Die Zukunfts-Show, „kolonialistische“ Lebensmittel, Gemeinwohl, Tierwohl und Maultaschen

„Iss dies, iss das“, oder auch „Iss das, aber nicht jenes“ – ständig wird man bevormundet, eine US-Seite mit der Adresse www.eatthis.com mischt in der Auseinandersetzung mit und zwar, was selten ist, stellenweise kritisch. Bei der Frage, wie wichtig denn Nestlé wohl für die Welternährung sein mag, findet man schnell heraus, dass unter diesem „Dach“

mehr als 2000 Marken versammelt sind – also nicht nur Nescafé & Co.. Wenn in der „Heute-Show“ des ZDF gesagt wird, dass 100 Gramm Nesquik  76 Gramm Zucker enthalten, und noch 72 Gramm im Kakaotrunk stecken werden, nachdem dessen Zuckergehlat um fünf Prozent gesenkt werden würde, ist das auch gar nicht lustig. Die Anmerkung „Wenn sie noch mehr Zucker rausnehmen, schmeckt die Plörre salzig!“ ist falsch.

Vielleicht schmeckt der „Kindertrank“ dann ein wenig nach Kakao! Das heißt nicht viel, nur, dass auch, wer sich kritisch gibt, mit seinen „Spässchen“ ein wenig hilft, den Ernst der Lage zu übertünchen. Zum Ernst gehört – leicht vereinfacht gesagt – dass „Fast-food“ Übergewicht verursachen kann und verursacht, eine Krankheit, die andere Krankheiten anlockt.

Grießklösschen stückweise zu verkaufen wär‘ doch mal eine Geschäftsidee (oder besser als Teig an der unverpackt-Theke?) –  denn diese einfache Basiszutat selbst zu machen, überfordert die meisten Hausmänner und Hausfrauen.
 

  Vieles, was wir in den Suppentopf werfen oder in die Mikrowelle stellen, kommt aus dem Frost – und wie „nachhaltig“ dieses Verfahren mit zubereiten/erhitzen/tiefkühlen/Ferntransport und-Kühlung-bloss-nicht unterbrechen/erhitzen ist, könnte mal ein Ökoinstitut oder Ernährungsministeriums-Referent vor- und nachrechnen. Wenn dann die Produkte mit wenigen Kalorien, aber auch kleinem Sättigungsfaktor daherkommen, sind zum Beispiel Aromen verarbeitet, um den Geschmack noch „hinzubügeln“, doch sagt das Sprichwort vom Apfel und dem Doktor ja nicht, dass auch Apfel-Aroma den Arzt überflüssig macht; im Endeffekt geben die „leeren Kalorien“ dem Körper nicht, was er braucht, um sein Altfett zu verbrennen: Schauen wir uns exemplarisch eine der mehr als 2000 Nestlé-Marken an, finden wir zu der Tiefkühldiät namens „Lean Cuisines“ diesen Kommentar:

To keep Lean Cuisines absurdly low on the calorie front, Nestle forgoes real food and relies on chemical flavoring and additives. These artificial flavors may help lower calorie count, but ultimately, these empty chemicals won’t provide your body with any fat-blasting nutrients that can accelerate weight loss.

(„Um Lean Cuisines kalorienarm zu halten, verzichtet Nestle auf echte Lebensmittel und setzt auf chemische Aromen und Zusatzstoffe. Diese künstlichen Aromen mögen helfen, die Kalorienzahl zu senken, aber letztendlich versorgen diese leeren Chemikalien Ihren Körper überhaupt nicht mit „fettabstoßenden“ Nährstoffen, die den Gewichtsverlust beschleunigen können.“)

Hausgemachte Erbeerspeise mit Schichtkäse, Yogghurt und Kefir, sparsam gesüßt.

 

Außerdem sorgen diese „Waffen gegen den kleinen Hunger zwischendurch“ mehr für ständige Hungergefühle als für Sättigung – unser Verständnis von einer „anständigen Mahlzeit“ ist halt uralt 😉

Heute propagiert die Nestlé-Erwerbung die Abnehm-Botschaften der früheren Jahre weniger offensichtlich; seit 2015 machen die lean-cuisine-Anzeigen „Mut“, den Selbstwert außerhalb des Sich-Wiegens zu suchen, wobei dieses „Wieg‘, worauf es ankommt“ oder „Wäge ab, …“ eigentlich eine Doppelbotschaft ist:  “weigh what matters,”

Neo-Kolonialismus, wie neulich ein Afrika-stämmiger Twitter-Kollege sich beschwerte, ist das allerdings nicht, nur eine Begleiterscheinung des Kapitalismus im Endstadium: Allerdings sind solche Diagnosen mit dem Zeug zur Fehldiagnose auch nicht sicher und  hilfreich. Findet hier die Kolonialisierung der Profiteure des Imperialismus mittels fortschreitender Entfremdung von eigenen, tradierten Reproduktionstechniken, Infantilisierung durch Fertigfutter statt, viellleicht sind diese „Diät-Produkte“ sexistisch? Wenn solche Produkte doch nur für Frauen geschaffen werden und die Werbung derart „genderorientiert“ ist…

 

Moderne Küche: Der Multicooker spielte mal wieder eine Hauptrolle beim Dämpfen, Dünsten, Einkochen.  Die Pellkartoffel dann in der Pfanne  zu transformieren ist das geringste Problem 😉

 

Fakt ist, auch mit Blick auf die Zukunft, dass „die Wirtschaft“ nicht gerade langfristig und ganzheitlich denkt, sondern auf den Gewinn von heute und morgen spekuliert und Kollateralschäden in Kauf nimmt. Wir kennen das vom Gen-Mais und der Gen-Soja, wollen über den Gesundheits-Nachteil geklonter und künstlich besamter Tiere gar nicht so genau informiert werden und bekommen, wenn die interessierten Kreise sich weiterhin durchsetzen, genmanipulierte „Nahrung“ ohne Kennzeichung, aber mit der Aussicht auf unerwartete Folgeschäden.

  • „Weniger Zucker, weniger Salz, weniger Fett in den Produkten, die die Bürger gerne mögen“, sagt die Ministerin lächelnd – und deutet beim Verweis auf die Produkte, „die die Bürger gerne mögen“, auf den Nestlé-Chef. Als Boersch dann von Nestlé erzählt, nickt Klöckner immer wieder.

Die Aufregung über ein „Werbevideo“ (Schleichwerbung) unserer Ministerin Julia Glöckner mit einem Nestlé-Manager, Marc-Aurel Boersch, ist also verschwendete Energie: Wenn „nomen est omen“ auch nur ansatzweise gilt, weiß ich auch nicht, wofür „Marc Aurel“ steht 😉

„Alle“  wollen sich einbringen, bei der „Risikobewertung“ zum Beispiel, unter dem Mäntelchen der Wissenschaftlichkeit.

Schlüsselpositionen bei EU- und Un- Gremien hat eine in der Selbstdarstellung friedliebende, gesundheitsorientierte Vereinigung eingenommen, eine „… industry lobby group that masquerades as a scientific health charity…“.

 

In Europa führt Diana Banati, „zuvor Vorsitzende des Verwaltungsrats der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA)“ die Geschäfte – zum Wohle der Mitgliedsunternehmen, zu denen unter anderem BASF, Danone, Südzucker und natürlich Nestlé gehören.

Im LobbyControl-Artikel taucht der Begriff „verdeckte Einflussnahme“ jedenfalls gefühlt häufig auf.

 

Verständnis für Julia Klöckner zu haben, heißt vielleicht, zu verstehen, dass sie mit der Förderung industriell gefertigter Nahrung keine Probleme hat: Wo soll denn daran etwas zu kritisieren sein, und war es nicht sie, die mit einem entwaffnenden Lächeln den Weltkonzern in die Kinie gezwungen hat?

Auch die SPD kennt das Motto

 

aus dem Jahr 2016; die ernährungspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion hat nichts in der Hand außer einem Papier:
Das zieht sich dahin – alles kommt einem bekannt vor, hat man hier und da schon mal gehört oder gelesen, das ist in einem undeutschen Deutsch verfasst, als PFD formatiert, mit zwei Seiten Leere und einer Seite „Vorwort“ am Anfang, wo die Köpfe die „neue“ Erkenntnis, dass es nicht um Köpfe, sondern um die Sache geht, so gar nicht beherzigen, sondern „konterkarieren“, so nannte man so etwas früher auf „Polit-Deutsch“, im Jargon oder Slang.
Inhaltlich möge eine Stichprobe genügen:
„Wir wollen kleine und mittelständische Betriebe in Landwirtschaft, Lebensmittelverarbeitung und -handwerk sowie -vermarktung erhalten und fördern. Sie generieren Wertschöpfung innerhalb regionaler Wirtschaftskreisläufe. Marktzugänge sollen erleichtert werden.“

Die Stichworte „Bundesprogramm Regionalvermarktung“ und „Regionalitäts-TÜV“ gibt es als Gratis-Zugabe, zur freien Auswahl. Man könnte das auch prägnanter formulieren, etwa:

Wir legen Wert darauf,

„… im konventionellen Bereich wie auch im Ökolandbau … Bauernhöfe statt Agrarfabriken zu … stärken und Agrarfabriken … nicht  weiter zu unterstützen.“

Die Zutaten zu dieser Formulierung stammen von der Homepage des „Bauer  Willi„;  solche Beispiele deuten darauf hin, dass agrarische Dialektik etwas Besonderes ist, und den Volksparteien nicht in den Schoß fällt.

 

Viel Käse ist auf dieser Lasagne – „regional“ ist der auch, aber nur in Holland. Das hat ökonomische Gründe, denen auch der Privathaushalt sich nicht entziehen kann; also: Kein TÜV.  Immerhin sind die geschichteten Nudeln frisch und energiesparend zubereitet; im Umweltministerium werden schon die Bleistifte gespitzt, um auszurechnen, wie viele Kilowattstunden die Zubereitung im wärmeisolierten Multicooker gegenüber der im Backofen einspart.

 

Der Gastautor Eckehard Niemann,  ehedem Pressesprecher der niedersächsischen AbL (Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft), kritisiert an anderer Stelle prägnant eine Haltung zur

„…Schweinehaltung, die vor allem ein „Tierwohl“-Siegel zur Schaffung eines begrenzten Premium-Marktsegments fordert – statt eine flächendeckende Umsetzung der EU-Schweinehaltungs-Richtlinie.“

„Fleisch, das auf den Markt kommt, darf ausschließlich von artgerecht aufgezogenen Tieren stammen, ohne wenn und aber“, möchte man meinen/verstehen. Ich hoffe ja nur, dass die Damen und Herren bei der Verordnungsformulierung (oder heißt das ausschließlich „Richtlinie“???) auch die Schweine befragt haben, oder sonstige fundierte – gerne auch ganzheitliche – Kenntnisse zur Schweinehaltung nachweisen können.

Von den Kommentaren unter dem Artikel möchte ich einen hervorheben:

„… im Ziel muß auch der Punkt Wirtschaftlichkeit definiert werden (auch der Punkt verbesserte Vermarktungsstrukturen BIO). Die lieben Kritiker werden erkennen müssen, dass es nicht darum geht, die „Großkapitalisten“ – bäuerliche Unternehmer – auszubluten, sondern sie so zu unterstützen, dass der Wandel möglich wird. Wir Bauern packen diesen Wandel an, wenn wir den Lohn für unsere Mitarbeiter, eine angemessene Betriebsentwicklung und den Lebensunterhalt für die Familie sicherstellen können.“

Hier geht es nicht um „die Landwirtschaft“, hier geht es um die Bauern – die wollen existieren und „liefern“, mit oder ohne Bio-Zertifikat, aber qualifiziert. Der Kommentar ist Angebot und Forderung – damit muss die Politik umgehen, dazu muss sie Antworten und Konsens finden.

Es gibt ja nicht die Verbraucher – sondern ein breites Spektrum. Die einen sind – zumindest verbal – qualitätsbewusst, die preisbewussten gibt es auch, manche gezwungenermaßen, manche, weil sie geizig sind – also eine bunte Bewegung.

 

Kleiner Auswahlteller mit diversen Maultaschen, Vollkornnudeln, Spinat, Pilz und Tomate. Kanditiert in der Rubrik „Hausgemacht“ bei der Klöckner-Challenge  „Fett-Salz-Zucker – freiwillig weg und Ampelfrei“ 😉

 

Nur mit jeder Menge Ignoranz lässt sich behaupten, dass alle die freie Wahl (beim Essen) haben. Mit einer entsprechenden Steuer- und Subventionsreform ließe sich immerhin mehr Qualität – etwa im Rahmen der bedingungslosen Bio-Lebensmittelgrundversorgung – auch für die, die am Essen sparen müssen, darunter mehr als eine Million „Tafel-Kunden“, realisieren und Landwirtschaft nachhaltiger gestalten.

Vorausgesetzt, dass „… die Verhinderung der Klimakatastrophe … existentiell [ist], und kein „Thema“ wie Pendlerpauschale oder Baukindergeld… “

Lassen wir diesen Satz mal unvollendet, als Gelegenheit, ihn je selbst fortzuführen. Vorausgesetzt, wir nehmen die kommende Klimakatastrophe ohne Verdrängung für wahr, haben wir viel zu tun, viel zu ändern, zu hegen und pflegen, wie auch zu klären.

 

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  • Sabrina: Schön, dass du bei der Bilanz dabei bist! Mit Spirulina und Algen zu experimentieren,...
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