Unruhige Kinder – und was getan wird, damit sie weniger zappeln

Bei manchen Meldungen kann man nur noch staunen:

Nach einer aktuellen Versichertenanalyse der Krankenkasse wurden im vergangenen Jahr 3,8 Prozent der Kinder zwischen sechs und 18 Jahren mit Psychostimulanzien (mit dem Wirkstoff Methylphenidat und Atmoxetin) gegen ADHS behandelt. Im Vergleich zu 2005 (2,5 Prozent) entspricht dies einer Steigerung von 52 Prozent.

So dass – nach dieser Pressemeldung der KKH-Allianz – grob über den Daumen geschätzt in jeder Klasse ein “hyperaktives” Kind zappelt. Das stimmt aber so auch wieder nicht, weil viele Kinder auch an Sonderschulen zusammengefasst werden, was der Konzentration auch nicht unbedingt dienlich ist.

Nun meint ein Krankenkassen- Apotheker;

„Es liegt die Vermutung nahe, dass zu viele Kinder mit den Wirkstoffen regelrecht ruhig gestellt werden sollen…”

Aber genau diese Vorgänge werden von der Krankenkasse, die ein “integriertes Versorgungskonzept” anbietet, mitgetragen: Ein standartisierter Behandlungsablauf ist vorgesehen mit

  • Indikationsstellung und Einschreibung
  • Festlegung der weiteren Diagnostik bzw. Therapie
  • Bei Bedarf Veranlassung von weiterführender Diagnostik zur Sicherung der Diagnose bei qualifizierten Netzwerkpartnern
  • Dokumentation der Diagnostikergebnisse im IV-Heft
  • Erstellung und Abstimmung eines Gesamtbehandlungsplanes durch den einschreibenden Leistungserbringer in Kooperation mit den jeweils an der Behandlung beteiligten Leistungserbringern
  • Regelmäßige Überprüfung des IV-Heftes durch den einschreibenden Leistungserbringer (alle 3 Monate)
  • Mindestens halbjährliche Überprüfung und Anpassung des Behandlungsplanes und der -ziele
  • Psychoedukation und Training der Erziehungsberechtigten und engen Bezugspersonen

Tatsächlich findet sich auch noch diese Zeile:

  • Bei Bedarf Einbeziehung von pädagogischen und sozialen Diensten

Wir sehen, bei der Krankenkasse wird vorwiegend medizinisch orientiert gedacht und gehandelt. Der Arzt ist unerlässlich, der zusätzlich (einzel-) betreuende Pädagoge wird gegebenenfalls hinzugezogen, also in Ausnahmefällen.

Das Aufmerksamkeitsdefizit haben nicht nur Kinder, sondern auch Institutionen: Bei einem verengten Blickwickel ist das kein Wunder.

Eine “richtige” Diskussion über ADHS zeigt, wie vielfältig und verwirrend die Problematik tatsächlich ist. Und, dass es auch ganz ohne Medikamente geht.

Noch eine kleine Randbemerkung: Da es ja ein Medikament gibt, ist der Nachweis einer möglichen ADHS-Diät bisher anscheinend unterblieben. Die Rolle von Phosphat und Glutamat in den Lebensmitteln wird immer mal wieder behauptet -  es könnte aber auch ein Holzweg sein,  diesen Aspekt in den Vordergrund zu stellen.

Dass (angeleitete) Bewegung hilft, dürfte empirisch belegt sein. Die wird aber nicht im nötigen Maße verschrieben. Therapeutisches Reiten ist zum Beispiel eine Intervention, die, wenn auch hilfreich, keine Standartbehandlung sein soll.

Die Institutionen reagieren unflexibel, bei dem unzureichenden  schulischen Angebot werden Kinder unnötig zu Kranken “gestempelt”, die “Gesundheitskosten” erhöht, es scheint ein Systemfehler zu sein. Der Großteil der Lehrerschaft ist nicht nur an diesem Punkt unsensibel: Berufliche Deformation und defensive Rollenverhaftung herrschen vor, Lehrer sind privilegiert, aber wenig anerkannt – und, von Ausnahmen abgesehen,  in diesen speziellen Fragen nicht ausgebildet, also inkompetent.

Ebenso verwirrend ist die Lage bei anderen Störungen, Lese-Rechtschreibschwäche etwa oder Dyskalkulie, deren Behandlung zum Langzeitprojekt werden kann und in Programmen, die selten am Kind selbst orientiert sind, teils bei “den letzten Scharlatanen” stattfindet.

Mehr Phantasie und Beweglichkeit ist gefragt:

adhs+Übergewicht drums alive

hat gerade eine Suchanfrage gelautet: Da hat doch jemand nachgedacht. Die “Nachfrage” stimmt also, nur das Behandlungsangebot lässt zu wünschen übrig. Hier könnte eine wohlorganisierte, aktive Selbsthilfe-Struktur einiges bewirken.

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