Pollmers Mogeleien am Beispiel: Salz – Wo ist die Obergrenze?

Offenbar hat das Deutschlandradio Berlin einen besonderen Vertrag mit Uwe Udo Pollmer. Jedenfalls erscheint das nationale Radio bei der Suche nach “Bluthochdruck – Pollmer” ganz oben in den Suchergebnissen, und wir finden eine lange Seite, die lediglich Pollmers “populäre Ernährungsirrtümer” auszugsweise widergibt:

Der Mythos vom mörderischen Salz wankt heftiger denn je. Mittlerweile stellen Wissenschaftler bereits die Frage, ob die allgemeine Empfehlung, Salz zu sparen, vielleicht mehr schadet als nutzt.

Eine Aussage, die durch das enthaltene “vielleicht” recht eigentlich wertlos ist.

Man zitierte:

Aus: Lexikon der populären Ernährungsirrtümer. Mißverständnisse, Fehlinterpretationen und Halbwahrheiten von Alkohol bis Zucker. Aktualisierte Ausgabe. Von Udo Pollmer und Susanne Warmuth. Erschienen im Eichborn Verlag, Frankfurt 2002.

“Abgedroschene Thesen” könnte man denken, wenn Pollmer das immer Gleiche immer wieder wiederholt. So in der Sendung “Hart, aber fair”.

Hier allerdings geht man den schnellen Statements noch einmal nach: “Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser”, der Satz ist ja vielleicht wahr… 

Udo Pollmer über salzarme Ernährung

Udo Pollmer sagt, sich salzarm zu ernähren, sei nicht sinnvoll. Es könne sogar dazu führen, dass das Wasser im Körper nicht ausreichend ausgeschieden wird, was im Laufe der Zeit sogar zu einem Hirn- oder Lungenödem führen könne. Außerdem habe salzarme Kost einen Anstieg der Cholesterin-Werte zur Folge. Stimmt das?

Ingrid Hoffmann: Das ist falsch. Es geht bei der Empfehlung für eine salzärmere Ernährung nicht um eine salzfreie oder extrem salzarme Kost. Die von Herrn Pollmer genannten Störungen können bei einer salzfreien oder extrem salzarmen Ernährung auftreten. Bei der üblichen hohen Zufuhr an Kochsalz gibt es Hinweise auf diverse ungünstige Wirkungen, zum Beispiel darauf, dass Menschen mit einer entsprechenden Veranlagung mit Bluthochdruck reagieren. Um gleichzeitig ungünstige Wirkungen aufgrund einer zu niedrigen Salzzufuhr zu vermeiden, etwa Natriummangel, wird eine Salzzufuhr von täglich sechs Gramm Salz als ausreichend angesehen. Dies wird nur durch eine salzärmere Ernährung erreicht.

Gut. Wir wissen jetzt immer noch nicht, ob der Inkompetenz-Quotient der Frau Hoffmann oder des Herrn Pollmer größer ist, aber die Zweifel an der Pauschal-Aussage: “sich salzarm zu ernähren, ist nicht sinnvoll” haben eine Bestätigung gefunden. 

Salz einsparen oder nicht?

Das ist eine Frage, die  für Viele eigentlich eher belanglos ist. Ob sechs Gramm Salz pro Tag schon als “salzarm” oder als durchaus erträglich und überhaupt nicht mit Verzicht verbunden empfunden wird, ist eine Frage der Einstellung. Der Unterschied zwischen den Aussagen

  • “Den Salzkonsum zu begrenzen, kann vielfach sinnvoll sein” und
  • “sich salzarm zu ernähren, ist nicht sinnvoll”

dürfte klar sein. Immerhin: Es gibt, so im Artikel “Salz und Bluthochdruck” dargelegt, gute Gründe, beim Salzkonsum nicht zu übertreiben.
Dem Blutdruck zuliebe ist jedoch das Abnehmen effektiver als das Salz-sparen – trotzdem kann man ja Beides im vernünftigen Rahmen versuchen.
Es beim Salz-Sparen zu übertreiben und in den “Salzmangel” zu geraten, kann allerdings auch gefährlich sein. Aber “salzarm” ist ein dehnbarer Begriff. Vom wissenschafts-journalistischen Standpunkt aus müsste diese Begriffsunschärfe nicht sein.

Nein, Pollmer hat nicht gemogelt, sondern  nur polarisiert.

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10 Kommentare zu “Pollmers Mogeleien am Beispiel: Salz – Wo ist die Obergrenze?”

  1. wohl eher polemisiert… ^^

    den nehm ich nicht mehr ernst, seiter er den Blödsinn mit den Fake-Eiern aus China rausgehauen hat:

    „Viele Menschen bereiten deshalb ihre Speisen lieber selber zu. Wer selbst bäckt, weiß, was im Kuchen steckt.

    Wirklich? Kennen Sie die künstlichen Eier, die in China in Handarbeit in riesigen Mengen produziert werden? Sie gleichen einem frischen Hühnerei haargenau, sie können sie sogar in die Pfanne hauen und braten.
    Sie nehmen uns auf den Arm…

    Das ist ein Thema in Asien, weil die Ware inzwischen auch auf den Märkten der Nachbarländer auftaucht. Die Technik ist alt, wurde in Amerika schon vor hundert Jahren praktiziert: Man nehme Farbstoff, Hydrocolloide, Gips, Wasser und so weiter. In Wochenendseminaren lernen Sie, wie man die Mixturen richtig ansetzt und in Förmchen gießt.
    Ganz schön aufwendig für ein Ei.

    Die Rohstoffe sind billiger als Hühnerfutter, die Arbeitskraft kostet so gut wie nichts.“
    FAZ

    Die Auflösung:hier und hier

  2. Tja – das hast Du ja toll recherchiert. Und der FAZ-Fragesteller hat das Fragen eingestellt.
    Aber die billige chinesische Arbeitskraft: Die ist so billig, dass sich in China nicht mal Fotokopierer lohnen – da ist es billiger, in Handarbeit die Texte abzuschreiben 😉

    Vielleicht hat Pollmer das auch mit den Überraschungseiern durcheinandergebracht, deren „Füllung“ sicher nicht von Deutschen Hühnern produziert wird.

    Beim Bluthochdruck und dem Salz entspricht halt ein „Es darf ruhig etwas mehr sein“ nicht dem Stand der Forschung – soweit ich das recherchieren konnte, jedenfalls.
    Und schön zu sehen, dass Pollmers „Besseres Wissen“ gar nicht so fundiert ist.
    Er kann allerdings mit seinen Halbwahrheiten recht überzeugend wirken. Das einigermaßen gefährliche daran: Er verführt dazu, nicht Fakten abzuwägen, sondern flotte Erklärungen als Meinung, Überzeugung zu übernehmen.

  3. Gibt‘ s eigentlich zwei Pollmers? ^^
    Den Uwe kannte ich bis jetzt nicht…

  4. Bei „Pollmer“ sagt Wikipedie: „Udo Pollmer (* 5. Juni 1954 in Himmelpforten) ist ein deutscher Lebensmittelchemiker und Fachbuchautor zur Ernährung, der durch kritische und provokante …
    – der wird wohl gemeint sein. Zum Udo Pollmer bin ich per copy & paste gekommen. Du bist ja ziemlich aufmerksam, wenn ich Deine Frage auch ’n bisschen scheinheilig finde…

    Aber schau mal, welcher Satz genau über dem „Udo“ steht- da könntest Du Dich doch glatt bestätigt fühlen 😉

  5. […] Vielleicht sollte man mal den Herrn Udo Pollmer zum Nachrecherchieren nach Boston schicken: Zu klären ist: Wieviel trinken Frauen, die am Tag ein […]

  6. Ich möchte dazu noch anmerken, dass Pollmer meist die Kombination von salzarmer Kost und erhöhter Flüssigkeitszufuhr anprangert. Dauert diese Intervention von wenig Natrium und viel Wasser einige Zeit an (mehrere Wochen/ Monate), können sich Ödeme (z.B. am Hirn) bilden und zum Tode führen.
    Genau diese Verbindung von salzarmer Kost und hoher Wasserzufuhr findet man des öfteren in Altenpflegeheimen, weshalb auch dort schon einige Fälle der sogenannten Wasservergiftung (Hydrohydration) bekannt geworden sind.

  7. @ bommel: Wobei es in den Pflegeheimen auch vorkommt, dass die Bewohner zu wenig trinken.

    Worauf es mir angekommen ist, steht ja im Artikel 😉

  8. Ich habe mir die mühe gemacht, mehrere Bücher von pollmer zu lesen. Ich habe den eindruck gewonnen, dass Herr Pollmer eigentlich nur zum denken anregen möchte, anstatt sich stur nach wissenschaftlichen Studien (wer bezahlt eigentlich diese Wissenschaftler) richten sollte. ein beispiel; Vitamin C. es gibt außer pollmer noch einige tausend andere Ernährungswissenschaftler, die behaupten, dass nie nachgwiesen wurde , dass vitamin C bei erkältungen hilft. es werden aber 4- 5 Mill. Euro an diesen chemisch zusammengesetzten präparaten verdient.

  9. @ M.F.: Vitaminzusätze bei Lebensmitteln haben wohl meist den Grund, zu einer besseren Haltbarkeit beizutragen; bei Apfelbrei z.B. kann man damit sehr billig verhindern, dass er braun wird, und hell verkauft er sich besser.
    Pollmers Mogeleien gehen m.E. in die Richtung, dass er, was Abnehmen und Diät betrifft, es mit seinen „eigenen“ Positionen den Betroffenen leicht macht, Gründe zu finden, um nichts zu ändern.
    „Zu viel Salz? Pollmer sagt aber, es ist gefährlich, auf Salz zu verzichten“.
    „Ungesundes Fast-food? Pollmer sagt aber, dass wir noch niche so gesund gelebt haben, wie heute, oder noch nie so spät gestorben sind“.
    Und Übergewicht – da habe ich von ihm noch nichts gehört, was mir weitergeholfen hätte. Eher den Tenor: „Das ist normal, und da kann man nichts machen“.

  10. Noch so ein Nebenaspekt von Salz:

    "Salz bindet  viel Wasser im Körper. Zu viel Salz im Essen lässt Sie aufgeschwemmt aussehen und ist zu dem auch noch ein Risikofaktor für hohen Blutdruck und Nierenbeschwerden. … . Mit 180 Gramm rohem Schinken haben Sie diesen Wert bereits erreicht, denn die wenigsten Salze sind mit bloßem Augen sichtbar wie beispielsweise bei Salzstangen. "

    Das Zitat stammt von einem Nachrichtenportal, aus einer Zusamenstellung “versteckte Dickmacher”. Sogar Mineralwasser wurde da als Dickmacher “verschrienn”, eil es ja den Bauch aufbläht.

    Insofern kann man Salz als Dickmacher verstehen – aber wie viel Wasser wird vom Salz wirklich gebunden?

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