Food – Irrungen, Wirrungen, Lauterbach
Geschrieben am 16. April 2022 von KPBaumgardt
Dass wir alle meist nach alten Rezepten kochen oder Gewohntes kaufen – darüber wird sich niemand wundern. Wenn plötzlich Alle etwas Neues wollten: Das wäre verwunderlich.
Neues interessiert also nur im Ausnahmefall, und bei allem Multi-Kulti setzt sich das Wenigste durch; Pizza und Hamburger zum Beispiel, mit viel Anlauf und Anschub durch die Werbung.
Alle Rezepte, die aus Mutters Kochbuch stammen, sind schon im Internet zu finden.
Dementsprechend gibt es auch eine „Food-Photographie-Bilderflut“ – der kann man noch ein paar Tropfen hinzufügen, wenn man weiß, wieso, wozu und überhaupt.
In Zeiten der Klima- und Ernährungskrisen ist der sparsame Umgang mit tierischen Produkten ein Zeichen verantwortlichen Handelns, denn, dass die einen (ver-)hungern, während die Anderen lebensrettende Nahrungsmittel an Tiere verfüttern, ist unbedingt ungerecht – wie auch ein Krieg, in dessen Folge zugesagte Weizenlieferungen gestoppt werden, zutiefst inhuman ist.
https://ediblequeens.ediblecommunities.com/eat/amy-quichiz-founder-veggie-mijas
Dom Helder Camara: „Wenn ich den Armen zu essen gebe, nennen sie mich einen Heiligen. Frage ich, warum sie nichts zu essen haben, nennen sie mich Kommunist“.
Eine „dogmatisch vegane“ Ernährungsweise betreibt betont eine kleinere Fraktion der Bevölkerung, daneben gibt es Vegetarier und gemäßigte Vegetarier und gelegentliche wie ständige Fleischesser.
Zum Standard-Lebensmittelangebot zählt heute der pflanzliche Tofu, der aber vor allem aus Gründen der verbesserungswürdigen Herstellungsweise und Zubereitung häufig unbeliebt ist, daneben den indonesischen „Bruder“, Tempeh, zu etablieren ist nicht nur aus Nachhaltigkeitsgründen eine interessante Aufgabe.
- Tempeh, gemischt
vgl. Artikel „Miseren, Zukunfts-Wende, Vegane Fortschritte“
Dabei kann Tempeh mit vertretbarem Aufwand selbst hergestellt werden – zu einem absolut vertretbaren Preis, der im Wesentlichen dem der verwendeten Ausgangsmaterialien, also Bohnen, Sojabohnen, Linsen usw. entspricht, der Kilopreis ist sogar niedriger, weil die erwähnten Hülsenfrüchte als Trockenware angeboten werden.
Das Risiko, mit Rezepten zu Tempeh nicht wahrgenommen zu werden, wächst übrigens mit dem Geiz der Internet-Akteure, was Links betrifft; der Geiz wächst mit der Angleichung an das System „Kapitalismus“ und Ellenbogen-Gesellschaft, je nach Interpretation auch mit stoischer Sturheit gegenüber Neuem oder dem Wuchern des „toxischen Narzissmus„, der mitunter natürlich auch mit einer durchaus solidarischen, menschenfreundlichen Maske daherkommt.
Vom alltäglichen, gar nicht besonderen Essen zu berichten, ist gegen den Trend; der Trend geht in Richtung auf Hofberichterstattung, Glamour, ganz besonders talentiert. Dafür legen sich Fernseh-Spitzenköche gern ins Zeug, „gut gelaunt unterm Joch“ also.
Über die Verwendung von Tempeh zu informieren, halte ich für einen durchaus wichtigen Baustein bei der Veränderung unserer Nahrungsgewohnheiten – jenseits der „rohen Funktionalität“ der isolierten Zutaten geht es schließlich um die geschaffenen Produkte, z. B. köstliche frittierte Snacks und wild kreative Fermentationsprojekte:
Once you look beyond the ingredient’s raw functionality, there are delicious fried snacks and wildly creative fermentation projects to be found.
Wir finden bei dieser Quelle auch den Rat, sich ans Tempeh-Machen nur gut gelaunt zu begeben, denn . “It’s a fermented food, “so if you don’t feel happy, the tempeh won’t become tempeh.”
Das erinnert ein wenig an unseren alten Spruch „Der Mensch ist, was er isst“ – der Mensch als „leib-seelische Einheit“ nimmt nicht nur Kalorien auf, sondern auch Stimmungen, Schwingungen, Gefühle gehören zur Wahrnehmung, wie die Atmosphäre, in der wir uns befinden.
Insofern stellt sich hier, bei “Make hummus with chickpea tempeh. It’s incredible.” die Frage, ob es um Hummus mit Tempeh als Beigabe, oder um Hummus aus Kichererbsen-Tempeh geht. Eine spannende Frage!
Der ranghöchste Tempeh-Esser (und wohl auch der Einzige) in der deutschen Bundesregierung dürfte der Gesundheitsminister Karl Lauterbach sein. Er hat kürzlich in einem Interview noch eindrücklich vor den Gefahren des Fleischverzehrs gewarnt, ging aber leider nicht auf das vielleicht doch mögliche tolerable Maß ein, an dem die „Planetary Health Diet“ so eifrig knabbert.
Umstellungen bei der Tierhaltung, steigende Fleischpreise und folglich verringerter Fleischverbrauch werden im Zeichen des Ukraine-Kriegs realisierbar, offenbar.
Möglicherweise steigt, wer diese Tendenz zum Über-Essen hat, die zu Über-Gewicht führt, auf billige Zuckerprodukte um; eine „Leitlinie zur Behandlung der Adipositas in Deutschland“ hat Lauterbach „in einem früheren Leben“ mal mit-erstellt; ich halte dieses Papier für bedenklich, jedenfalls für nicht wirksam – so, dass es auch den Blick auf die Wirklichkeit verhindert…
Die seltsame Graphik kann gar nicht so viel erklären, wie zu erklären ist – und auch in einem 200-Seiten-Werk wie dort bleibt Wesentliches ausgeklammert. Nebenbei ist zu vermuten, dass die erfolgreichsten Diätgurus routinemäßig Dinge sagen, von denen sie genau wissen, dass sie falsch oder irreführend sind.
Sowieso ermutigen Social-Media-Plattformen zu irreführenden Inhalten: Vereinfachte, plakative Aussagen sind „klickwürdiger“ als nuancierte und vorsichtige Aussagen.
Gleichzeitig scheint das Motto „Warum denn einfach, wenn es auch kompliziert geht“?
Ein Beispiel für „Einfach und unkompliziert“:
„Laut Adipositas-Leitlinie ist bei Männern ein Taillenumfang ab 94 cm und bei Frauen ab 80 cm mit einem erhöhten Gesundheitsrisiko verbunden. Bei einem Taillenumfang ab 102 cm bei Männern und ab 88 cm bei Frauen spricht man von einem deutlich erhöhten Risiko“
In der Gesundheitserziehung wäre das eigentlich unverzichtbar – und der Wert von Datensammlungen hängt von der Auswertung ab: 😉
Lauterbach, in der Kantine
Karl Lauterbach hat geschrieben: „Bevor es zu spät ist: Was uns droht, wenn die Politik nicht mit der Wissenschaft Schritt hält“. Dazu hat Jan Feddersen, taz-Redakteur für besondere Aufgaben, ein Interview geführt.
Ich persönlich habe ja das Gefühl, dass ich mich mit dem, was mir droht, gar nicht wirklich beschäftigen will, und Lauterbachs Buch reizt mich wenig, wenn Politik und Wissenschaft als entscheidend für den Ausgang der Weltgeschichte verstanden werden, nicht aber Hinz und Kunz, Kreti und Pleti, Otto Normalverbraucher und König Kunde und Prinzessin Kaufverweigerung.
Im Interview benennt er die krebserzeugende Wirkung von Fleisch – auch die massenhafte Verwendung von „Würztütchen“ voller Zusatzstoffe (hier verpixelt) wäre zu erwähnen.
Vom Fleisch-Krebs-Zusammenhang zu sprechen, ist so wirksam, wie es früher mal die „Aufklärung“ zu den Nebenwirkungen des Tabakrauchs war und wirkt als ungewollte Belehrung. Viel wichtiger wäre es, dem allgemeinen Publikum Alternativen bei der Nahrungszubereitung nahezubringen, letztlich auch in attraktiven „Unterrichtseinheiten“.
Ich vermute, dass die erfolgreichsten Gesundheitsgurus routinemäßig Dinge sagen, von denen sie *genau wissen*, dass sie falsch oder irreführend sind.
Unabhängig davon ermutigen Social-Media-Plattformen zu irreführenden Inhalten: Vereinfachte, plakative Aussagen sind klickwürdiger als nuancierte und vorsichtige Aussagen.
Was die Adipositas-Epidemie betrifft, ist die gesellschaftliche Entgegnung nicht etwa die Forderung nach schweren Waffen, sondern eher ein Schulterzucken. Ein „Ich weiß ja auch nicht, glaube aber, die sind alle zu oral veranlagt und nicht mit Ernst bei der Sache. Wollen müssten sie halt, und ein bisschen mehr Selbst-Disziplin aufbringen!“
Das Problem „Therapieplatzmangel“ stellt sich mit diesem Wahrnehmungsfilter erst gar nicht. Auch wird der Gedanke, dass es sich zum Teil auch um ein pädagogisches Feld handeln könnte, nicht gewagt. Dementsprechend schmalspurig fallen dann wenige Vorzeigeprojekte aus, bei den eigentlich nötigen radikalen Konzepten, die zum massenhaften Einsatz konzipiert sind, tut sich rein gar nichts.
Selbst die Szene auf einem Gemüseteller ist reichlich komplex. Das kann man reduzieren; nur, was dabei bleibt, ist allzu schematisch – da hilft auch die „große Darstellung“ nichts.
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