Achtsamkeit, Aufmerksamkeit, Abnehmen und Aufklärung
Geschrieben am 19. Januar 2024 von KPBaumgardt
Es wird strategische Gründe haben, wenn der Volksphilosoph Gert Scobel mit medialem Dauerfeuer erklärt, woher der Hype um Meditation und Achtsamkeit wohl komme.
Achtsamkeit funktioniert fast immer, aber nie ewig, sie kann mit „Neue Auf-Klärung zwischen Wissenschaft, Bewusstseinskultur und transformativem Handeln“ vermischt und vorgetragen werden, das ist zeitweilig ein Zeitvertreib, manchmal unterhaltsam und begegnet gegebenenfalls der Langeweile.
Warum die „Achtsamkeit“ beim Rennen der sittlichen Tugenden die „Aufmerksamkeit“ so sehr überholt hat, wie sie das hat – das wissen die Götter, von denen ist so Einiges zu hören: Griechische Sagen | Über Menschen, Götter und Heroen (Hörbuch)
Ob wir an Götter im Olymp oder sonstwo, oder an den EINEN allzuständigen, wissenden Gott glauben wollen, sagt uns ja niemand, doch
„Götter sind uns nützlich, und da es nützt, wollen wir glauben, dass es sie gibt. Ovid“
Es gibt diese Stelle in der Liebsdichtung des OVID, wo er sinngemäß sagt, Venus habe ihm die Schreibfeder geführt, so dass er sich auf sie berufen könne – ein kleiner „Zauberrtrick“, ein wenig Geflunker, aber die Elemente der Dichtuung werden sichtbarer, wenn man die Proportionen verschiebt, und so konnte Odysseus heldisch handeln, menschlich empfinden und für die Aufklärung als prototypischer Weltbürger, „Kapitalist“ gelten.
Dass die Ceres den Auftrag erteilt, Sie und ihre Gaben zu rühmen, ist hiermit auch gesagt und befolgt – die archaische Spirale von Ackerbau und Nahrung wird noch heute dargereicht:
In den antiken Gesellschaften/Religionen wurde unter Anderem für das Führen des Kalenders und die Ermittlung der Saat- und Erntezeitspannen ein hoher, von „den Göttern“ geforderter Aufwand betrieben: Das ist ein Aspekt des Gedankens, dass schon Mythologie Aufklärung beinhaltet hat.
Gleichzeitig hatte die Mythologie von damals die Sinnfrage auch bei den ach so unvermeidbaren Kriegen und Kriegsanlässen noch zugelassen; heute kommt es auf Sinn oder Unsinn nicht mehr an, sondern auf Kommerz, Profit und den Zehntelcent mehr pro Kilo Lebensmittel.
Das „Eingedenken der Natur“ fällt aus, aber Umweltkrise, Gesundheitskrise, Energie- und Rohstoffkrise „boomen“, während es mit der „Entsorgung“ nirgends so richtig funktioniert, die Menschen sind sich und ihren Mitmenschen entfremdet, rufen bestenfalls nach „mehr Bildung, mehr Aufklärung“, weil das doch von Emmanuel Kant so nett gesagt worden ist, mit dem Ausgang aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit.
Es gibt aber kollektive Formen des Denkens, die mit gegenseitiger Identifikation zu tun haben, die dazu führen, dass einer allein nicht den Ausgang findet, wobei dieses Tor auch wegen der Besonderheit des Schlosses nur von einer Gruppe zu öffnen ist.
Pope Francis – @Pontifex – sieht das ähnlich:
The #WordOfGod invites us not to close ourselves off or think that we can do it alone, but to grow together. Let us listen to each other, talk together, and support one another. #ChristianUnity
Der Papst beruft sich auf „Gott“ und auf Gottes Einladung, uns nicht selbst auszuschließen , aus der Meinung oder Laune heraus, dass wir es allein schaffen können. Die Alternative ist, zusammen, gemeinsam zu wachsen: „Lasst uns einander zuhören, miteinander reden, uns gegenseitig unterstützen.“
Wahrnehmen und wahrgenommen-werden sind Austausch, sind Geben und nehmen. Achtsamkeit oder „Mindfulness“, Aufmerksamkeit und Beachtung sind lebenswichtig. „Mindful Awareness“ ist vielleicht Praxis, vielleicht Wortspiel. Das „Eingedenken der Natur“ war nie so ganz im Trend, wäre etwas für Fortgeschrittene oder Naturtalente.
Die gezeigte Nudelrolle gab es schon letzte Woche in einer anderen Variante – hier mit leicht gesalzenem, gedämpften Chinakohl und einer Spur Hanföl. Studien zu veganer Ernährung tauchen immer mal auf, und wenn viele Zwillinge austesten, was bei verschiedenen „Diätformen“ resultiert, wird das kaum noch an Aussagekraft zu überbieten sein.
Aufmerksamkeit gehört ja mit Betragen, Ordnung, Fleiß zu einer alten, abgesetzten Klasse von Anforderungen, deren Erfüllung schnell benotet, aber kaum zu beeinflussen war, es sei denn, es hätte sich um 1 begnadete/n Lehrer/in gehandelt. Niemand wird aber Achtsamkeit der Benotung bedürftig empfinden; bei der Aufmerksamkeit differenzieren wir stärker als bei ihrem Pendant, etwa zwischen freischwebender Aufmerksamkeit (die wird von Unbeteiligten gern als „herumsitzen und Nichtstun“ geschimpft) und selektiver Aufmerksamkeit.
Kritische Aufmerksamkeit empfiehlt sich beispielsweise, wenn beim „ICH-nehme-ab“ genannten Programm die Stiftung Warentest befindet, das 12-Schritte-Programm böte gute Chancen für den anhaltenden Abnehmerfolg – die entsprechende Entschlossenheit vorausgesetzt.
Wir müssten dann nur noch die Bedingungen der (gewollten?) – „vorausgesetzten“ Entschlossenheit klären, aber auch, ob die in jedem Fall eine Kraft ist, die Gutes schafft.
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