Bienenrevolution, Klöckner als Bittstellerin, Vielfalt entspannt
Geschrieben am 23. Februar 2019 von KPBaumgardt
So eine Bienenrevolution wie die, die in Bayern das Land umstürzt (so sie denn stattfindet), hat die Welt noch nicht gesehen – sie hat auch beim Artensterben fleißig weggeschaut:
„Über 70 Prozent der Tagfalterarten sind verschwunden und in den vergangenen drei Jahrzehnten nahezu drei Viertel aller Fluginsekten,“ erläutert Andreas Segerer, Entomologe an der Zoologischen Staatssammlung und einer der wissenschaftlichen Berater des Volksbegehrens.
Vielleicht hat Mensch sich auch durch seine eigenen Schöpfungen täuschen lassen – wann immer eine neue Autogattung – Allrad, SUV, Crossover, Wankel-Motor, Turbodiesel auf dem Markt auftauchte, konnte kein Mensch an ein Artensterben glauben, jedes Facelifting hielt Kunde für einen Fortsprung der Evolution, und der Naturschutz schien den Fortschritt zu bedrohen, wenn (un-) geschützte Feuchtgebiete den Trassenbau verhinderten oder verteuerten.
© CC BY-SA 4.0 (Polizei Stralsund) Wir sehen: Es gibt keine Autobahn im Einklang mit der Natur, wenn die Natur Sand und Moor als Boden bereithält. Eine Schwebebahn wäre hier viel sinnvoller als eine Autobahn, und wie die alten Römer es schafften, das Imperium mit einem funktionierendem Straßensystem zu überziehen, können heutige Verkehrsminister nicht wissen.
Der Bedarf an Verkehrsinfrastruktur wird mit fragwürdigen Faustformeln ermittelt – von Laien und ergebnisorientiert:
„… Katharina Schulze, die sympathische Grünenfraktionsvorsitzende aus Bayern, hat übers Jahr so viele Flugmeilen angesammelt, dass man mit einem Flugstopp eine ganze Landebahn hätte einsparen können.“
Was nicht ist, kann ja noch werden, mag Frau Schulze sich in ihrer Aufgabenplanung doch den Flughafen-Rückbau notieren; einstweilen stellt sie sich der Kritik an ihrem Zugvogel-Dasein nicht, da sie zunächst die konfliktgeladene Kernfrage „Schweig‘ ich eher, oder sag ich nichts dazu?“ beantwortet sehen möchte.
Das Tellerchen Dinkelvollkornspiralnudeln mit Räucherlachs, Sahnesauce und Radiccio mag – wegen des wirklich sehr geringen Anteils an Fisch – enorm ökokorrekt sein; von lokaler Ernährung kann bei Fernstreckenflügen keinesfalls die Rede sein.
Die Ressourcenverschwendung, die mit dem Flugverkehr einhergeht, bleibt nicht ohne Folgen – wenn auch Super-Sonderpreise für 12-stündige Flüge nicht gleich an die Klimafolgen denken lassen. Auch kann ein „Framing“ wie das vom „ökologischen Fußabdruck einer Flugmango“ nicht an vorhandene logische Denkstrukturen anknüpfen – eine Mango hat keine Füße, der Mensch keine Flügel und damit basta: Das beste Eis, die reinste Gebirgsluft gibt es immer im ausländisachen Kontinent, dann muss frau und man auch dahin, so viel Freiheit muss schon sein.
Auch ist Eis, das in der Eisdiele gekauft wird, keines, das weggeworfen wird, obwohl das Mindesthaltbarkeitsdatum „abgelaufen“ ist.
Merke: Flug-Eis ist öko! Grün verhält sich, wer das süße Frosterzeugnis selbst abholt. Aber bitte freiwillig!
Die Ernährungsministerin lehnt also Gesetze ab und setzt auf Freiwilligkeit, unterstreicht dies, aus Sicht des bestallten Extra-3- Komikers jedenfalls, mit schmachtenden, herzerweichenden Bitten. Diese eiserne Lady, Inhaberin des Ordens wider den tierischen Ernst, hat es auch mit der Abschaffung der schmerzhaften Kastration sowie der Hähnchenschredderei nicht eilig, findet Pflanzenvernichtungsspray im „Einzelfall“ unverzichtbar, verursacht vermutlich nur ganz wenige Lebensmittel-Tonnenfüllungen pro Monat und überhaupt – die Liste ist eigentlich zu lang.An die Endverbraucher richtet sich die Kampagne „Zu gut für die Tonne“ – das kommt bei sparsamen Menschen gut an, doch wenn mehr Kunden sparsam wählen und rabattierte, dem Verfallssdatum nahe Lebensmittel bevorzugen, gibt es eine ungesunde Konkurrenz unter der Kundschaft, Konflikte, Stress und Magengeschwüre.
Ansonsten ist eine Kampagne kein Konzept, und ob der Verbraucher, der Handel, die Gastronomie oder auch der Hersteller die Lebensmittel wegwirft, ist relativ gleichgültig. Die Kosten der Millionen-Euro-Kampagne wären anderenorts (zum Teil auch hier) besser investiert – während die Überproduktion die eigentliche Ursache der Wegwerferei ist.
Was auf den Teller kommt, verdient gelegentlich einen genaueren Blick. Wo ist hier eigentlich das „volle Korn“? Wo ist das Vollkorn, wie hoch ist der Vollkornanteil insgesamt, bei der Volksernährung? Darf ich abgekühlte Vollkornnudeln wieder aufwärmen, und „Was Tun“, wenn die Stärke resistent wird?„… Stärke, die vom menschlichen Körper nicht verdaut werden kann und die daher wie Ballaststoffe wirken. Sie füllen den Magen, stillen das Bedürfnis nach Stärke, das viele von uns verspüren und helfen trotzdem beim Abnehmen. Resistente Stärke entsteht, wenn Kartoffeln oder Nudeln einmal gekocht und über Nacht in den Kühlschrank gestellt werden. Dabei sollen die Lebensmittel langsam erhitzt werden.“
Daneben ist das Thema „Ballaststoffe in der Ernährung“ völlig „unterbeachtet“ – gemessen an seiner angeblichen Wichtigkeit. Niemand sagt es laut: Salat hat keine nennenswerten Ballaststoffe, niemand isst Kleie in einem Ausmaß, dass die Ballaststoffzufuhr den Empfehlungen entspricht, niemand, der Ballaststoffe empfiehlt, wird handelnd tätig, um den Empfehlungen zu einem Erfolg in der Praxis zu verhelfen:
Die Pasta-Regale sprechen Bände, der Kult um die „zarten“ Nudeln wird eher gefördert als eingeschränkt.
Dass sowohl „Kleie-Flocken“ (was das ist, sagt niemand) als auch Schwarzwurzeln rund 18 Gramm /100 enthalten, sagt auch niemand, und wie Schwarzwurzeln zubereitet werden können, auch nicht.
Wenn Lebensmittel auf dem Müll landen, ist das eigentlich eine Folge verkehrter Tierhaltung: Von Natur aus ist zum Beispiel das Huhn kein Kraftfutterfresser, sondern ein Allesfresser, Schweinen kann man auch Nahrungsmittel in den „Schweinefraß“ geben, die im Handel schlechter als „zweite Wahl“ abschneiden.
Es gab Zeiten, als die (Klein-) Bauern ihre Kartoffelernte manuell aussortiert hatten – in „Kartoffeln für den Verkauf an Dritte“, „Kartoffeln für den Eigenbedarf“ und „Kartoffeln für die Säu“.
Sprachlich ist uns diese Praxis indirekt noch in der Redewendung „Perlen vor die Säue werfen“ präsent.
Die Vielfalt auf dem Teller soll auch optisch dargestellt sein – so musste ich bereits Fotographiertes nochmals aufnehmen, nämlich mitsamt grünem Schnittlauch. „Stete Übung höhlt den Stein“ – oder so ähnlich 😉Greta Thunberg hat bei Twitter auf einen Artikel der New York Times hingewiesen, der ihre Mission nachzeichnet, Greta – soweit das in einem Presseerzeugnis machbar ist – einigermaßen einfühlsam als Person vorstellt – und als Kassandra von heute, was hoffentlich eine Fehleinschätzung ist:
Kassandra ist ja die mythologische Figur der Prophetin, die kommendes Unheil verkündet, deren Vorhersagen aber nicht Anlass zu klugem Handeln werden – gute Gründe, das trojanische Pferd mit den darin versteckten Feinden in die Stadt zu holen, gab es ja keine.
Bei den Kommentaren findet sich diesmal weniger Hohn und Häme, sondern mehr an erwachsenen Bekenntnissen, etwas fürs Klima tun zu wollen, der erste auf Deutsch verfasste Kommentar hat gelautet:
Geht gar nicht: Leben genießen, Planet abfrühstücken und jungen Menschen bei
#Klimastreiks vor dem Fernseher vom Sofa aus zuschauen. Jetzt aktiv werden – in jeder Generation / in jedem Alter!#ClimateChange geht uns alle an.
Die Tweet-Verfasserin, Myriam Gellner, ist Sprecherin des Grünen Kreisverbands Wetterau, also in meiner alten Heimat, und so kam mir spontan die Idee, die Schaffung einer klimaneutralen Wetterau mit steigenden Feldlerchen- und Hamsterpopulationen anzuregen. Die Wetterau als giftfreies Paradies für Bienen und andere Insekten, als blühende Landschaft mit Vogelschutzgehölzen und Amphibienteichen – machbar ist das ja. Dass hier die Kelten nicht mehr sind, sollte auch ein Warnzeichen sein: Keine Kultur ist unvergänglich.
Es reicht eben nicht, ein „… starkes Zeichen für echten Klimaschutz“ setzen zu wollen. Um unsere (und hier ist das „Wir“ angebracht, denn wir sitzen alle im gleichen Boot) Zukunft auch nur halbwegs zu sichern, müssen wir zusammenarbeiten. Kommunizieren. Nicht Parteibeitrittsformularen zum Selbst-Ausfüllen verteilen, sondern kommunizieren. Neugierig und vorurteilfrei miteinander reden, gell?
Beim Gewicht-Abnehmen ist die Situation ähnlich: Es „nur“ zu wollen, reicht nicht. Die Medien erzählen viel darüber, wie es funktioniere.
„Der stern titelte auf seiner Nummer 3/2019 “So geht schlank – Entspannt essen: Wir sagen, was.” War der traditionelle Diät-Titel zum Jahresbeginn einst noch eins der meistverkauften stern-Hefte des gesamten Jahres, gilt das nun auch nicht mehr…“ So geht sie dahin, unsere Diäten-Kultur – „Schlank werden durch das universalzeitschriftlich empfohlene Essen“ zieht nicht mehr, kennen wir schon, wird nichts.
Wenn wir auch nicht genau wissen, was die Illustrierte zum wiederholten Mal zu Essen empfiehlt, ob das exotische oder heimische Superfoods sind, ob pflanzliche oder tierische Bestandteile überwiegen: Wenn schon der Titel „Belehrung“ verspricht, haben die Leser keine gesteigerte Kauflust.
Die Artenvielfalt ist die eigentliche Voraussetzung der Geschmacksvielfalt.
Und „entspanntes Essen“ ist eine weitere Voraussetzung, wenn es so schmecken soll, dass niemand mehr das Bedürfnis hat, sich für seine Disziplin mit sinnlosen Naschereien belohnen zu sollen. Entspannung hat auch psychosoziale Voreaussetzungen, ein gesundes Umfeld unter Freunden und in der Familie – diese „Weisheit“ – eigentlich allgemein bekannte Wahrheit – wäre, selbst gedruckt in einer Zeitschrift, Gold wert.
Diese Mahlzeit mit rustkalen Vollkornnudeln aus frischgemahlenem Weizen, Hirse und Linsen (mit Ei), Tomaten und Käse entspricht vom Anteil tierischer Bestandteile her vielleicht noch der Diät, die für einen gesunden Planeten empfohlen wird.
Das „Diätproblem“ ist also schwierig, doch nicht unlösbar. Also ungefähr so schwierig, wie der Klimaschutz – das schauen wir uns dann mal genauer an, meinetwegen am hessischen Beispiel.
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