Gegenverkehr beim Datenverkehr – Fotos für den Verkehrsminister

Wie viel politische Bedeutung sich in vermeintlich völlig unpolitischen Handlungen wie Nahrungsaufnahme und Essenszubereitung verbergen kann, machte unser aller Verkehrsminister WISSING unlängst deutlich:

Der Digitalminister kritisierte unötigen, energiefressenden Datenverkehr, und als praktisches, anschauliches Beispiel wählte er die beliebten Food-Fotos:

„ … wenn man sich die Zahl der Fotos von Essen anschaut weltweit, kommt man auf einen enormen Energieverbrauch.“ Man müsse sich die Frage stellen, ob das wirklich notwendig sei.“

Diese Äußerung fiel bei einem Treffen von „DigitalministerInnen“ bedeutender Industriestaaten, und Wissing offenbarte noch mehr von seiner Denkweise:

„Wir dürfen nicht den Fehler wiederholen, den wir bei der Industrialisierung begangen haben, dass man die Nachhaltigkeit hinten angestellt hat“, sagte Bundesdigitalminister Volker Wissing (FDP) zum Abschluss eines Treffens von G7-Ministern am Mittwoch in Düsseldorf.

Fragen, die man  (sich) stellen muss, verdienen auch eine Antwort, und die „nötige Frage“ lautet:

Muss das sein?

Gut, das ist ein historisches Foto, das eine gewisse Vorliebe für Süßes dokumentiert, und Andere stellen sich und ihr Essen oder nur das eben auch ins Internet – den größeren Ressourcenbrauch verursachen aber Katzen-Fotos oder auch Bitcoin-Buchungen. Das Bitcoin-Schürfen verbraucht pro Jahr zweimal so viel Strom wie die Schweiz.
Wenn die Bild-Zeitung eine Schlagzeile wie „Hat Wissing einen an der Waffel?“ verbricht: Das ist eindeutig Energieverschwendung.

Zudem ist  „Das Hintanstellen der Nachhaltigkeit“ durchaus nicht nur ein Problem der Vergangenheit, sondern auch von Gegenwart und Zukunft. Beispielsweise gibt es immer noch keine bequeme Option zur problemlosen Entsorgung von Wertstoffen, die in der „veralteten“ Hardware reichlich enthalten sind.

Die Diskussion zu vermeidbaren Emissionen ist unvermeidbar, Wissings Beitrag verdient neben Stoibers Magnetschwebeplan-Rede einen Platz in der Geschichte, wie auch viele vegetarische und vegane Food-Fotos…

Mit der Überbewertung winziger individueller  CO2 Einsparungen  wird der „Diskurs“ von den echten strukturellen Problemen abgelenkt. Andererseits gibt es Food-Fotos, die nachhaltige Ernährung, die auch weniger Energie verbraucht, fördern wollen:

„Falsche Cevapchichi“ mit Semmelknödel, gedämpfter Paprika, Tomat und „ostdeutschem“ Senf.

Die Bratlinge bestehen hier aus Semmelbröseln von edlen Brötchen, angeschwitzten Zwiebelwürfeln, Ei und roter Beete. Das ist leicht zu machen, wenn man die rohe Rote Beete, gewürfelt, gemeinsam mit dem Ei püriert – dabei kann gleich auch eine Knoblauchzehe ihre Gestalt verändern. Vom Senf abgesehen, ist diese Mahlzeit übrigens die pure Resteverwertung; die Paprika war ursprünglich den Weg durch den wärmeisolierten, energiesparenden Multicooker gegangen.

 

Außerdem kann man Fotos als Eyecatcher nutzen: Hier etwa, wenn es um das Thema „Öl“ geht, das im Zusammenhang mit einem unerklärten Krieg knapp und teuer wird, selbst in Indonesien, wo ganz viele Ölpalmen stehen, und wo man sich jetzt doch wieder auf hausgemachtes Kokosnussöl besinnt.Wer braten oder frittieren will, braucht Öl – oder man bereitet sein Tempeh in der Sauce zu.

 

Wegen der Internet-Food-foto-Schelte des Verkehrsministers hat es einige Aufregung, auch einen offenen Brief gegeben, ein Nachklang gewissermaßen zum  offenen Brief an Kanzler Olaf Scholz, wo ein paar „Intellektuelle und KünstlerInnen“ vor dem dritten Weltkrieg warnten.

Dieser „Verein“ unter Führung der „Oberfeministin“ Schwarzer dürfte gegenüber subtiler (latenter) asymmetrischer Machtausübung besonders sensibel sein und bei der Erarbeitung einer Konfliktlösung bisher übersehene Zusammenhänge berücksichtigen:

Fatma Aydemir kennt Ihr doch sicherlich – oder wollt sie kennenlernen? Die Autorin und Journalistin freut sich sicherlich über weitere LeserInnen 😉 .

 

Um den offenen Brief entzündete sich, wie zu erwarten, eine lodernde Meinungs-Aufmerksamkeitsschlacht, bei der „Welt“ wurde die Forderung, „…  die Ukraine bei ihrer Selbstverteidigung zu unterstützen …“ mit der rhetorischen Frage

 „… wie soll Kanzler Scholz eigentlich auf einen Frieden einwirken, wenn er den Krieg schon nicht verhindert hat?“

verknüpft: Wenn die Nerven blank liegen, merkt keiner mehr, wie falsch die kurzschlüssig  generierten „Argumente“ doch sind.
Keine Frage: Man darf, ja muss heute beunruhigt sein, aber richtiger wäre die Frage:

„Wie soll Kanzler Scholz eigentlich auf einen Frieden einwirken, wenn seit tausenden von Jahren Krieg herrscht, und die angeblichen Jahrzente des Nach-Weltkriegsfriedens zwar eine Zeit des Wirtschaftswachstums, aber dabei auch der Natur-Ausbeutung, der harten kommerziellen Bandagen, von Stress, Friedlosigkeit, kaltem Krieg, Korruption, Totalitarismus, nicht recht gekonnter Demokratie, Ausbeutung und Unzufriedenheit waren?“

Das ist, wie es ist, weil wir es nicht schaffen, die gepriesene „Zeitenwende“ zu verstehen, zu wollen und zu verwirklichen. Wir sind befangen und gefangen im

Eisernen Zeitalter.

„In diesem hörte Treue und Redlichkeit auf; und Betrug, Hinterlist, Habsucht und Gewalt traten an ihre Stelle. Man fing an Schiffe zu bauen, die Felder auszumessen; man suchte die in der Erde verborgenen Reichthümer auf; man entdeckte das Eisen, und schmiedete Waffen: es entstanden Kriege, Raub und Mord, …“

Sich heute im Internetzeitalter zu orten,  ist vielleicht passend, heißt aber auch: Sich unter der Kontrolle der Konzerne, die mit Klickzahlen Kasse machen, zu befinden. Auf dem digitalen Marktplatz der Meinungen geht es nur um deren Marktwert, bei der Aufmerksamkeitsökonomie zählt keine Wertigkeit. Wir passen uns an die je vorhandene Technologie an und „die Natur“ vor der Haustür verdorrt, oder spült Dörfer, Straßen und Eisenbahn weg.

Mit der Gewöhnung an „digitale Zeiten“ verliert das alles seine Faszination und könnte zu einer erneuten „bleiernen Zeit“ werden. Der Beginn des Zeitalters der Aufklärung mag auf dem Zeitstrahl eine mehr oder weniger starke Markierung haben, „Aufklärung“ in digitalen Zeiten scheint durch ein „fade out“ charakterisiert – also umgehrt wie beim Bolero von Ravel wird es immer leiser, es gibt keinen Schlusspunkt, sondern eine langsame Ausblendung.

Diesem Artikel kann ich wenigstens ein Schlussbild anfügen – einstweilen…

„Griieh Soss mit viel Griie un wenisch Quaak, särwiert mit gepelltem, hardde Ei und neuaardischem Semmelgnöödel“ – „hessischer geht net!“

Größer geht aber durchaus. Ja, ich möchte direkt dazu auffordern, die größere Version zu öffnen. Da kann man sogar die Abbildung der Zutaten auf der speziellen Verpackung erkennen – die ist, so ein ernst gemeinter Ressourcen-Sparvorschlag, auch im Rahmen einer Zweitnutzung als Geschenkpapier zu verwenden. Innerhalb des Fortschreitens Richtung „Zeitenwende“ nämlich 😉

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  • Sabrina: Schön, dass du bei der Bilanz dabei bist! Mit Spirulina und Algen zu experimentieren,...
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  • Julia: Da hast du recht, was das Fermentieren angeht, bin ich Spätzünderin 😂
  • Ulrike: Nachhaltigkeit und Produkte aus der Umgebung sind wichtig, da bin ich ganz bei dir. Alles...
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