KI Kritisiert Unbedachtes Kartoffelbrei-Rezept
Geschrieben am 28. Dezember 2025 von KPBaumgardt
Einen proteinreichen Kartoffelbrei hat kürzlich eine „Frauenzeitschrift“ empfohlen, die nach Verlagsangaben für „… ein zeitgemäßes Frauenbild, Lebensfreude, eine moderne Arbeitskultur und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf …“ eintritt:
„Sündhaft lecker: Abnehm-Rezept für proteinreichen Kartoffelbrei aus nur 3 Zutaten“

Wenn Sündhaftigkeit und Abnehmen zusammentreffen, werden unnötige Klischees und Vorurteile verstärkt – stellen wir einfach klar, dass Kartoffelbrei kein Dickmacher ist. und dass die Quark-Kartoffel-Kombination kein Bestandteil Omas Küche ist, die doch sonst immer bejubelt wird.


Mit einem Rezept für Krautroulade mit Kartoffelbrei kann ich hier durchaus dienen, den „sündhaften Protein-Brei“ als Kartoffelbrei
zu bezeichnen, kommt aber einer Verfälschung nahe, und genau genommen
wollen wir uns auch einen Käsekuchen mit rund 50 Prozent Kartoffelzusatz
nicht einmal vorstellen.
Für eine kritische Text- oder Rezeptanalyse gibt schon die eine Zeile viel her:
„Sündhaft lecker: Abnehm-Rezept für proteinreichen Kartoffelbrei aus nur 3 Zutaten“
Eine kritische Textanalyse dieser Überschrift können wir gut passend auf die sprachlichen, psychologischen, ernährungswissenschaftlichen und gesellschaftlichen Ebenen beziehen. Das kann auch wie hier eine Künstliche Intelligenz erledigen – wichtig hierbei ist, nach der Kritik zu fragen.
„Robotik und KI“ sind neuerdings mediale Dauerbrenner und demnächst wohl auch Mittel und Anlass tiefgreifender Umwälzungen. Einfaches Beispiel: Wenn der Roboter gut kochen kann, bekommt er eine Aufgabe, die uns bestimmt von der Industriepizza wegführt.
1.
Bei der sprachlichen Analyse notieren wir: Moralische Aufladung, Überfrachtung:
„Sündhaft
lecker“ ist kein neutraler Geschmacksbegriff, sondern im Kern ein
moralischer Code; Sünde impliziert Verfehlung, Genuss wird als etwas
Verbotenes markiert, und „Essen“ erhält eine ethische Schuldkomponente.
-> Der Leser soll genießen und sich gleichzeitig schuldig fühlen.
Das ist eine klassische Darstellungsweise aus Werbung und Diät- und Frauenzeitschriften.
2.
Psychologische Wirkung: „Schuld–Erlösungs-Mechanik“
Die Überschrift folgt einem bekannten Muster:
Du wirst verführt („sündhaft lecker“).
Du wirst entlastet („Abnehm-Rezept“)
Das Rezept bringt seine (Pseudo-) Rechtfertigung gleich selbst mit („proteinreich“)
Es kommt das Versprechen hinzu, dass es einfach für Dich wird („nur 3 Zutaten“)
Das erzeugt:
Erleichterung ohne wirkliche Autonomie
Abnahme von Verantwortung („Laut Rezept darf ich das essen“)
kurzfristige Beruhigung statt nachhaltiger Orientierung
-> Ein Mini-Ablasshandel für „Essensschuld“.
3.
Ernährungswissenschaftliche Analyse: verkürzte Logik
Kartoffelbrei ist per se kein Abnehmprodukt
„proteinreich“ sagt nichts über:
Energiedichte
Sättigung
Portionsgröße
Einbettung in den Tagesverlauf
Die Aussage: „Proteinreich = abnehmgeeignet“ verschleiert die komplexen Zusammenhänge des Stoffwechsels.
4.
„Nur 3 Zutaten“ – Pseudo-Rationalisierung
Die Zahl wirkt „ovjektiv“, minimalistisch, kontrollierbar, schlicht – Tatsächlich suggeriert sie:
einfache Lösungen für komplexe Probleme
Machbarkeit ohne Kontext
Reduktion von Ernährung auf „Baukastenlogik“.
-> Essen wird zum technischen Objekt, nicht zur sozialen oder kulturellen Praxis.
Bei den Frikassé-gefüllten Aufbackbrötchen hab e ich keine Zutaten gezählt – geschmeckt haben sie auch so.
5.
Zielgruppenansprache: implizite Normsetzung
In einer Frauenzeitschrift transportiert die Überschrift unausgesprochen:
Schlanksein = Pflicht
Genuss = gefährlich
Kontrolle = weibliche Kompetenz
Abweichung = Schuld
Die Rezepte/Anleitungen der Frauenmedien zum „genussvollen Lebensstil der modernen Zeit“ fördern nicht den kulinarischen Sachverstand, nicht die eigenen Vernunftentscheidungen, nicht das eigenene Gewissen, keine erkennbaren gesellschaftlichen Anliegen.
-> Das Rezept reproduziert ein internalisiertes „Expertentum“, das nicht offen befiehlt, sondern verführerisch lenkt. Noch die feinsten Geschmacksfragen können „im Netz“ ihre Antworten finden und das eigene Fragen und Denken „ersparen“.
6.
Systemische Perspektive: Scheinbare Emanzipation
Die Überschrift gibt vor:
modern
selbstbestimmt
genussfreundlich
zu sein.
Tatsächlich bleibt sie im alten Muster:
Genuss ist nur erlaubt, wenn er sich rechtfertigt.
Emanzipation wäre:
- Sachgerechter, angemessener, „gekonnter“ Genuss ohne moralischen Vorbehalt
- Ernährung ohne Erlösungsversprechen
- Abnehmen ohne Schuldnarrativ
7
Zusammenfassung:
Die Überschrift verkauft keinen Kartoffelbrei, sondern Entlastung von Essensschuld. „Sündhaft lecker“ erzeugt erst das Problem, das das „Abnehm-Rezept“ anschließend scheinbar löst. Genuss wird moralisiert, Abnehmen ohne erprobtes Gesamtkonzept ritualisiert, Komplexität auf drei Zutaten reduziert. Das Ergebnis ist kein Beitrag zu Ernährungskompetenz, sondern ein weiterer Baustein im Kreislauf aus Verführung, Schuld und kurzfristiger Beruhigung.
Abnehmen ist jedoch eine hoch komplexe, dauernde Aufgabe – eigentlich als Ergebnis gemeinschaftlicher Prozesse zu verstehen, das frei von unfairer Einmischung der medialen Ober-ExpertInnen eigene Erfahrungen und Kalkulationen der betroffenen „KlientInnen“ austauscht, koordiniert, optimiert und intensiviert.
Das Gesamtthema hat nun derart viele Aspekte, dass wir uns hier auf die allerwichtigsten werden konzentrieren müssen. Aktuell denke ich dabei an einen sensationellen Nachtisch, der nur selten gereicht wird. Dazu mehr im nächsten Artikel. Bis dahin:
Merry Everything and Happy Always to all!
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