Die Einstellung der Bevölkerung zu Selbsthilfegruppen
Geschrieben am 20. Juni 2010 von KPBaumgardt
Die DAK hat unlängst Ergebnisse der “Studie Selbsthilfegruppen” mit 1001 Befragten veröffentlicht. “56 Prozent der Deutschen finden … , dass „Selbsthilfegruppen manchmal wichtiger sind als Ärzte und Psychologen“”. Das bezieht sich offenbar auf den Erfahrungsaustausch mit anderen Betroffenen bei schweren und seltenen Erkrankungen.
So
gaben fast 90 Prozent der Befragten an, dass Selbsthilfegruppen eine sinnvolle Ergänzung zur ärztlichen Behandlung seien. Dies gelte vor allem bei psychischen Problemen wie zum Beispiel Depressionen oder bei lebensbedrohlichen Erkrankungen wie Krebs. Bei chronischen Leiden wie Diabetes finden 65 Prozent den Austausch nützlich, bei Beziehungsproblemen in der Familie 58 Prozent.
Der DAK-Sprecher Jörg Bodanowitz kam sogar zu der Einschätzung, dass Selbsthilfegruppen neben der ambulanten und stationären Behandlung sowie Rehabilitationsmaßnahmen die vierte Säule im deutschen Gesundheitswesen bilden.
Dabei hat die (theoretische) Befürwortung von Selbsthilfegruppen keine große Aussagekraft, denn praktisch/faktisch sieht es so aus:
- 8 Prozent der Befragten waren bereits einmal oder befinden sich derzeit in einer Selbsthilfegruppe.
Dieser letztlich geringe Prozentsatz mag damit zusammenhängen, dass der Zuständigkeitsbereich der Selbsthilfegruppen vorwiegend bei den schweren und seltenen Erkrankungen gesehen wird, wo der Zugang zu qualifizierten Informationen eher den Betroffenen selbst gelingt, als dem Arzt, der ja nicht für alles Spezialist sein kann.
Am seltensten finden die Befragten Selbsthilfegruppen für die Bewältigung von akuten körperlichen Beschwerden, wie z.B. Rückenschmerzen sinnvoll.
Das ist verständlich: Bei Fieber denkt man auch nicht an eine Selbsthilfegruppe, sondern hofft, dass es bald wieder vorbei ist. Interessant wäre jedoch die Nachfrage gewesen: “Und wie verhält es sich bei chronischem Rückenschmerz?”
Eine andere Volkskrankheit, das Übergewicht, unter dem manche Adipöse ja auch wirklich leiden, ist in der Umfrage erst gar nicht genannt worden. Die Einstellung der Bevölkerung zur Selbsthilfe bei Übergewicht hätte mich allerdings brennend interessiert…
Woher haben die Befragten ihre Informationen?
- 63 Prozent haben aus den Medien von Selbsthilfegruppen erfahren.
- 45 Prozent haben Freunde oder Bekannte, die ihnen davon berichtet haben.
- 22 Prozent haben Informationen zu diesem Thema von ihrem Arzt
- 15 Prozent von ihrer Krankenkasse
- 9 Prozent von Selbsthilfezentren
Damit ist immerhin klar, dass sämtliche Informationskanäle noch stärker als bisher genutzt werden können.
40 Prozent lösen ihre Probleme lieber selbst und 17 Prozent geben an, nicht genau zu wissen, was in solchen Gruppen überhaupt gemacht wird.
Gut, zu wissen. Eine kurze Definition von Selbsthilfegrupen hat die DAK auch gleich mitgeliefert:
Die Selbsthilfe ist eine besondere Form des freiwilligen gesundheitsbezogenen Engagements.
Sie findet innerhalb selbst organisierter, eigenverantwortlicher Gruppen statt, in denen sich Betroffene einschließlich ihrer Angehörigen zusammenschließen.
Die Aktivitäten richten sich auf die gemeinsame Bewältigung von Krankheiten und/oder psychischen Problemen durch Gespräche mit gegenseitiger Hilfestellung. Das Themengebiet umfasst nahezu das gesamte Spektrum körperlicher Erkrankungen und Behinderungen von allergischen, asthmatischen und anderen Atemwegserkrankungen über Herz-Kreislauf- bis hin zu Tumorerkrankungen sowie Sucht und Abhängigkeit, psychischen Problemen, von denen sie – entweder selbst oder als Angehörige – betroffen sind.
Im Fall der Übergewichtigen wäre das Konzept zur Selbsthilfe m.E. jedoch noch über “Gespräche mit gegenseitiger Hilfestellung” hinaus zu erweitern, oder zumindest der Punkt “Hilfestellung” konkret auszuarbeiten. Ein “bisschen Übung” muss wohl auch in der Selbsthilfearbeit enthalten sein.
Quellen (DAK):
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