Julia Ross: Die Mood-Cure

Momentan wird das Buch “Die Mood-Cure” dezent, aber merklich beworben. Es soll der verbesserte Nachfolger von “The Diet Cure”, das in den englischsprachigen Länder 150.000 mal verkauft worden ist, sein.

Nun sind Auflagenzahlen kein Qualitätsbeweis, und Englisch wird von mehr Menschen gesprochen, als die Deutsche Sprache.
Julia Ross hat einen eher einseitigen Ansatz; das falsche Essen, zu viel Zucker und Junk-food überhaupt (“Junk Mood” kommt bei ihr von Junk-food) verursachen einen zu niedrigen Serotonin-Spiegel; da muss mit “Nahrungsergänzungsmittelen” nachgeholfen werden.

Tryptophan und 5-HTP werden also “beigefüttert” und Heißhungerattacken bleiben aus.

Womit allerdings übers Ziel hinaus geschossen wird: Bei einer ausgewogenen Ernährung sollte alles, was Mensch braucht, in der Nahrung enthalten sein.

Dass es dennoch “spezielle” Lebensmittel gibt, die in gewisser Weise die Stimmung fördern, ist bekannt: Empfohlen wird immer mal wieder die “Mittelmeer-Diät”, die Wirkung einer “Zwetschgen-Götterspeise mit Safransauce” ist belegt – bisher aber nur im Einzelfall.

Glück hängt biochemisch nicht nur vom Serotonin ab, sondern auch von anderen Glückshormonen.
Oxytocin entspannt, macht sensibel, fördert die zwischenmenschliche Bindung und wird auch in diesem Zusammenhang “ausgeschüttet”.

Dass der Verlag das Buch, dessen deutscher Titel “Was die Seele essen will” unter “Psychotherapie, Psychoanalyse” führt, deutet auf ein arg verwässertes Verständnis von Psychoanalyse hin.
Nicht nachvollziehbar ist auch ein angenommenes Nahrungsmittelbedürfnis der Seele. Seit wann “wohnt” die Psyche im Bauch? Seelische Bedürfnisse sind doch eher Herzensangelegenheiten…

Eine Leseprobe zielt vor allem darauf, den LeserInnen die Möglichkeit zu geben, sich mitsamt “schlechten Stimmungen”  “wiederzuerkennen”:

  • Wie und wann werden Sie depressiv?
  • Kämpfen Sie mit mangelndem Selbstwertgefühl?
  • Sind Sie zwanghaft oder kontrollierend?
  • Steht Ihnen Ihre Wut im Wege?
  • Ruiniert Angst und Sorge ihr Leben?
  • Sind Sie hyperaktiv – Leiden Sie an ADHS?

Einem Drittel oder der Hälfte der LeserInnen sollte es gelingen, sich hier an dem einen oder anderen Punkt wiederzuerkennen – und damit hat das Buch schon eine hinreichend große Zielgruppe.
Es verspricht gar, “Schluss mit der Antriebslosigkeit” zu machen.

Nun wird ein wenig Biochemie nicht schaden – die Rede ist gleich auch noch von „den drei Kats”: Katecholaminen,  von denen wir  sicher schon mal gehört haben: Dopamin, Noradrenalin und Adrenalin.

“Innerhalb von zwei Wochen nach einer kalorienarmen Diät kann die für die Versorgung mit Kats wichtige Versorgung mit Aminosäuren so absinken, dass sich ihr Kat-Spiegel halbieren kann”.

Das sind Punkte, an denen ich als Laie nicht mehr mitreden kann. Hin und wieder findet sich manches, das ich nachvollziehen kann, an anderen Stellen scheint Frau Ross zu dick aufzutragen.

Ihre “klinischen Erfahrungen” sind sicherlich auch dadurch gefiltert, dass ihr Klientel weiß, was auf es zukommt und gegenüber der  “Methode” große Hoffnungen und einen Vertrauensvorschuss entwickelt hat. Vieles bei Frau Ross ist mutige Rhetorik; in einem Vortrag hat sie zum Beispiel behauptet, vor hundert Jahren hätte es nur ein Prozent der heute verbreiteten Depressionen gegeben: Das kann nur erfunden sein, und ist überhaupt nicht zu beweisen.

Natürlich spielt die Ernährung in die “Zustände des Gemüts” hinein, aber nur als ein Faktor. Sich in dem Zusammenhang auf die Ernährung zu beschränken, heißt eine eindimensionale Sichtweise einzunehmen.

Letztlich ist das Buch sogar gefährlich, da fragwürdige Fragebögen mit noch fragwürdigeren Testergebnissen suggestible Persönlichkeiten negativ beeinflussen können und nur brachial darauf aus sind, zum Kaufen zu zwingen.

Nachtrag:

Die einzige kritische Stimme zum Buch auf der ersten Ergebnisseite der Suchmaschine kommt vom Gazelle-Magazin:

Es gibt einiges an Literatur, die vor übereifriger Einnahme von Aminosäuren als Nahrungsergänzung warnen. …  bei Gesunden Menschen sollte ohne tatsächlichen Bedarf nicht einfach zu Aminosäuren gegriffen werden. Bei einer „normalen“, ausgewogenen Ernährung haben Europäer kaum Aminosäure-Mangel. Außerdem stellt sich die Frage, warum die eventuell fehlenden Aminosäuren nicht über die alltägliche Ernährung aufgenommen werden soll. Denn Nahrungsergänzungsmittel werden meist synthetisch hergestellt und somit ist die tatsächliche Verwertbarkeit im Körper nicht gewährleistet. Im schlimmsten Fall kann der Körper nur 50 % verwerten, leidet aber an 100 % der Nebenwirkungen wegen hoher Dosierung. Somit ist eine Ernährungsumstellung sicherlich die bessere Alternative.

„Gute-Laune-Rezepte“ machen Spaß

Hierfür bietet Julia Ross … einige tolle „Gute-Laune-Rezepte“. …  Es gab mal leckeren Thunfisch-Kichererbsen-Salat oder Hüttenkäse-Pfannkuchen mit frischen Früchten. Außerdem gibt es wieder regelmäßig Fisch auf meinem Speiseplan. … Abgenommen habe ich zwar nicht, aber ich fühle mich fit und gesund, trotz unseres extrem langen und verschneiten Winters.

Den Nahrungsergänzungspräparaten habe ich mich allerdings verweigert, nachdem ich mich mit der Apothekerin meines Vertrauens unterhalten habe. Die Tests am Anfang des Buches sind recht allgemein und mir für eine medizinische Aussage zu unspezifisch.

Ansonsten fällt auf, dass der Verlag außerordentlich viele Internet-Aktivitäten entwickelt hat und dem Buch eine eigene Internet-Seite – „Mood-cure-de“ – spendiert hat.

Ein mood-food-cook-book wäre dennoch wünschenswert: Das erste Buch mit acht mal „O“ in vier Buchstaben 😉

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