Exkurs: Heiterkeit zwischen Yin und Yang

Phlosophische Heiterkeit? Von einer Veranstaltung: Heiterkeit als Ausnahmezustand? Erkundungen zwischen Anthropologie, Ästhetik und Sozialpsychologie berichtet ein Artikel beim ORF. Es ging um die Frage, ob Philosophie immer melancholisch zu sein habe, oder missmutig, und was mit der Heiterkeit ist.

Auch der asiatischen Philosophie wurde dabei ein Abschnitt gewidmet:

Heiterkeit im Taoismus

Eine … Beziehung zwischen Melancholie und Heiterkeit, die sich von der europäischen Kulturgeschichte wesentlich unterscheidet, findet sich in der chinesischen Kultur, speziell im Taoismus, … Im Gegensatz zur europäischen Kultur, die Heiterkeit immer nur als Gelassenheit, als etwas Entspanntes betrachtete, ging es in der taoistischen Tradition um „die Doppelgesichtigkeit“, um die Dualität von Hellem und Dunklem, von yin und yang.

Diese Dualität oder Dynamik von Yin und Yang ist zunächst einmal spannend, (vgl. auch hier)

Yin und Yang [-, chinesisch], entgegengesetzte Prinzipien und kosmische Grundkräfte in der chinesischen Naturphilosophie seit dem 5./3.Jahrhundert v.Chr. Dem Yang entspricht das Männliche, Aktive, der Himmel, die Stärke, die rote Farbe und die ungerade Zahl, dem Yin das Weibliche, Passive, die Erde, die Nachgiebigkeit, die schwarze Farbe und die gerade Zahl. Yin und Yang haben ihren gemeinsamen Ursprung in einem Absoluten, dem Dao. © 2002 Bibliographisches Institut & F. A. Brockhaus AG

wo aber bleibt die Heiterkeit?

Die Doppelgesichtigkeit erklärt sich aus dem Konzept des Taoismus, das man als ein „offenes Denken“ bezeichnen kann. Die gelassene Heiterkeit weiß auch um die Nachtseiten des Lebens, um Krankheit, Leid und Tod. Der Taoismus kennt nicht ein triumphales Beharren auf einem Prinzip, von dem sich die Welt erklärt.

Vielleicht entstammt aber die gelassene Heiterkeit nicht nur der philosophischen Erkenntnis, sondern auch der Übung: Buddhas Lächeln ist auch eingeübt

Indem er [der Taoismus] um die Zerrissenheit der menschlichen Psyche Bescheid weiß, entfaltet er eine menschenfreundliche Philosophie, …

Wer will das wissen? Oder ist der Taoist, immer auf dem Weg und nie zu Hause, einfach mit sich im Reinen? Gar nicht zerrissen, sondern an die Dualität gewöhnt, mit der Dualität vertraut? Zen und Humor Karlfried Graf Dürckheim hat “bei jeder Gelegenheit den tierischen Ernst in den heiligen Dingen unterwandert” (Quelle). Taoistisch inspirierter Humor ist selten. Wollen ohne Wollen wollen; tun ohne tun wollen; siegen ohne siegen wollen. (Wenn ich das richtig gelesen habe…) Diese Haltung, zu wollen ohne zu wollen, ist nicht ganz einfach zu verstehen. Schopenhauer erklärte es (sinngemäß) so: “Der Mensch kann nicht wollen, was er will, aber er kann tun, was er will”. Die Paradoxie des Wollens ist vielleicht erheiternd – zumal die Masse in Wirklichkeit ihre Ohnmacht will…

Nicht die Heiterkeit, sondern das Heitere

Im “I Ging”, dem “Buch der Wandlungen”, ist das 58. Zeichen “Das Heitere” (64 Zeichen setzen sich aus 8 Grundzeichen zusammen). “Das Heitere” ergibt sich, wenn zwei Seen miteinander korrespondieren.

Wahre Freude beruht … darauf, daß im Innern Festigkeit und Stärke vorhanden sind, die nach außen hin weich und milde auftreten.

Die Metapher von den Seen, die miteinander in Berührung sind, wird wie folgt erklärt:

Ein See verdunstet nach oben und erschöpft sich dadurch allmählich. Wenn aber zwei Seen miteinander in Verbindung sind, so erschöpfen sie sich nicht so leicht, weil einer den andern bereichert. So ist es auch auf wissenschaftlichem Gebiet. Die Wissenschaft soll eine erfrischende und belebende Kraft sein. Das kann sie nur werden im belebenden Verkehr mit gleichgesinnten Freunden, mit denen man sich bespricht und übt in der Anwendung der Lebenswahrheiten. So wird das Wissen vielseitig und bekommt eine heitere Leichtigkeit, während das Wissen der Autodidakten immer etwas Schweres und Einseitiges behält.

Heiterkeit hat nach der weiteren Deutung verschiedene Stufen, Bedeutungen, Stadien. So kann Heiterkeit von innen kommen, als “in sich gesammelte Freude, die nichts von außen begehrt und mit allem zufrieden ist”, als Freiheit von Zu- und Abneigungen und “ruhige Sicherheit des in sich gefestigten Herzens”. Der Zusammenhang von “innerer Leere”, Langeweile und Suche nach Zerstreuung ist heutzutage merkwürdig tabuisiert, wird aber hier überaus deutlich und kritisch angesprochen:

Wenn man aber innerlich leer ist, so daß man sich an die Außenwelt verliert, so kommen die Freuden von außen herbei. Das ist es was manche Menschen als Zerstreuung begrüßen. Menschen die aus innerer Haltlosigkeit das Bedürfnis nach Zerstreuung haben, werden stets Gelegenheit haben, sich zu zerstreuen. Sie ziehen die äußerlichen Freuden durch die Leere ihres Wesens an sich. Dadurch verlieren sie sich immer mehr, was natürlich vom Übel ist.

Das I-Ging differenziert “zwischen verschiedenen Arten der Freude.” Insofern gilt es, zu

entschieden […], welche Art der Freude man wählen will, die höhere oder die niedere…

Unentschiedenheit in dieser Frage bewirkt innere Unruhe;

Erst wenn man klar erkannt hat, daß die Leidenschaft Leiden bringt, vermag man sich so zu entscheiden, daß man das Niedere von sich abtut und die höheren Freuden erstrebt. Ist diese Entscheidung besiegelt, so hat man die wahre innere Heiterkeit und Ruhe gefunden, und der innere Widerstreit ist überwunden.

(Zu viel) Zerstreuung schlägt um in Zersetzung und Verderben, diese “Gefahr zu durchschauen”, gilt es, und “sich zu hüten und […] frei von Schaden” zu bleiben. Schlimmstenfalls lässt man sich von “der Heiterkeit” verführen und hier

… ist von Gefahr, von Heil oder Unheil nicht mehr die Rede. Man hat die Steuerung des Lebens aus der Hand gegeben, und es hängt vom Zufall und äußeren Einflüssen ab, was aus einem wird.

Heiterkeit hat, so gesehen, die Pole Haltlosigkeit und Wissenschaft. Das entsprechende Zeichen, DUI, Das Heitere, der See, ist aus zweimal zwei starken Strichen und einem schwachen Strich zusammengesetzt…

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