Freie Diät (10) Hochgenuss und Verzicht

Edutainment“ – sozusagen Belehrung mit Unterhaltungswert können wir auch aus der historischen Perspektive betrachten, zum Beispiel in einem Lehrfilm, der 1957 bei der BBC entstanden war: „Der Spaghettibaum„.  Das war die Zeit, als die Pasta so langsam auf der Insel bekannt wurde – das Märchen von den Spaghettiwäldern, die nur noch fachgerecht abgeerntet werden müssten, hat sich jedenfalls nicht im kollektiven Unbewussten eingenistet.

Indem die Pasta den Rang von Grundnahrungsmitteln erlangten, zeigten sie den Übergang in neue Zeiten an – wo sich Neues etabliert, wird (aber) Altes überflüssig, und alte Gewohnheiten wie fish & chips müssen wegen Überfischung weichen.

Außerdem ist frittiertes Essen ist nicht so ganz das Ideale für Diätbewusste, selbst, wenn man mal auf Gemüse verzichten kann, bleibt doch bei dreierlei Super-Dooper-Extrasaucen kein geschmacklicher Eindruck vom Fisch, der hier eigentlich verzehrt wird. Das Essensangebot stellt häufig eine Erinnerung an die Vergangenheit, eine Reminiszenz, die die jeweilige(n) Wahrnehmung und Vorlieben bestimmt.

 Ja, aber diese übergroße Lust, Sehnsucht, oder neudeutsch: Das Craving!

Eigentlich wirken bei so einigen Nahrungsangeboten Anklänge an geschmackliche Sensationen der Vergangenheit und die Erwartung, diese in der Gegenwart wiederholen zu können, so in meinem Fall bei der Blutwurstpfanne.

Es gibt gewisse Traditions-Rezepte, bei denen ungewünschtes Verhalten wiedererweckt wird – was soll man aber auch mit der Blutwurst, die hier nicht zu sehen ist, aber übrig bleibt, auch machen, wie sich gegen den heimlichen Befehl „In Scheiben schneiden und naschend aufessen“ verwehren?

Nicht zufällig hat das Thema „Gewohnheiten akzeptieren und Gewohnheiten ändern…“ hier gewissermassen ein eigenes Hausrecht.

„Wenn Sie aber auf so etwas so eine starke Lust verspüren, ist es doch sinnvoll, der in kontrollierter Weise nachzugeben, statt durch den Verzicht die Esslust noch weiter zu steigern, bevor diese sich dann doch und sogar exzessiv ihren Weg bahnt!“

So einen scheinbar empathischen Rat bekam ich neulich zu hören – und auch der muss überwunden werden. Unter Overcome Cravings findet sich diese Sichtweise:

„Der Heißhunger erreicht normalerweise in den ersten Wochen Ihrer Diät seinen Höhepunkt. Sobald Sie den Verzehr der Nahrungsmittel, nach denen Sie Heißhunger haben, einschränken oder einstellen, wird Ihr Verlangen nach diesen Nahrungsmitteln deutlich abnehmen. … Um die Intensität abzuschwächen und die Häufigkeit des Heißhungers zu reduzieren, müssen Sie ihm jedoch nicht mehr nachgeben. … Je öfter Sie Ihr Verlangen aussitzen, desto weniger intensiv und seltener wird es in Zukunft sein.“

Der Vergleich mit Dämmen und Dammbrüchen bietet sich hier leider an: Aus „ein bisschen Dammbruch“ entsteht meist „ein bisschen mehr Dammbruch“, nicht aber der spontan selbstgeheilte Dammbruch.

Kulinarische Verlockungen gehören fraglos zur Kultur – doch „Man kann es treiben und/oder übertreiben“, wo der Völlerei quasi im „Fresstempel“ gehuldigt wird, ist der Gedanke, dass Religion Opium für das Volk sei, angebracht.

Unmäßigkeit im Oralen zeigt sich in vielerlei Symptomen: Sie ist abzulesen an der zunehmenden Adipositas-Häufigkeit, aDie n epidemisch verbreiteten Essstörungen, an den Suchtstatistiken. Sie wird aber auch erkennbar in der obsessiven Beschäftigung mit allem, was das Essen betrifft, etwa mit der Invasion der Fernsehköche oder der Suche nach immer neuen Gaumenkitzeln und „exklusiven“ Genüssen.

Der Klacks (Pflanzen-) Sahne hier, ein geschmackverstärkender Kniff dort, und ein paar zubereitungstechnische Kunstgriffe können dazu führen, dass schon ein kleiner Aufwand ein Urteil wie

"So gut, dass es zur Sucht führe könnte"

rechtfertigt.

Ein kleiner Rückfall, oder psycho-deutsch „eine gewisse Regression“ ist wohl mit jedem Genuss verbunden; das ist abzugrenzen von unerwünschter Genusssucht.

Nur mal als Kalauer: Wenn das Essen aussieht wie gemalt, überschneiden sich Mahlzeit und Malzeit 😉 !

Kommen wir von der rxperimentellen Pilzsuppe mit Bandnudeln zum Fingerfood:

Dieses Foto soll verdeutlichen, dass „vegan“ keine Hexerei ist. Beim Schnittchen oben rechts gab es neben Zwiebel und Tomate einen Soja-Aufstrich, dessen Herstellung ich für „eingetragene Fressnet-Fans“ gerne erkläre, aber mal nicht gratis, in Analogie zu den Perlen, mit denen man Schweine füttert.

Noch ein Kaffeetassen-Foto zum Abschluss…

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  • Sabrina: Schön, dass du bei der Bilanz dabei bist! Mit Spirulina und Algen zu experimentieren,...
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