Hamburger als Nervengift oder von der Pornographie der Nahrung

Dekadenz und geistige Gesundheit

Es könnte ja sein, dass äußerst toxische Hamburger auf dem Markt sind – in unserem Zusammenhang beruht die Giftigkeit aber auf den Emotionen, die im Zusammenhang mit einem „Edel-Hamburger“ geschürt werden, den ein New Yorker Geschäftstalent an Leute, die zu viel Geld übrig haben, abgibt.

Dass dem Spiegel die Story über den 175-Dollar-Quatsch eine ganze Seite wert ist, hat mit seinem In#formationsauftrag nichts zu tun – man berichtet zwar von US-Leserbriefen, die das blattvergoldete „Spassobjekt“ als mehr als dekadent empfinden, kann sich dieser Meinung jedoch nicht anschließen und bringt, statt mit fünf Zeilen auf die Tatsachen hinzuweisen, einen detailverliebten Beitrag fertig, der den Leser in die Ambivalenz von abgewehrtem „Auch haben wollen“ und einem Spektrum anderer Gefühle versetzt.

„Essen mit Genuss“ kann also auch eine perverse Konnotation haben – wer hätte es auch je bezweifelt?

Ernährungs-Pornographie

Der letzte Trend kommt aus den USA. »Food Porn«, Lebensmittel-Pornografie, nennt sich die Bewegung, bei der sich Menschen Bilder von Gerichten auf Internetseiten ansehen. Eine Userin bekennt: »Ich liebe es, Fotos von Essen anzuschauen. So kann ich mich daran erfreuen, obwohl ich weiß, dass es mich unglücklich machen würden, es zu essen.« Auf der Eingangsseite zu »foodporn.com« steht als Warnung zu lesen: »Alle Ihre verbotenen Fantasien werden hier erfüllt!«

Diese beunruhigende Aussage finden wir via PimpYourself bei der SZ.
Von food-stalking und eben“foodporn“ ist da zu lesen.

Analog zu dem Vorgang, bei dem Pornographie und Selbstbefriedigung an die Stelle echter Beziehungen tritt, ersetzt das oft hochglänzende Foodporn das selbst-Kochen – so eine These, die sich auf das Vorhandensein einiger Webseiten und Blogs, die unter „Foodporn“ firmieren, stützt.

Es könnte sich aber auch um einen sarkastischen Spass, der nicht so ganz den europäischen Humor-Richtlinien entspricht, handeln:

Unter „Exhibitionism“ gibt es eine T-Shirt-Ausstellung, „Hardcore“ steht für „Vollwertkost“, nicht unter „lesbian“, sondern unter „lebanese“ gibt es regionale Spezialitäten aus dem Libanon, und dann gibt es noch diverse merkwürdige Rezepte mit Bild unter „self-pleasuring“ und „table-dance“: Persiflage einer Durchschnitts-Pornoseite.

Ist das, was wir an „Ernährungs-Pornographie“ zu sehen bekommen, nun ein Trend, oder nur der Vorbote eines Trends, oder hat es eigentlich nicht mehr zu bedeuten als irgend ein anderer Spass, der schon mal im Internet publiziert worden ist?

Wir sind jedenfalls beim Lesen gezwungen, diese Dinge zu beurteilen –
nur wozu, mit welchem geistigen Gewinn?
Der Trash-Journalismus ist ein Detail der Dekadenz, an der wohlwollend-billigend festgehalten wird; beim Hardcore-Journalismus geht die Sensualität verloren.

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  5. Artikel III, Essen, Ethik, Mode – und Global-Verantwortung

2 Kommentare zu “Hamburger als Nervengift oder von der Pornographie der Nahrung”

  1. […] Fressnet-Artikel zu “foodporn” […]

  2. […] Sich nicht mehr von momentan akuten Affekten leiten zu lassen (allerdings ist Essen immer mit Emotionen verbunden), die vernünftige Portionsgröße selbst zu bestimmen, Einflüsse der Werbung […]

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Frische Kommentare

  • Sabrina: Schön, dass du bei der Bilanz dabei bist! Mit Spirulina und Algen zu experimentieren,...
  • ClaudiaBerlin: Mit all meiner fortgeschrittenen Lebenserfahrung kann ich sagen, dass das mit den...
  • Julia: Da hast du recht, was das Fermentieren angeht, bin ich Spätzünderin 😂
  • Ulrike: Nachhaltigkeit und Produkte aus der Umgebung sind wichtig, da bin ich ganz bei dir. Alles...
  • Bine: Lieber Klaus-Peter, ich bin über die Foodblogbilanz2021 auf Deinem Blog gelandet und...

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