Gibt es ein Gutes Leben im Gesundheitsland?

Zugegeben, diese Überschrift möchte ein winziges Bisschen provozieren – denn von einem Gesundheitsland ist „D“ totz allem Aufwand weit entfernt, wir haben zu viel von diesen „krankmachenden Pfunden“ und müssen uns vor den Bildschirm hocken, um etwas über das „gezielte Essen“ dagegen zu erfahren.

Die ernährungsmedizinische Beratung oder Schulung ist bereits zu einer  Telemedizin ohne Rückkanal verkommen, bei der der Therapeut  „Musterfälle“ präsentiert – die Fernseh-Zuschauer, die eigentlichen Klienten, müssen sich daraus einen Reim machen und selbst ihre Lehren daraus ziehen – doch wer steht für den vertrauensvollen Dialog zur Verfügung, wenn Lernen im Dialog stattfindet?

Mit „der Ernährungsberatung“ ist das so eine Sache: Fragen wie „Was darf ich, und was nicht?“ klingen ja so gar nicht nach mündigem Bürger, und die Erwartung, zum „Genussverzicht“ verpflichtet zu werden, ist nicht allzu erbaulich.

 

Es gibt kein „gesundes Übergewicht“, so die Forschung neuerdings: Das Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall ist auch bei stoffwechselgesunden Frauen mit Adipositas erhöht – und, wer heute noch gesunde Werte hat, kann morgen zu den Leidenden gehören.

Die Mär vom „gesunden Übergewicht“ lebt aber weiter, weil die These als Glaubenssache behandelt wird. Unklar ist bei aller Erforschung der durchschnittlichen Krankheitsverläufe immer noch,  wie die Adipositas besiegt werden soll und kann.

 

Abnehmen, populistisch, und ein Vortrag

Nach dem abgedroschenen Motto „Ran an den Speck“ wird in einer kleinen Aufzählung möglicher Denkfehler auch das Brot abgehandelt, genau genommen das Vollkornbrot bekommt eine Empfehlung:

Übertreiben sollte man es aber auch damit nicht. Denn es enthält etwa genauso viele Kalorien wie Weißbrot, sagt Hauner. Dennoch rät der Experte zu Vollkornbrot. „Es sättigt etwas besser“, sagt er. Der Hunger ist schneller gestillt – und er kommt auch nicht so rasch wieder.

 
Das sagen übrigens alle. Nur manche mit einem hämisch-überlegenen Unterton – der wird dann für jene, die ihn wahrnehmen, auch bei einfach gutgemeinten Ratschlägen wahrnehmbar – nur mal, um auch das zu bedenken…

 

Die Gedanken zentrieren sich aufs Brot, mit dessen „Erschaffung“ seit „Urzeiten“ die Menschheit verbunden ist – es gibt aber auch die Theorie, dass zuerst „flüssiges Brot“, also Bier, erfunden worden ist, und das Brot erst danach entwickelt wurde. Wobei der Satz von der längeren Sättigung auch für die Vollkornnudel gilt. Nach deren Marktanteil zu urteilen, legt die  Mehrheit der Esser Wert darauf, schnell wieder hungrig zu werden, möglicherweise, weil sie sich an der Mehrheit orientiert.

 

Limonadenwahn

Die Limonade ist ein Produkt der Nachkriegszeit, eine Errungenschaft der Cola-Company, die erstmals dafür gesorgt hatte, dass eine Serie von Getränken weltweit  noch bis ins letzte Dorf mit mindestens zwei Häusern vertrieben worden ist.

Was vor der Cola-Invasion an Limonade getrunken wurde, war eher unerheblich in der „guten alten Zeit“, als noch ein Krug Wasser mit ein wenig Essig als Durstlöscher erachtet wurde – wenn es heiß ist und man durstig ist, braucht man keine speziell konzipierten „Durstlöscher“, die vor lauter Zucker nur den Mund verkleben.

„Maßnahmen wie eine „Limo-Steuer“ können den Konsum von Zuckergetränken senken“, sagt  Luise Molling, Campaignerin bei foodwatch e.V..

 

Ansonsten ist die Rolle der Limos als „flüssige Krankmacher“ nicht auf Übergewicht, Diabetes und Herz-Krankheiten beschränkt, sondern die Limos sind Wegbereiter eines spezifischen Lebensstils, bei dem Konsum Glück verheißt („American Way of Life“). Die US-Limo ist nur ein Segment der US-Kultur, die wir importiert haben.

 

Die Werbung konditioniert die Konsumenten so weit, dass sie beim Anblick des Markenartikels mit der starken Signalwirkung zumindest die Spur einer Assoziation mit „Pause“ und „Glück“ empfinden – wobei die hiesigen Limonaden gar nicht so uninteressant sind und mehr oder weniger der Konkurrenz zum Bier ausgesetzt sind, das auch schon einige Stilblüten in der Werbung hatte:

So ändern sich die Zeiten – und plötzlich hat das Bier auch gar nicht mehr das Image vom „flüssigen Brot“ oder „Dickmacher“.

 

Wir alle könnten „Länger und besser leben“ – das ist so ein unterschwelliger Grundgedanke in der Prävention, der einer Zusammenarbeit zwischen Uni Bremen und Krankenkasse (Bkk24) den Namen gegeben hat, einem Institut und Kongress(en) für ein längeres Leben…

  „Die Ernährung ist der Nummer-1-Faktor für die Krankheitslast“, so Hauner. Allerdings müssten Konsumenten heute sehr stabil sein, um den Verlockungen des „heute sehr energiedichten Essens“ zu widerstehen und statt seiner zu Apfel und Karotte zu greifen. Hauner sprach in diesem Zusammenhang sogar von einer „toxischen Umwelt“. Da es zwischen Pommes frites und den guten Absichten keine Waffengleichheit gebe und da die Selbstverpflichtungen der Industrie zu nichts führten, müsse man „über die Ökonomie gehen“, wie Hauner sagte. „Wenn man über den Preis geht, zeigen sich die größten Erfolge. Wir brauchen eine Steuer für gesüßte Getränke, wie sie schon in 20 Ländern weltweit üblich ist, etwa in Chile oder England.“

In England  kommen auch internationale Markengetränke inzwischen zucker-reduziert in die Regale, denn so können die Konzerne die Zuckersteuer umgehen – wenn sie kalorienfreie Süßungsmittel zusetzen, bleibt die heftige Süßung erhalten und das Geschmacksempfinden und -Bedürfnis der Konsumenten ändert sich nur unwesentlich. Belege für eine Auswirkung auf „Übergewicht“ stehen offenbar noch aus.

Da könnte es sinnvoll sein, etwas ganz anderes zu trinken, Kvas zum Beispiel:

Aus einer Kleinstbrauerei im Taunus – Die Idee zu diesem Trank stammt aus Russland, die Farbe von roter Beete.

 

Dass Chile im Gegensatz zu den anderen genannten Staaten einen Sonderweg für die Zuckerreduktion gewählt hat, muss sich erst noch herumsprechen – da das Modell hierzulande (fast)  unbekannt ist, kann es bis auf Weiteres nicht adaptiert werden.

Die „Lebensmittelampel“ wird hierzulande schon sei gefühlten 20 Jahren gefordert, wie Zucker-Getränkesteuer-Forderung regierungsseitig abgelehnt.

Alle fordern jeweils getrennt und besonders die Regierung auf, etwas zu unternehmen – das imponiert wenig und verstärkt nicht  den Druck der Opposition außerhalb des Parlaments – die hat eine Wachstumsstörung, gedeiht einfach nicht, denn das heutige Modell: „Ich zahle einen Obolus an einen Verein, der auf Umwelt, Essen oder bessere Kultur achtet, und die machen dann schon“ funktioniert nicht, wie gedacht.

In der Natur geht es bei größeren Organismen darum, dass sie sich vernetzen: Da werden Informationen auf Mycel-Bahnen ausgetauscht, auch Nährstoffe. Die institutuonellen „Player“ aber kennen nur die Einbahnstraße.

 

Was ich auch nicht verstehen kann, ist, dass die Uni Bremen sich für ein langes Leben und Gesundheit auf einem Gebiet engagiert, das von den Problemen vor der eigenen Tür recht weit entfernt ist.

Armut  in Deutschland ist kein Mythos, sondern bittere Realität –  „… die ärmsten zehn Prozent der Haushalte haben heute geringere reale verfügbare Einkommen …  als noch in den 1990er-Jahren, bei den Markteinkommen (also ohne Transfers und Steuern) sind es sogar noch mehr, die auf der Strecke geblieben sind“. Dass Armut auch auf die Gesundheit schlägt, muss ich hier nicht ausführen.

Sicher ist es nobel, sich für einen gesunden Lebensstil der Krankenkassen-Kunden zu engagieren – aber edel wäre es auch, sich für die Kämpfer an der Gesundheits-Front einzusetzen, die „gescheite“ Arbeitsbedingungen und Lohn vermissen. Die Physiotherapeuten sind hier nur ein Beispiel.

Wenn Krankenkassen ein gesundes, jung-dynamisches Image mit den passenden Mitgliedern anstreben, verkennt das Motto „länger leben“ den tatsächlichen Pflegenotstand. Was heute als „Sofortprogramm“ daherkommt, erinnert an die Notprogramme in der Weimarer Zeit: „Verwaltetes Chaos“ und Ordnung ins Markt-Geschehen bringen sind zwei Paar Schuhe.

„In einem Rahmen von Markt und Wettbewerb, wie er durch die politischen Entscheidungen der 90er Jahre geschaffen wurde – Öffnung der Krankenhäuser für renditeorientierte Konzerne, Ersetzung der Selbstkostendeckung durch Fallpauschalen,  Schaffung einer Pflegeversicherung, bei der Pflege keine öffentliche, sondern eine an den Markt delegierte Aufgabe ist – geht es im Kern nicht um das Wohl von Patienten und von alten Menschen mit Unterstützungsbedarf. Sie sind umgekehrt Mittel zum Zweck der Generierung von Erlösen und Gewinnen.“

Da hilft sicherlich auch kein Sternmarsch in Berlin unter dem Motto „Weg mit dem Pflegenotstand“, und außerdem organisiert der sich nicht von selbst.

Die praktischen Probleme des Gesundheitssystems deuten darauf hin, dass wir eine umfassende Reform der Lebensbedingungen, besonders der Art der Ernährung, sogar des Konsums im weiteren Sinne brauchen – das geht recht weit:

Wenn wir auch noch auf den Verpackungsmüll verzichten wollen, verzichten wir am Besten auf das Verpackte: Dann gibt es keine 23 Sorten Fertig-Kartoffelsalat mehr, sondern nur noch selbst gemachten oder an der Theke in mitgebrachte Transportverpackung gefüllten.

Es gäbe in letzter Zeit auch viele Wal-Fotos – von gestrandeten Walen mit etlichen Plastiktüten im Magen. Kann sein, die sind bald alle gestrandet. Kann auch sein, dass aufgenommene Mikro-Plastikteilchen zu Entzündungen führen.

 

Wenn wir weiterhin die Zuständigen brav bitten, zu tun, wofür sie zuständig sind, werden sie weiterhin selbst definieren,  was ihre Aufgabe ist – zum Beipiel, nicht den Verbraucher zu gängeln. Das kostet Kraft…

Das ist löblich! Weil ich noch einen Abschnitt zu „Alkohol“ in Reserve habe, wage ich mal die These: Die sind sicher auf der Seite der „guten Trinker„:

„… der Alkohol trägt eben einen Januskopf: Die, die der Sehnsucht nach Rausch … nicht gewachsen sind, bekommen seine hässliche Seite zu sehen.

Für sie kann er zum Dauer-Beruhigungs- oder -Überlebensmittel werden und abhängig machen. Schleichend ist der Prozess des Kontrollverlusts über die eigenen Trinkgewohnheiten und allzu oft verheimlichen die Betroffenen ihr Leiden.

Sie sind die Verlierer der Alkoholkultur: Spätestens seit den Zeiten der Aufklärung sozial stigmatisiert als undisziplinierte „Alkis“ haben sie den Balanceakt nicht geschafft: „Ordentlich mitzufeiern“, immer offen für ein Gläschen zu sein, sich dabei aber auf der „guten“ Seite der Trinker zu halten.

Mit Zucker hat das nur indirekt zu tun: Aber ohne Zucker kein Alkohol, ohne Alkohol kein Alkohol-Spiegel. Warum hat Spiegel-Lesen für Manche etwas Berauschendes?

Sagen wir mal: Es geht auch ohne Zuckersteuer ohne, mit Hinweis auf ein Essperiment der guten, journalistischen Art (Motto: Versuch mach kluch).

 

 

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