Von Gummibärchen über Kinder- und Jugendarbeit zur globalen Gerechtigkeit

Hans Riegel, Bonn: Der Gründer des Süßwarenkonzerns Haribo ist vielleicht nicht so bekannt wie seine Marke, Gummibärchen sind vielleicht nicht so gesund wie „Fruchtleder„, aber in der Herstellung günstiger, und vor allem: Man kann sie ganzjährig produzieren, und sie sind „länger haltbar“.

Man stellt sie auch in verschiedenen Farben her – Gerüchten zufolge hat jede Farbe ihren eigenen Geschmack, die unterschiedlichen Farben machen es möglich, sie vielfältig zu verwenden: Als Orakel sogar, wenn das auch mit virtuellen Gummibärchen funktioniert.

Der Konzern mit rund 7000 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von zwei Milliarden Euro wirbt mit dem bekannten „Haribo macht Kinder froh – und Erwachsne ebenso“, bei der ARD lief kürzlich im WDR- „Markencheck“ eine Reportage, die den einen oder anderen Hintergrund aufdecken wollte.

Da wurde über den Zuckergehalt aufgeklärt, der Gehalt an natürlichem Aroma genannt, die Herkunft von Gelatine gezeigt, und auch die Herkunft und Herstellungsweise des Gummibärchen-Überzugs aus einem sehr speziellen Wachs in brasilianischen Plantagen war zu sehen.

Neuere Forschungen und Beobachtungen haben ergeben, dass Gummibärchen ein kollektives Bewusstsein haben und danach streben, die Grenzen des normalen Wachbewusstseins zu überwinden.

 

Bei einer Straßenumfrage wurde der Zuckergehalt der Tierchen als geringer eingeschätzt, als er ist, und beim Geschmackstest, in der Blindverkostung, gingen die „Markenbären“ nur als zweiter Sieger aus dem Rennen.

Bis vor kurzem hatte ich den Begriff „Wachspalme“ nicht gekannt, die Blätter dieser Palme liefern das Canaubawachs, das verhindert, dass die Gelatine-Minibärchen zusammenkleben – oder sind die Gelatine-Bärlein-Teilchen nur gewachst, damit sie schon glänzen?
Die (auch jugendlichen) Arbeiter in der Wachsherstellung arbeiten unter „… der Sklaverei ähnlichen Bedingungen“, wie die Recherchen des Filmteams ergaben, und Haribo will sich bei den Lieferanten dafür einsetzen, diese Bedingungen zu verbessern. Die unterbezahlten Arbeiter, die unter menschen-unwürdigen Bedingungen leben, mal eben von Bonn aus per Internet zu interviewen, ist leider nicht machbar, und einen Fair-Trade-Beauftragten scheint es bei Haribo weniger zu geben, dafür mehr Bedarf an strukturellen Reformen.

Dass Haribo uns und die Kinder froh macht: Daran zu rütteln, wäre in Zeiten des mangelnden Frohsinns frevelhaft, aber es muss der Hinweis erlaubt sein, dass es auch ums Lebensglück der Erntearbeiter in der Wachsproduktion, für Tierfreunde auch ums Wohlbefinden der Schweine, die Knochen und Schwarte für unser Glück beim Gelantine-Kauen geben, geht.
Wie auch immer: Die Firma bekennt sich zu ihrer Verantwortung, und, wie nicht anders zu erwarte, heißt es in einer Stellungnahme:

„Wir sind ein Unternehmen, das Kindern und Erwachsene eine Freude machen will. Die Missachtung von sozialen und ethischen Standards können und wollen wir daher nicht akzeptieren.“

 

Politisch gewollt ist ja, dass wir in einer Konsumgesellschaft leben, und so gehört das Gummibärchen zur Belohnung, Essen zum Genuss, das Trinken zum Entspannen – all das möglichst intensiv und bewusst:

„Wenn einem so viel Gutes widerfährt, das ist schon einen Asbach-Uralt wert“.

 

Nun, die Zeiten haben sich geändert, gesundheitsbewusste Verbraucher kochen sich schon mal einen Feierabend-Tee, der dann von Pflanzenschutzmitteln frei sein sollte und – bitteschön – nach Zahlung eines fairen Lohns für die Pflücker in der heimischen Teekanne sein Aroma und in der Folge in unserem Organismus seine wohltuende Wirkung entfalten soll.
Auch hier finden wir mehr Hinweise auf Schummeleien als auf wirkliche Fairness; seit Langem wissen wir das alles, und haben immer wieder Mühe, trotz dieses Wissens mit gutem Gewissen zu genießen, was der Weltmarkt so liefert: Der Ruf nach „Gerechtigkeit“ hatte vor ein paar Monaten, weil allzu lange nicht mehr gerufen, noch begeistert – jedoch nicht anhaltend, weil wir doch im Innersten wissen, dass wir bei Tee, Kaffee, Gummibärchen, Bananen, Wein und überhaupt längst von der globalen Ungleichheit „profitieren“, selbst, wenn wir hier unterpriviligiert sind.

Derweil setzt Martin Schulz sich im Interview für mehr Mut zur Kapitalismuskritik ein – die aber gibt es nicht zum Nulltarif, nicht ohne Widersprüche, nicht als reine Lehre, und vielleicht ist sie längst zu spät, eine zwar bittere, aber wirkungslos gewordene Medizin.
Zudem macht Kritik ohne Umwälzung nur depressiv, insofern: „Martin, mach‘ kein‘ Quatsch!“
Das Volk (also das „WIR“) hat sich (haben uns) an den Gebrauch der Ellenbogen in der Konkurrenzgesellschaft gewöhnt.
Während der lokale Zusammenhalt verloren ist, die alte Stammesgesellschaft nicht mehr funktioniert, sind kooperative Strukturen mehr Theorie als übliche Praxis.

Es hilft dabei nichts, die Zeiten am Anfang der Gesellschaft zu glorifizieren, denn „Brüderlichkeit“ muss eine späte Errungenschaft sein, ist vielleicht auch immer nur ein Wunschgedanke gewesen, wenn die Geschichte von Kain und Abel je irgendeinen Bezug zu meschlicher Wirklichkeit hatte. Oder hat. An „die reine Geschwisterliebe“ kann ich so oder so nicht glauben…

Da gibt es mehr offene als beantwortete Fragen. und auch „der Marxismus“, der historisch mal der SPD verbunden (und verfeindet?) war, hat zwar Tendenzen vorausgesehen, aber keine Lösung zu bieten.

 

Eine wissenschaftliche Analyse der gegenwärtigen Menschheitsprobleme ergibt die Diagnose: Der Klimawandel findet definitiv statt; wo er geleugnet wird, ist das der Borniertheit der Leugner zu verdanken (Borniert – engstirnig, geistig beschränkt, eingebildet, geistig beschränkt), was aber noch nichts über die Ursachen der Denk- und Intelligenzhemmung aussagt.

Ein anderer, schützender Umgang mit der Natur ist damit „vonnöten“ -eigentlich in jeder Hinsicht, was das Insektensterben (das verschlechterte Lebensbedingungen für Vögel nach sich zieht) betrifft, zunächst primär in der Landwirtschaft:

In Deutschland gibt es immer weniger Insekten. Eine neue Langzeitstudie spricht von einem massiven Insektensterben und bestätigt damit frühere Ergebnisse. Die Auswirkungen sind verheerend.

In den vergangenen 27 Jahren hat die Gesamtmasse der Insekten in Deutschland um mehr als 75 Prozent abgenommen. Das berichten Wissenschaftler im Fachmagazin „Plos One“. Die Analyse bestätigt damit erste, im Sommer vorgestellte Ergebnisse.

Ich finde, solche Meldungen haben etwas alarmierendes. Sie müssten uns eigentlich derart in Handlungsbereitschaft versetzen (und zum Handeln veranlassen) wie der Klang der Sirenen die Feuerwehr.

So, wie Landwirtschaft heute gedacht und gemacht wird, kann es auch bei aller Digitalisierung nicht weitergehen, wenn darin der ganze Fortschritt besteht. Die Bilanz der Umweltverbände:

Verkehrs-, Agrar- und Klimapolitik unter Kanzlerin Merkel ohne Weitblick

ist zweifellos richtig, nur prügelt sie auf die Falsche ein – denn was kann eine arme Langzeitkanzlerin für die Art und Weise, in der in „ihrem“ Staat mit der Natur umgegangen wird? Wenn niemand ihrem Verkehrsminister, Landwirtschaftsminister, der Umweltministerin sagt, was sie zu tun haben und die sich in Mautfragen, Subventionsproblemen und dem Drehen ihrer Däumchen verzetteln!

Immerhin handelt es sich bei all ihren Minister*innen um erwachsene Menschen, die in einem demokratischen Prozess in Amt und Würden aufgenommen worden sind, die verantwortlich und als Expert*innen ihre Ämter, wie die Verteidigung von Land und Grenzen noch im fernen Mali realisieren…

 

 

Die öffentliche und behördliche Resonanz auf die Mahnung der Umweltverbände war merkwürdig leise – eigentlich hat es kein wahrnehmbares Echo gegeben. Das heißt, die Politik ist nicht nur ohne Weitblick, sondern auch ungehörig und in der Ausführung schlampig. Es bleibt zu hoffen, dass die vier Parteien, die jetzt nach Jamaica pilgern, diese Reise zu ihrer Läuterung nutzen.

Die sogenannte Opposition möge diese Phase in unserer Gesellschaft nutzen, ihre Krallen an Sachfragen zu schärfen, statt sich in innerparteilichen Machtfragen zu verstricken.

Es gab vor kurzem den Vorwurf, das System Merkel hätte immer nur die Ideen der Anderen aufgenommen, wie ein Schwamm jegliche Flüssigkeit, die er berührt – jetzt ist die Gelegenheit günstig, sich dafür zu rächen: Etwa mit der Forderung nach einem Veggie-Day in der Berliner Betriebskantine.

„Wir fordern: Buntes Gemüse mit roten Linsen und Tofu“

– So könnte die künftige Opposition die Linie der einen Regierungs-Seite aufsaugen, und im nächsten Atemzug sich an Christlich-sozialen Lieblingsgerichten orientieren – zumindest zunächst sondieren, was die da so zu sich nehmen, außer Weißworscht mit Weißbier.

Wenn daraufhin das christliberale Lager gegen populistische Veggie-Tage polemisiert und vom Recht auf täglichen Fleischverzehr faselt, könnten die Natur- und gemeinwohlorientierten Polit-Vereine die Karte „Fleischverzehr ohne Genuss heißt nur, das Tier zu depersonalisieren und zum Energielieferanten verwursten“ ausspielen, einen öffentlichen Untersuchungsausschuss hinsichtlich „Warum gutes Essen Zeit braucht“ mit praktischem Übungsanteil installieren – gegebenenfalls außerparlamentarisch – und das Ganze philosophisch im Lichte der „Deutschen Leitgedanken“ oder auch universeller Grundwerte zur Diskussion stellen:

Zugegeben: Auch dieses Fragment Deutscher Philosophie hat Wurzeln in Griechenland und wahrscheinlich auch im Buddhismus – und verdient doch die gebührende Achtung.

Man könnte nun annehmen, der „Veganismus“ sei von einem Philosophen namens „Vegan“ erfunden, aber so einfach ist das nicht.
Der Marxismus, so war anlässlich einer Buch-Neuerscheinung neulich zu lesen, ist auch keine Erfindung von Karl Marx.

Wahr ist jedoch, dass Marx in einer Zeit dachte und publizierte, als Maschinen begannen, per Verbrennung Energie freizusetzen, was die Waren-Produktion und den Unternehmensgewinn maximierte. Die Technik schritt also fort und fort, bis…

Jetzt, wo wir uns (bald) kaum noch mit den Tücken der Verbrennungsmotoren herumschlagen müssen, wäre es doch an der Zeit, die Jugend an solche Fragen heranzuführen. Jedenfalls die Jugend, die nicht im Stress von Kinderjoga, Kindermusikschule, Nachwuchsreiten und dreisprachigem Unterricht umherrotiert. Die Frage „Warum gibt es keine „Jungen Pioniere“ mehr?“ sollte erlaubt sein, und verantwortlich, pädagogisch-demokratisch-sozial beantwortet werden.

 

Die Natur ist an allen Ecken und Enden gefährdet – den Insektenschwund, nicht aber deas Verschwinden der glaubwürdig registrierten Vögel mag man noch mangels Zählbarkeit bezweifeln –

Ach ja, und wo wir gerade beim #Insektensterben sind: In Deutschland brüten immer weniger Vögel.

So lautet gerade eine „Kurznachricht“ der Zeitschrift „Spektrum“.

 

 

 

Foto Hauptbahnhof Ffm:

  • CC BY-SA 3.0 de
  • File:Bundesarchiv B 145 Bild-F008588-0006, Frankfurt-Main, Hauptbahnhof.jpg
  • Erstellt: 23. Juli 1960

 

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