Experten fordern echte Innovation im Gesundheitswesen statt lähmender Reförmchen
Geschrieben am 8. Juli 2009 von KPBaumgardt
Für Überraschung sorgt das vom Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI) ausgerichtete MetaForum "Innovation im Gesundheitswesen" mit der zentralen Forderung:
Eine radikale Umgestaltung der Gesundheitssystems statt einzelner Reformen.
Das Forum fand am 9. und 10. Juni mit Beteiligung von rund 120 Fachleuten aus den Bereichen Politik, Wirtschaft und Medizin sowie mit Patienten- und Medienvertretern in Berlin statt. Dabei wurden konkrete Handlungsvorschläge entwickelt, die diese Umgestaltung des Gesundheitswesens ermöglichen sollen.
Die Strukturen des Gesundheitssystems müssen geändert werden, um es … zukunftsfähig zu machen.
Dr. Bernhard Bührlen, Leiter des Geschäftsfeldes Innovationen im Gesundheitssystem am Fraunhofer ISI und neben Kurt Biedenkopf und Ilona Kickbusch einer der Initiatoren des MetaForums, erklärt die Grundidee der Veranstaltungsreihe:
"Das Gesundheitssystem in Deutschland beschränkt sich fast ausschließlich auf die Krankenbehandlung und wird immer kostspieliger. Auch alle Gesundheitsreformen konnten daran nichts Wesentliches ändern.
Viele Bereiche der Gesellschaft, die Gesundheit fördern und schützen, bleiben völlig ausgeklammert, wertvolle Ressourcen werden nicht genutzt – und erst recht nicht gefördert …”
Auf dem ersten MetaForum im Oktober 2007 stellten etwa 100 Experten zunächst Leitlinien auf:
Um Innovationen zu ermöglichen, sei vor allem ein Paradigmenwechsel von einer krankheitsorientierten zu einer gesundheitserhaltenden Strategie nötig.
Zudem solle das System auf die Bürger als aktiv Handelnde ausgerichtet werden, weiterhin müsse Gesundheit Thema in allen Politikbereichen werden.
Rund ein Jahr später wurden auf dem zweiten MetaForum Handlungsziele für Innovationen definiert.
Konkrete Handlungsempfehlungen für acht zentrale Innovationsbereiche trugen die wieder mehr als 100 Teilnehmer des dritten und letzten MetaForums in der vergangenen Woche zusammen. …
Um beispielsweise die Souveränität und Handlungsfähigkeit der Bürger in Bezug auf ihre Gesundheit zu fördern, wäre es unter anderem notwendig, die Gesundheitsbildung systematisch in alle Lehrpläne – vom Kindergarten bis zur beruflichen Bildung – zu integrieren und gleichzeitig mehr Wahlfreiheit bei Versicherungstarifen und Leistungen zu ermöglichen.
Für eine integrierte statt fragmentierte Behandlung dieser aktiv handelnden Bürger sei es notwendig, die Krankenbehandlung in ein System der umfassenden Gesundheitsförderung einzubetten, die Gesundheitsberufe durch gemeinsame Curricula an Universitäten und Fachhochschulen besser zu vernetzen und Behandlungspfade durch die verschiedenen Angebote transparent zu machen.
Gefordert wird auch mehr Subsidiarität. Dafür sind auch die politischen Ebenen gefordert: Gesundheitsleistungen sollen zunächst durch einzelne Regionen geplant, angeboten und bewertet werden, bevor die Länder oder der Bund aktiv werden.
Da Leistungen für die Gesundheit Investitionen in die Wohlfahrt und die Produktivität der Gesellschaft sind, müsse die Gesundheitspolitik auf Prävention und Gesundheitsförderung ausgerichtet sein.
Beispielsweise soll ein qualitätsgeprüfter Gesundheitscoach etabliert werden, der Gesunden bei der Gesunderhaltung und Kranken bei der Navigation durch das Gesundheitswesen hilft.
Mehr Transparenz über Qualität, Kosten, Wahlmöglichkeiten und Bewertungskriterien könne erreicht werden, wenn die zuständigen Organe gesetzlich verpflichtet würden, ihre gesundheitsbezogenen Ergebnisse publik zu machen.
Die Krankenversicherungen zum Beispiel könnten damit auch ihre Erfolge bei der Gesunderhaltung dokumentieren. Transparenz trägt ganz wesentlich dazu bei, dass die Bürger ihre eigenen Ressourcen und die des Gesundheitswesens optimal nutzen können.
Bürgerentscheide über grundlegende Gesundheitsfragen seien notwendig, damit die getroffenen Entscheidungen größeren Rückhalt bei den Betroffenen finden und sie mehr Eigenverantwortung übernehmen.
Für mehr Nachhaltigkeit, die unter anderem eine dauerhafte Finanzierbarkeit der notwendigen Gesundheitsleistungen gewährleisten soll, sei die Entkoppelung der Krankenversicherungsbeiträge von den Arbeitskosten und die Unterstützung der Gesundheitsfürsorge auch außerhalb der Institutionen denkbar.
Schließlich würde eine gesamtwirtschaftliche Nutzenbetrachtung helfen.
Der Eröffnungsredner Staatsekretär Hartmut Schauerte stellte die Chancen der Gesundheitswirtschaft vor und rückte die Gesundheit als wichtigen Beitrag zur Erhaltung der Produktivität der Gesellschaft in den Mittelpunkt seiner Ausführungen. Entsprechend fordert das MetaForum, dass sich die Gesundheitsmärkte relativ frei entwickeln dürfen sollten. Um die Ergebnisse all dieser Bemühungen sichtbar zu machen, halten die Experten mehr Ergebnisorientierung für notwendig:
Messbare nationale und regionale Gesundheitsziele wie Impfquoten oder sportliche Aktivitäten müssten definiert und verglichen werden, um Erfolge oder Misserfolge zu erkennen.
Diesem Beitrag lag die hier zu findende Pressemitteilung vom 23.06.2009 zugrunde.
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