Das Kreuz mit der Diätsünde und der Theologie
Geschrieben am 18. Mai 2008 von KPBaumgardt
"Beichtet Eure Diätsünden" – das war hier eine spontan erfolgte Aufforderung, ein "Testballon", um mal zu schauen, wie schlecht die Diätgewissen denn sind, und welche Missetaten auf diesem Sektor begangen werden.
Sünde und Schuldbewusstsein gehören zwar zusammen – werden aber offenbar verdrängt. Außerdem gibt es da ja noch die Generalamnestie (den fast kostenlosen Ablass): "Du darfst".
Nicht einmal die Kirche (hier die evangelische) nimmt die Diätsünde ernst:
Sünde
Verkehrssünder, Diätsünde – wie schade, dass der Begriff der Sünde in der säkularen Gesellschaft fast nur noch ironisch gebrochen oder im Gewand altmodischer Moral gebraucht wird.
Das Flensburger Verkehrssünden-Register als Produkt einer altertümlichen Moral?
Verkehrssünden können, im Gegensatz zur Diätsünde, ganz realdas Wohlbefinden, aber auch den "Führerschein" kosten.
Eine weitere Sünde, die die Alltagssprache nennt, ist dann noch die Umweltsünde – wer will, mag auch vom Verbrechen wider die Schöpfung sprechen. Hier ist es eine Doppelmoral, wenn die Umweltsünde "Pflanzenschutz" genannt wird und die Bienen aussterben.
Diätsünden sind "verdammt real" und nicht im mindesten ironisch, kleine Sünden vielleicht, die aber in der Summe sofort bestraft werden und sich anhäufen.
Dabei ist Sünde nicht nur ein Schlüsselwort, um die Situation des Menschen in der Welt angemessen zu verstehen. Die Menschen als Sünder zu bezeichnen, zeugt auch von einem befreienden Realismus.
So muss es wohl sein, sonst hätten wir eine Gesellschaft von Heiligen. Der Versuchung, der Verführung nicht widerstehen zu können, sich über Verbote hinwegzusetzen und verbotene Früchtchen zu naschen, ist menschlich.
Der Mensch soll seine Freiheit nicht missbrauchen, um nicht zu versumpfen, lernen, sich zu beherrschen. Und: Wo die Sünde unvermeidbar ist, steht es schlecht um die Freiheit des Menschen. Allerdings
eröffnet die Rede von der Sünde und ihrer Vergebung eine befreiende Perspektive auf den Menschen, sagt Michael Fricke, Professor für Religionspädagogik in Bamberg.
Unfähig zur Selbsterkenntnis?
Die jüdisch-christliche wie auch die bürgerliche Tradition haben uns gelehrt, dass der Einzelne Meister seiner selbst ist; dass sein Verstand die Kraft der Erkenntnis und sein Herz die Fähigkeit des Gewissens hat – aus sich selber heraus und in sich selber. Doch das sei zu optimistisch, meint der Hamburger Theologe Fulbert Steffensky. Verkannt wird die Schuld der Verblendung.
Fragt sich, wenn wir das Beispiel "Diätsünde" nehmen, wer welche Schuld hat, und wer sich selbst, wer ANDERE VERBLENDET. Wo derart die moralische Keule geschwungen wird, entsteht der Wunsch, diese Theologie abzuschaffen. Aber schon Kant sprach von der selbstverschuldeten Unmündigkeit.
Die Sünde in der geschlechtssensiblen Theologie
Das Böse stellt ein Konglomerat dar, in das Frauen wie Männer jederzeit und unausweichlich verstrickt sind, so dass sich die Rede von den Frauen als Opfer und den Männern als Tätern schlichtweg verbietet. Die katholische Theologieprofessorin Béatrice Acklin Zimmermannn
Bei der häuslichen Gewalt, die von verbaler und psychischer bis zur physichen Grausamkeit reichen kann, bedurfte es im kirchlichen Bereich also einer Feministin, um mit dem Klischee vom Mann als alleinigen Täter aufzuräumen. Der Mann als Sündenbock taucht aber immer wieder auf, zum Beispiel, wenn "schwache Frauen" Kräftiges kochen, "weil ihr Mann es doch so will".
Anpassung des Sündenkatalogs
Fehlende Erkenntnis ("Verblendung", mangelnde Aufklärung) und schicksalhafte Verstrickung in gewaltbehaftete Szenen: Beim so verfeinerten Schuldbegriff wissen auch die Fachleute nicht, was zu tun ist.
Früher einmal hatte man den Katalog der Todsünden aufgestellt, eine aktuelle Diskussion dazu gibt es am Rande. Bei den "Todsünden" ist noch an Besserung zu denken, doch sollte die Völlerei nicht isoliert betrachtet werden.
Völlerei liegt wohl vor, wenn Durchschnittsbürger über Jahre mehr essen und trinken, als sie verbrauchen.
Ein zig-faches an Energie verschwindet in Autos, die mehr verbrauchen, als man braucht, um vorwärts zu kommen. Der Sprit im Tank kommt zum wachsenden Teil von Feldern, auf denen Lebensmittel wachsen sollten, die Hungernde sättigen. Die moderne und kranke Alternative "Tank oder Teller" ist eine Sonderform der Völlerei.
Damit haben wir eine neue Dimension erreicht, die alltäglichen Diätsünden aber bleiben.
Innerhalb der Christenheit wird nicht überall gebeichtet – für Diätsünden gibt es die Möglichkeit des anonymen Geständnisses, um das Gewissen zu erleichtern, sich und Anderen Klarheit zu verschaffen und diese "kleinen, lässlichen Sünden" ans Licht zu bringen.
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