Essen im Überfluss, Mangel an Begriffen

Manche können manchmal gar nciht aufhören, essen immer weiter, und es will scheinbar gar nicht aufhören – denen fehlt dann möglicherweise ein Zauberwort, um den „Zufluss“ an Nahrung zu beenden.

Der Süße Brei

Gebrüder Grimm
Der süße Brei
Es war einmal ein armes, frommes Mädchen, das lebte mit seiner Mutter allein, und sie hatten nichts mehr zu essen.
Da ging das Kind hinaus in den Wald, und begegnete ihm da eine alte Frau, die wußte seinen Jammer schon und schenkte ihm ein Töpfchen, zu dem sollt es sagen: »Töpfchen, koche«, so kochte es guten, süßen Hirsebrei, und wenn es sagte: »Töpfchen, steh«, so hörte es wieder auf zu kochen.

Das Mädchen brachte den Topf seiner Mutter heim, und nun waren sie ihrer Armut und ihres Hungers ledig und aßen süßen Brei, sooft sie wollten.
Auf eine Zeit war das Mädchen ausgegangen, da sprach die Mutter: »Töpfchen, koche«, da kocht es, und sie ißt sich satt; nun will sie, daß das Töpfchen wieder aufhören soll, aber sie weiß das Wort nicht. Also kocht es fort, und der Brei steigt über den Rand hinaus und kocht immerzu, die Küche und das ganze Haus voll und das zweite Haus und dann die Straße, als wollt’s die ganze Welt satt machen, und ist die größte Not, und kein Mensch weiß sich da zu helfen.

Endlich, wie nur noch ein einziges Haus übrig ist, da kommt das Kind heim und spricht nur: »Töpfchen, steh«, da steht es und hört auf zu kochen, und wer wieder in die Stadt wollte, der mußte sich durchessen.

Dass Überfluss auch zur Not werden kann, wusste das Märchen, woher auch immer. Die Quelle des Wohlstands war von der Großelterngeneration an die Enkelgeneration gegeben worden, die mittlere Generation konnte ja auch nicht gescheit damit umgehen.
In einer ausfühlichen Fassung würde die dumme Mutter noch raten, „Halt!“, „Stopp!“, „Aufhören!!, „Aus, Ende!“ rufen, und doch: der Topf quillt weiter über, der Brei fließt über den Herd, in die Stube usw.

Dass „Steh!“ ein Zauberwort sein kann, vermittelt das Märchen eigentlich sehr deutlich, vielleicht erinnert sich manche Frau daran, wenn sie mal wieder ihren magischen Topf in Betrieb nehmen will, wenn nicht, gibt es halt wieder nichts als Brei, oder der Topf bleibt gleich kalt.
Die Geschichte spielt ja unter Frauen, die Männer müssen sich von da an wohl erst durchfressen, wenn sie wieder in die Stadt und nach Hause wollen.

Kulinarisch gesehen hat, wer sich mit süßem Brei satt essen musste, auch keine Lust auf delikates mehr; hätte die Mutte doch bloß gewusst, was sie zu sagen hat, wäre alles gut geblieben.

Aber so, da sie (Pardon, ihr Töpfchen) nicht zu kochen aufhörte …

Dass die Tochter den Spuk beenden konnte: Das ist ein Märchen!

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3 Kommentare zu “Essen im Überfluss, Mangel an Begriffen”

  1. […] (Wesentlich banaler geht es auch im Märchen "Der süße Brei" ums Aufhören; einfach nur "Stopp" oder "Halt" zu sagen, reicht nicht, es kommt schon auf das richtige Wort an.) […]

  2. […] so viel Reisdiät sei zum Schluss noch angemerkt, dass es auch noch den süßen Reisbrei gibt, und die Geschichte vom süßen Brei zum […]

  3. […] Experiment mit dem bodenlosen Suppenteller, der wie der Zauberbreitopf niemals leer wurde, zeigt das deutlich: Brian Wansink wollte herausfinden, welche Reize den […]

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