Tierliebe, Klimadebatte, Rückblick und Ausblick – Humane Qualitäten
Geschrieben am 29. Dezember 2019 von KPBaumgardt
„Wir haben vor zigtausenden Jahren bestimmte Tiere gezähmt“, schreibt die bekannte Bioköchin Sarah Wiener in einem Facebook-Post. „Dies war ein gegenseitiger Vertrauensakt. Du gibst mir Schutz und Futter, ich gebe dir Milch und Eier, Wolle oder vielleicht auch Zuneigung.“
Vielleicht kommt Euch das nicht ganz geheuer vor – warum sollte Sarah Wiesner sich mit urzeitlicher Tierhaltung auskennen, und vor dieser tierliebvollen Beziehung kam sicher die Tötung, der Jagdtrieb.
Ich will hier auch keine romantische Vergangenheit zeichnen – die Domestizierung oder Domestikatión von Tieren ist meist von Gewalt geprägt und geht mit Freiheitsberaubung einher – bei Hunden, Katzen, Papageien, Pferden und so weiter ist eine zärtliche Beziehung dennoch nicht ausgeschlossen, heute sogar üblich.
„Putting pigs in the shade: the radical farming system banking on trees“ – Bäume beschatten das Land, Schweine lockern den Boden und düngen ihn: Beispiel aus Portugal, angesichts des Klimawandels vielleicht die einzige Möglichkeit, überhaupt noch Landwirtschaft zu betreiben.
Hierzulande steckt die Klimadebatte als solche noch in einer kalten Phase – aktuell wird sie, so eine Prognose der TAZ, wenn die Bundesregierung über die Umschulung der Städter zu Öko-Bauern nachdenkt. Der leitende Gedanke hierbei ist wohl: „Die mechanisierte Landwirtschaft ist zu energieintensiv, braucht zu viel Einsatz von Chemie – eine nachhaltige Landwirtschaft schafft und braucht Arbeitskräfte.“
Es bietet sich natürlich auch an, hunderte freiwilliger Teilzeit-Parlamentarier mit der Bewirtschaftung einer Parzelle im Regierungsviertel – oder außerhalb – demokratisch zu beauftragen 😉 .
Die könnten dann auch gleich noch Konzepte zur Wiederaufforstung und Diversifizierung der geschundenen Wälder entwickeln und vorlegen – im „Haus Klöckner“ geht es ja offenbar nicht so richtig voran…
Der Gedanke an fleischfreie Ernährung ist vielen Politiker noch nicht so vertraut, wie umweltethisch erforderlich – da gibt es einerseits den Gedanken „Bei Currywurst mit Pommes und Ketchup ist doch immerhin schon die halbe Mahlzeit rein vegan“ und andererseits das Trauma, von einer vermeintlichen Mehrheit (es sind ja vielleicht auch nur wenige, die desto lauter kreischen) bei der Forderung nach einem „fleischlosen Donnerstag“ ausgebuht zu werden.
Abendbrot, das kein Fleischmangelgefühl aufkommen lässt: Im Uhrzeigersinn Salat-Vinaigrette, Granatapfelkerne, Chinakohl und Litschies, milchsauer fermentiert, mildes Hummus mit Maracujawein, Gürkchen, 2 Sorten Brot, Olivenöl. Salz und Knoblauch in der Mitte.
Mit einiger „Hummus-Praxis“ oder -Übung kann der Gedanke, Hummus aus dem Kühlregal zu kaufen, zur absurden Vorstellung werden – mein letztes bestand aus geschälter Sesam-Saat und Cashew-Nüssen für eine helle Farbe, Kichererbsen, Olivenöl, Kreuzkümmel, roter Chili – es gibt so viele Möglichkeiten…
Vom Bildaufbau her gibt es eine gewisse Ähnlichkeit mit Papaya-Brotaufstrich und panierten Champignons:
Das Rezept ist über den obigen Link erreichbar, hier geht es zur größeren Ansicht.
Das Weihnachts-Special, das mit zwei Zeilen auskommt:
„Und, was hast Du zu Weihnachten bekommen?“
„Die Krise.“
Das war unvermittelt, aber kurz. Wo die Krise scheinbar an einem vorübergegangen ist: Keine Sorge, sie hat nur Verspätung, ohne sich an „deutsche Tugenden“ zu halten 😉 .
„Weihnachten“ war also der Rückblick, der ist noch nicht abgehakt:
Das Foto stammt aus dem Internet-Umweltmagazin „Mongabay“, das ist global orientiert, meines Wissens ziemlich einmalig – und hätte, wie ich empfinde, etwas Untstützung verdient. Im Artikel geht es um eine Dekade, die dem Regen-Urwald Südamerikas vielleicht bereits den Garaus gemacht hat.
Was kommt noch?
Als es auf Twitter eine Diskussion zu dem übertriebenen Fleischkonsum gab und Katja meinte, es müsste mehr Forschung zu Fleischalternativen geben, hatte ich sinngemäß geantwortet, wir müssten neue Rezepte finden und deren Entwicklung vergesellschaften – also gemeinsam fleischarme Ernährungsvarianten entwickeln.
Weil nun „Vergesellschaftung“ je nach Zusammenhang auch „Enteignung“ bedeuten kann, hatte Einer, der nicht auf den Zusammenhang achtet, sinngemäß „Aha, ein Sozialist kommt mit seinen Lösungsvorschlägen“ gemeint. Sozialismus – das muss eine Utopie oder eine fixe Idee sein – wer will und kann der schon anhängen?
Natürlich habe ich keine Lust, selbst entwickelte Rezepte einem Staat zu überlassen, der sie dann ohnehin zu nichts gebrauchen kann, sondern ich finde es wichtiger, sich die entsprechenden Fähigkeiten und Kenntnisse anzueignen und weiß, dass da niemandem etwas in den Schoß fällt:
Die Herstellung dieser (Dinkel-)Brötchen ist schon eine ganze Weile her, inzwischen mache ich so etwas nur noch extrem selten.Es ist ja ganz nett, Brötchen selbst zu backen, aber wozu hat die Gesellschaft innerhalb der Arbeitsteilung Bäcker hervorgebracht, also das Backen „vergesellschaftet„, wenn nicht zum allgemeinen Vorteil? Dass der sich in versteckte Nachteile umkehren kann, wenn die Brotproduktion im industriellen Massstab „läuft“, heißt doch nur, dass wir den Bäckern mehr Aufmerksamkeit entgegenbringen müssen.
Die Gesellschaft im Sinne von „das Umfeld“ hat übrigens größte Auswirkungen auf die Gesundheit – die Wechselwirkungen mit der Qualität der Beziehungen untersuchte eine Langzeitstudie, und kam zu besagtem Ergebnis. Wobei wiederum die Gesellschaft zulässt, dass rund 20% der Bevölkerung „eher alleine“ leben.
Das wird sich auch nicht so bald ändern, denn
Groß ist die Macht der Gewohnheit. (Lat.: Gravissimum est imperium consuetudinis.)
So ein Zitat – hier von Publilius Syrus (um 85 – 43 v.Chr.) einem lateinischer Aphoristiker, der vor allem für seine Sentenzen bekannt war, wird immer wieder gern augenommen und verändert, und „Nichts bedarf dringender der Verbesserung als die Angewohnheiten anderer Leute“ (Mark Twain) ist nicht als die Wahrheit, die reinste Gewohnheit 😉 .
Wo Veränderungen dringend sind – klimapolitisch müssen wir „nur“ den Primärenergie-Verbrauch schnellstens verringern, ist „die Gewohnheit“, die ja Behaglichkeit vermittelt und der Bequemlichkeit dient, allerdings hinderlich: Die Vorstellung, dass Andere sich mit einem Energiespar-Tretmobil fortbewegen, ist noch ganz nett, man selbst empfände das Aufgeben der gewohnten „Kutsche“ vielleicht eher als Verlust.
Dem Velomobil als „gelungene Alternative zum Auto“ mal einen Artikel zu widmen, war eher eine Pflichtübung als ein Signal, das Veränderungen bewirkt – die Gewöhnung an „das Gewohnte“ ist einfach zu stark. Die Politik bleibt in Allianz mit der Auto-Presse, Automobilclub und der Autoindustrie beim Herkömmlichen; eine progressive Politik könnte auch das „Volkstretmobil“ massiv fördern. Doch da kommt die Angst auf, sich lächerlich zu machen.
Das ist lächerlich: Das alte Projekt „Kraft-durch-Freude-Wagen“, benzingetriebene „Automobilität für alle“ (so das nie eingelöste Versprechen, dem die Bahn geopfert worden ist) auf Autobahnen ohne Kreuzungen und Geschwindigkeitsbeschränkungen, zeigt doch nur, wie zählebig selbst Un-Zeitgemäßes werden kann.
Die narzisstische Verachtung, mit der die SUV-FahrerInnen auf das „niedere Volk“ herabschauen, hat nichts mit humanen Qualitäten zu tun – die zu fördern, ist heutzutage erforderlich…
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