Wenn der Magen marschiert…

…tut er das künftig vielleicht, weil ein Implantat namens “Magenschrittmacher” ihn elektronisch stimuliert: Links, zwei, drei, vier…

Von der Implantation des “deutschlandweit ersten Magenschrittmacher(s)” berichtet die Süddeutsche:

Das 65 Gramm leichte Gerät in Größe einer Visitenkarte könne das Hungergefühl kontrollieren sowie Daten über Nahrungsaufnahme und körperliche Betätigung speichern und damit den Patienten helfen, dauerhaft abzunehmen, sagte der Chefarzt der chirurgischen Abteilung im Stadtkrankenhaus, Thomas Horbach.

magensonde (Werksbild) Auf welche Weise das Gerät seiner Datensammelwut nachgeht, wird in dem Artikel allerdings nicht berichtet. Seine Fähigkeiten kommen der japanischen Magensonde NIPOSTOSEN jedoch schon bedenklich nahe…

Insgesamt gehen die Journalisten vom ersten in “D” implantierten Magenschrittmacher aus, währen das Adipositaszentrum Würzburg schon seit längerer Zeit Studien durchführt und auch zu Auskünften bereit ist:

Für weitere Informationen zum Magenschrittmacher und die laufenden Studien steht Ihnen Frau Hall unter der Telefonnummer 0931 / 201 31 302 gerne zur Verfügung.

Dass die Berichterstattung gewisse Hoffnungen stimuliert, liegt auf der Hand; bei der Süddeutschen heißt es weiter:

Der Magenschrittmacher sendet elektrische Impulse an den Magen und löst dadurch ein Sättigungsgefühl aus.Der Schrittmacher wurde laut Horbach vergangene Woche bei einer 31-jährigen Frau aus Nürnberg in einer knapp einstündigen Operation an der äußeren Magenwand angebracht. Die 100 Kilogramm schwere Frau will eigenen Angaben zufolge damit 25 Kilogramm abnehmen.

Die junge Frau hat die einstündige OP gut überstanden und augenscheinlich gar nicht nötig gehabt: Sie sieht allenfalls etwas kräftig aus, keinesfalls übertrieben übergewichtig.

Vielleicht hat das Kalkül ja so gelautet: Wenn schon eine Diätassistentin mit etwas Übergewicht glücklich über die Operation ist, damit zeigt, dass auch eine Fachfrau ohnmächtig gegenüber den Pfunden ist und der Hilfe durch ihre eigene Zunft die der Chirurgen und Techniker vorzieht – dann hat das doch bestimmt einen suggestiven Effekt. (vgl. AZ München)

Dass es von der Magenstimulation zur Hirnstimulation nicht mehr weit ist, und welche ethischen Folgen sich aus der (negativen, “passiven”)  “Vorbildfunktion” der Magenstimulierten einmal ergeben werden, ist natürlich nicht geklärt.

Wie intensiv die Patientin zuvor konservativ im Sinne eines multimodalen Therapiekonzeptes (Ernährungstherapie, Bewegungstherapie, ggf. Verhaltenstherapie, ggf. medikamentöse Therapie) behandelt worden ist – darüber dürfen wir uns unsere eigenen Gedanken machen 😉

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Ein Kommentar zu “Wenn der Magen marschiert…”

  1. Schrecklich wie leichtfertig Kliniken und Menschen Gesundheit opfern. Kennen wir ja schon aus der Schönheitsindustrie. Erst letztlich las ich Erfahrungsberichte dicker Menschen, die teilweise zu extremsten Verstümmelungsoperationen gedrängt! wurden, ohne vernünftige Aufklärung von Risiken und darüber, das diese Operationen keine Garanten sind für Gewichtsabnahme. Operationen wie Magenbypass, Schlauchmagen. (Das traf nicht auf alle, aber viele Fallberichte zu) Dabei wird oft zu Beginn gar nicht klar gemacht, das selbst diese Operationen nur Teil eines Konzepts sind, welches letztlich nicht anders ist als die üblichen Mischkonzepte zur Gewichtsreduktion. WOZU dann bitte diese gefährlichen Verstümmelungsoperationen?
    Mir ist auch ein Fall persönlich bekannt, das eine längst diagnostizierte Frau mit Schilddrüsenprobleme trotzdem eine Magenband-Op aufgeschwätzt werden sollte.
    Natürlich reiner Zufall das die Empfehlung vom Klinikteilhaber stammt.
    In diesem Kontext kann man über die Entmündigungsforderungen nachdenken, die dann dafür sorgen sollen, das dickere Menschen zu solchen Operationen zwangsverpflichtet werden könnten in der Zukunft.

    Man kann nur hoffen, das diese neuere Verstümmelungsoperation zumindest reversibel ist und das Gerät wieder entfernt werden kann.

    Die Hymne unseres immer mehr privatisierten Krankensystems könnte so beginnen:

    „Geschäft, Geschäft über alles, über alles in dieser Welt.“

    Der Mensch als Nutzvieh

    Bei Interesse und wenns erlaubt ist, hier ein garantiert kalorienfreier Artikel zu dieser Problematik, die deutlich macht, wie wenig Mensch in der Gesundheitsindustrie noch zählt und wie die Reise wohl weitergeht.
    http://www.spiegelfechter.com/wordpress/5438/15-rendite-auf-kosten-der-patienten-–-ein-irrweg-der-privatisierung

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