die Ballaststoffe herauszufiltern, ob Bier – in Maßen – nicht doch die geeignete Form der Flüssigernährung ist, bzw. ob man nicht für gewisse Teile der Republik eine Sonder-Ernährungspyramide drucken sollte, die den bestehenden Gewohnheiten entspricht.
Die Pyramide als geometrische Figur beherrscht bei AID und der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) jedoch schon längst das Denken, dass dort nicht mehr gefragt wird, was „Nahrung“ denn grundsätzlich bedeutet – aus diesem Wissen wäre jedoch einige Einsicht zu entwickeln:
Der Ursprung des Wortes „Nahrung“ ist, was den ersten Wortteil „nahr“ betrifft, das mittelhochdeutsche nar, und das althochdeutsche nara (f), und steht für „Errettung, Erhaltung, Unterhalt“. Nähren wiederum hat in seinen Grundformen „genesen machen, heilen, retten, am Leben erhalten“ bedeutet. (Aus: Gastartikel beim Olivenölblog)
Bei den tolerierten zwei bis drei Tassen Kaffee oder schwarzem Tee wird mancher eingefleischte Kaffeetrinker nur bedauernd die Achseln zucken und die Pyramide zu den Akten oder in die Ablage 13 verfrachten. Und den grünen Tee mit seinen segensreichen Nebenwirkungen suchen wir vergeblich.
Danach kommen Gemüse und Obst. Auf der dritten Stufe stehen Kartoffeln und Getreideprodukte.
Dass noch vor einer Weile diese beiden Stufen vertauscht waren, und warum, darüber scheint die AID sich auszuschweigen. Salate, Hülsenfrüchte, Gegartes und Rohkost also direkt nach den Getränken.
Weiter oben folgen Milch und Milchprodukte, Eier, Fleisch und Fisch.
In der fünften Stufe der Pyramide stehen „Streich- und Zubereitungsfette“, sowie Öle. Ganz oben, in der Spitze, finden sich Süßigkeiten, süßes Gebäck, fettreiches Knabberzeug und Alkohl.
Es wäre nicht uninteressant, die gegebenen Empfehlungen mit denen aus dem Landkochbuch abzugleichen, aber wahrscheinlich auch ziemlich traurig, dass bei so viel Aufwand so wenig an neuen Erkenntnissen herausgekommen ist.
„Kein Tag vergeht, ohne dass Verbraucher über Funk, Fernsehen oder Printmedien Informationen über „gesunde Ernährung“ erhalten. Auch wissenschaftliche Fachgesellschaften sind seit Jahrzehnten bemüht, uns ernährungsmäßig auf den richtigen Weg zu führen. Was angesichts des massiv verbreiteten Übergewichts – jede zweite Frau und zwei Drittel der Männer in Deutschland sind betroffen – auch zwingend erforderlich scheint.“
Aktuelles Müsli, ganz ohne Schielen nach der Ernährungspyramide kreiert. Andere Frühstücks-Müsli-Variationen.
Der rechte Weg ist steinig. „Kartoffeln machen nicht dick“ hatte sich eine Kursteilnehmerin noch vor Jahren belehren lassen, und irgendwie war es aber doch geschehen. Da liegen so einige Steine im Weg der Veränderung.
Vielleicht liegt es auch an der Art und Weise, wie die Informationen übermittelt werden – bei einem Informations-Überangebot kann sich jeder heraussuchen, was ihm passt; man fühlt sich informiert, ohne größere Tiefe der Information, weiß von Allem etwas und von Nichts etwas Genaues.
Bei den Ernährungsempfehlungen handelt es sich um Ideale, die allgemein mehr oder weniger eingehalten werden. Unsere Umfrage zum Frühstück zeigte ein uneinheitliches Bild. Ob Empfehlungen aus Bonn einem eingefleischten Raucher dabei helfen, etwas anderes als Kaffee und Zigarette zu frühstücken, wage ich zu bezweifeln.
Ob die Idee, die gesunde Ernährung mit dem abstrakten Modell einer Pyramide, eines exotischen Bestattungs- und Kultgebäudes zu versinnbildlichen, selbst optimal ist?
Unbewusst strebt man ja an, dass Denkmodelle, die man benutzt, stimmig sind.
Bei einer Ernährungspyramide, die eine wässrige, flüssige Basis hat, tauchen doch Zweifel an der Statik auf, ist das Vorstellungvermögen schlicht überfordert:
Die Süßigkeiten auf dem Gipfel – ein lohnendes Ziel. Im Supermarkt sind sie dann gleich an der Kasse: Unwiderstehlich.
Ein Modell für die Ernährung – das ist viel zu abstrakt. Frühstück, Mittag, Abendessen lässt sich schon besser visualisieren. Der Frühstückstisch, das Frühstücksbrot (mit seinen Beilagen?), Müsli 1, Müsli Variation 2 usw – das ist konkret denkbar.
Unter anderem, um Kindern auf dem Weg zur rechten Ernährung zu helfen, ist die Ernährungspyramide entwickelt worden, aber Sätze wie
Richtig ernähren – aber wie? Die Lebensmittel-Pyramide hilft dabei
sind trügerisch, die geometrische Idealform ist im täglichen Leben nicht tauglich, und die Zeiten ändern sich: Mittlerweile gibt es schon wieder eine neue Lebensmittelpyramide.
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[…] Für den daraus resultierenden Ernährungsplan ist es an drei von vier Tagen unerheblich, was darauf geschrieben steht, da so doch nur die weibliche Spontanität unzulässig unterdrückt würde. Bei der bisherigen Praxis der Frauen-Diät bleibt der Ernährungsplan daher ungeschrieben und vorbewusst. […]
[…] die Kritik an der Darstellung in der Ernährungspyramide auch schon alt ist, bleibt noch […]
[…] nach den unterschiedlichen Bedürfnissen differenzierte – Einteilung der Portionen. Siehe auch: Die Portionsgrößen, illustriert. Aus der Graphik, die die Aufteilung für ca. 1.400 Kcal […]