Lebensmitteltechnologie: Frischkäsezubereitung beliebter als echter Frischkäse und andere Merkwürdigkeiten

Kürzlich hatte das ZDF eine Sendung über „Die Tricks der Lebensmittelindustrie“ ausgestrahlt:

Sebastian Lege zeigt, wie die Industrie mit Hightech-Verfahren Geld spart – und wo uns Verbrauchern Zusatzstoffe untergejubelt werden, die wir in unseren Lebensmitteln nicht erwarten.

Saftiges aus der Fruchtpresse

Dabei wurde im Schlussteil über ein, wie ich finde, sensationelles Verfahren zur Sterilisierung von Säften berichtet, bei dem kurze Stromimpulse Säfte haltbar machen, ohne dass der Geschmack durch Erhitzung beeinträchtigt wird. Es hieß, die Zellwände von Bakterien (was ist mit Viren?) würden zerstört. Wann das Verfahren marktreif ist, war allerdings auch noch nicht bekannt.

Der so beliebte „O-Saft“ ist doch frisch gepresst am Besten – und es kommt bei so einem kalorienhaltigen Getränk auch nicht auf große Mengen oder das Strecken mit Wasser und Zucker zu „Nektar“ an.

Sollte die „Elektrokonservierung“ genutzt werden, weil die Saftausbeute der so behandelten Früchte besser ist, müssten die derart hergestellten Säfte preiswerter werden 😉

Lassen wir uns überraschen – vielleicht kann auch jemand ausschließen, dass irgendwelche Unverträglichkeiten auftreten, und wechseln wir mit dem Hinweis, dass auch frische Säfte ihren Reiz haben, und eingekochter Premiumsaft (wie ihn noch Oma oder Uroma selbst gemacht hatten) derart gut, aber schier nicht erhältlich ist, dass er eine hochgradige Verdünnung verträgt.

 

Das „Frischkäsephänomen“

Um den Unterschied zwischen echtem Frischkäse und aufgehübschter Frischkäsezubereitung zu zeigen, hatte Sebastian Lege sich auf einen Bio-Bauernhof mit eigener Milchverarbeitung und -Vermarktung begeben.
Dort ging es zunächst um das Original: Die Milch wird bakteriell gesäuert, von der geronnenen Milch wird die Molke abgetrennt – fertig ist der cremige, leicht säuerliche, sahnige Genuss.

Der Fernsehmacher verkostet den Original-Frischkäse, bevor er sich an die Herstellung einer „Billigzubereitung“ begibt.
 
 

Dicke Milch, Molke, Gelatine, Verdickungsmittel, Zusatzstoffe, Gewürze und CO2 – der industrielle Aufstrich?

Molke fällt bei der (Frisch-) Käseherstellung unweigerlich an. Im kleineren Maßstab kann man sie ja noch gerne selbst trinken, könnte größere Mengen für ein Bad nutzen oder zu Molkenkäse in essbarer Form auf den Tisch bringen – das machen nur wenige.
Meistens kommt die Molke wohl in den Futtertrog, in der Tierhaltung.

Man kann sie aber auch nutzen, um mehr Volumen aus dem Frischkäse zu holen – der wird dann als „Zubereitung“ vermarktet, und die „Zubereitung“ ist kein geschützter Begriff.
Hier kommt die Gelatine ins Spiel – kostet  im industriellen Maßstab deutlich weniger als im Tortenbodenguss-Einzelpäckchen und ist in der Lage, aus Wässrigem Puddingartiges oder Cremiges zu machen. Auch Phosphat zur Konsistenzverbesserung, zur Volumenvergrößerung, könnte in Betracht kommen.

Beim Geschmackstest schließlich hatte die (billig gerührte) Zubereitung mehr Zustimmung als das Bio-Original erfahren, obendrein befanden vier von  vier Käse-Fachverkäufern das „Kunstprodukt“ für besser.

 

Labne – die probiotische Alternative

Als streichfähigen Frischkäse finde ich „Labne“ eigentlich ideal. Das ist eine nahöstliche Spezialität, die hierzulande gerne heimisch werden könnte – Yoghurt hat es ja auch in unsere Kühlregale geschafft.

Mit selbst gemachtem Kefir umzugehen, ist bald gelernt – und viel kannst Du dabei auch nicht falsch machen. Du brauchst keinen Yoghurtbereiter, noch nicht einmal ein Thermometer, keine besondere Starterkultur (vom ersten Mal mal abgesehen, dann aber sind die „Kefirknöllchen“ unsterblich) und, und, und…

kefir-Frischkäse in Salzwasser

 

Etiketten-Schwindel?

Ein besonderes Schmankerl über die Liebe zum Betrug, die Lust der Verbraucher, sich täuschen zu lassen oder auch „nur“ zur Lenkbarkeit der Konsumenten durch Zeichen und Abzeichen hatte Sebastian Lege dann noch geliefert, als er simple Gemüsechips in einer Verpackung, die hohen Wert suggerierte, zum Test anbot – neben den gleichen, nur „biliger“ verpackten Chips:

Die Täuschung gelang komplett.

Die Chips aus der frisch gebastelte Tüten für ganz hochwertige Chips – haben besser geschmeckt als die, die nicht besonders angepriesen waren – klappern gehört zum Handwerk, wer wagt, gewinnt, wer nicht klappert, hat nie Erfolg.

So ist das wohl bei jedem Geschäfts-Konzept, jeder Vermarktung: Ohne Marke, Wappen, (vergleiche Stadtwappen, Dienstsiegel, Führerschein-Design, Reisepass oder Natuionalflagge), ohne Logo und Label gibt es keine Orientierung.

Viele können mit „Ware ohne Etikett“ nichts anfangen – und das Etikett reicht nicht, es muss „Marke“ sein. Bei Essig kann jede(r)  diese Erfahrung  machen, und auch bei anderen Gelegenheiten.

 

Mit vielen Etiketten geschmückt ist die Homepage des

Rats füt nachhaltige Entwicklung

Ein ernanntes Ratgebergremium mit eigener Geschäftsstelle gibt, wie es sich für Lobbyisten gehört, auch Pressemitteilungen heraus, so zum Plastik im Haushalt. Schön und gut – aber wer hätte den Ratschlag, Leitungswasser zu trinken, noch nicht gehört, und wer hört darauf?

 

Verbraucher – „Beratung“

„Rat für xy“ – das ist auch nur ein Etikett. Es hatte ja mal ein paar Tage lang eine Räterepublik gegeben – dieser Nachhaltigkeitsrat aber ist machtlos.

Einwegflaschen auf dem Parteitag“ sind ein deutliches Zeichen für negative Vorbilder – mit denen sollte der Rat mal Klartext sprechen, nicht Otto und Ute Normalverbraucher zur Elekrogeräte-Reparatur auf eine Webseite schicken, die garnicht die versprochenen Anleitungen vorhält. Solcher Rat bedingt nur Zeitverschwendung, ist Etikettenschwindel.

In Schweden sind Reparaturen steurfrei, glaube ich – das kann helfen, muss aber von „den Gewählten“, „dem Gesetzgeber“ veranlasst werden. Dass Schuhe heutzutage nicht mehr neu besohlt werden (was früher die Norm war), liegt an einem derartigen Verlust an Qualität, dass Reparatur „nicht mehr lohnt“ oder nicht möglich ist. Ein Internet-Ratgeber

„Schuhe besohlen – selbst und zu Hause“

ist somit unnötig – und würde nicht einmal von den vorbildlichen Rats-Herren und -Damen beherzigt.

 

Nun ist den gewählten Repräsentanten nur schlecht zu raten.

Während unsereiner  vielleicht mal unbeabsichtigt 1000 Kalorien verbrennt, weil er die Pizza im Ofen vergisst, „verbrennen“ Parteien Personal und Begriffe.

Niemand wird die Schatten der Vergangenheit los, wenn man sich unter einer riesigen Führungsperson aufstellt, die für immer unerreichbar bleibt – alleine schon stimmlich, da mag die Vorsitzende so permanent heiser sein, wie will.

Niemand weiß auch, was Willys Geste bedeuten soll.

Heute würde man ihn vielleicht mit Smartphone in der nicht grüßenden, nicht beschwörenden, nie zugreifenden, aber auch nicht verteilenden Hand gießen. Morgen muss man ihn irgendwo am Rand unterbringen. Vielleicht in einer Denkmals-Sammlung. Wie viele Selfies sind an uns vorbeigegangen…

Nur selten spielen die in Berlin das Spiel „Was würde Willi dazu sagen?“
Das Denkmal antwortet nicht.

Erteilt keinen Rat – Ihn selbst fragen? Ach – sein Geist scheint in den Weiten des Universums  zu verschwinden. Ein paar Tonbänder gibt es noch mit seiner Stimme, wie mit dem Reibeisen bearbeitet, geistergleich: „Erkennt euch selbst, wagt ein bisschen Demokratie!“

Und was ist mit den lebenden Politikern? Die haben andere „Sorgen“, als die Frage nach dem „neuen“ Lebensmitteltrend, mehr Gemüse zu essen, zu beantworten.

 

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