Adipositas-Selbsthilfe – wie geht das, wer hilft da wem?
Geschrieben am 9. Januar 2009 von KPBaumgardt
Die Existenz heutiger Selbsthilfegruppen ist konzeptionell eng mit der Arbeit von Michael Lukas Moeller verknüpft, dessen Bücher aber nicht mehr verlegt werden. [ Quelle ]
Mag es auch ein breites Spektrum an Selbsthilfegruppen mit über einer Million Mitgliedern geben – im Bereich Adipositas ist das Angebot nur klein. So kennt die Datenbank für hessische Selbsthilfegruppen in diesem Bereich gerade drei Gruppen (Stand 7.1.2009), davon eine im Zusammenhang mit Adipositaschirurgie.
Insofern ist die Frage „Wie gründet man eine Adipositas-Selbsthilfegruppe“ gerechtfertigt.
Die wohlfeile Antwort „Aushänge machen, Pressemitteilung(en) verschicken, Flyer verteilen, und dann Treffpunkt organisieren und mit der Arbeit beginnen“ ist sicher nicht falsch, aber der Teufel steckt im Detail: Von dem, was da kommuniziert wird, hängt möglicherweise der künftige Verlauf ab; es ist eben ein Unterschied, ob man einen chirurgischen Eingriff anstrebt:
Mit dem Tag unserer OP – egal welches Verfahren wir gewählt haben – begann für uns ein neues Leben. Wir sind auf dem besten Weg zurück in die Normalität. Viele Krankheiten welche uns vor der OP geplagt haben, wie z. B. Asthma, Schlafapnoe, Gicht, schmerzende Gelenke, Diabetes, Bluthochdruck, u. v. m. verschwinden so, wie sie einst gekommen sind [ Quelle ]
oder nicht.
Immerhin wollen die künftigen Mitglieder wissen, was sie erwartet – es wäre mehr als lächerlich, auf diese Frage keine Antwort zu haben. (Obwohl auch eine Haltung wie „Wir werden schon sehen, was passiert“ eine Möglichkeit ist, aber eher für eine Selbsterfahrungsgruppe, die kein „bestimmtes Ziel“ hat, in der es mehr ums (sich-) kennenlernen mit Hilfe Anderer geht.)
Soll da ein Club für den Austausch von kalorienarmen Rezepten gegründet werden, sollen Punkte gezählt werden, soll eine Waage im Mittelpunkt stehen, und hilft mir so eine Gruppe tatsächlich? |
Damit ist klar: Das Gruppenkonzept muss (zumindest in groben Zügen) schon vor der eigentlichen Gründung feststehen, der Begriff „Selbsthilfe“ ist derart zu klären und darzustellen, dass keine Missverständnisse entstehen, und keine falschen Erwartungen geweckt werden (die dann wieder zu Frustrationen führen).
Weitere Beiträge:
„noch keine Konzepte für Adipositas-Selbsthilfe“
(Februar 2008)
Nachtrag:
„Theoretische Gruppen“
Obwohl es (noch) so gut wie keine Selbsthilfegruppen für Adipositas gibt, schon gar nicht ein engmaschiges Netzt derselben, das überall den Betroffenen die Möglichkeit zur unkomplizierten und selbstverständlichen Teilnahme bietet, werden die Vorteile von Selbsthilfegruppen oftmals in recht blumigen Worten dargestellt:
Selbsthilfe:
Wie wirkt die Selbsthilfegruppe?Wie wirkt die Selbsthilfegruppe?
Die Erfahrung, eine/r von vielen zu sein, wirft die Frage auf, was einen selbst und die anderen eigentlich zu dem problematischen Essverhalten bewegt. Diese Frage ist der erste Schritt zur Problembewältigung und der Anfang der Selbstentwicklung. Die Gruppe bietet dabei einen großen seelischen Halt. Dabei ist es egal, ob sie/er abgenommen, sein Gewicht gehalten oder zugenommen hat.
Die Gruppe stärkt das Selbstvertrauen und spornt an, alte, eingefahrene Verhaltensweisen zugunsten neuer aufzugeben. Sie stützt diese Gehversuche auch gegen Attacken aus dem persönlichen Lebensrahmen, denn oft wollen Familie oder Freunde gar keine tiefergehende Veränderung der „gewichtigen“ oder „ungewichtigen“ Rolle der unmittelbar Betroffenen. Das Erlebnis, das es anderen Gruppenteilnehmern in vielem ähnlich geht, ermutigt zur Offenheit und gibt die Zuversicht, Verständnis zu finden. Dadurch werden Heimlichkeit und Isolation aufgehoben.
Jede/r vertritt sich in der Gruppe selbst und lernt dadurch, Verantwortung für sich zu übernehmen und Beziehungen aufzubauen, die nicht durch das Essverhalten gestört sind. Man entdeckt wieder andere Eigenschaften an sich und entwickelt neue Möglichkeiten. Es dreht sich nicht mehr alles ums Körpergewicht.
Quelle: Durch dick und dünn: Selbsthilfegruppen bei Essstörungen.
Faltblatt herausgegeben von der Nationalen Kontakt- und Informationsstelle zur Anregung und Unterstützung von Selbsthilfegruppen (NAKOS), Albrecht-Achilles-Straße 65, 10709 Berlin. Telefon: 030 / 891 40 19, Telefax: 030 / 893 40 14, eMail: nakos@gmx.de, Internet: http://www.nakos.de
[ Quelle ]
Die obige Aussage über die Wirkung von Selbsthilfegruppen klingt zwar durchaus vielversprechend, ist aber mit Vorsicht zu genießen:
Eine Aussage über die Praxis der Gruppenarbeit ist etwas anderes als eine theoretische Aussage über die Wirkungsweise einer Gruppe.
Zur Überwindung „alter, eingefahrender Verhaltensweisen“ würden wir auch gern noch ein paar praktische Beispiele sehen…
Mit beiden Punkten werden wir uns als noch zu beschäftigen haben.
Übersicht:
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[…] wohl nichts geworden, die Links funktionieren nicht, Hoffnung und Optimismus hinsichtlich “Engagement“: Mal wieder umsonst, oder wie oder […]
[…] könnte sein dass man mit der Frage, “…was einen selbst und die anderen eigentlich zu dem problematischen Essverhalten […]
[…] Erhöhung der Frustrationstoleranz” gesucht, und merkwürdigerweise wird die Frustration bei der Suche nach Selbsthilfegruppen nur sehr selten […]