Politik – Jugend, und das Treiben der InfluencerInnen

Fangen wir mit dem Positiven an: Uns geht’s gut, sehr gut, ja, sogar super-gut!

Wer spirituell lebt, meditiert im Stillen, sagt sich dabei vielleicht ein Mantra immer wieder vor, gleichmäßig ein- und ausatmend.

Im Wahlkampf ist es nicht anders: Da sagen die herrschenden Politiker die immer gleiche Litanei auf:

Einatmen: Uns geht’s (ausatmen und dabei „GUT“ sprechen, wie der Inder das „OM“) ,
Einatmen: Zahl der Erwerbslosen (beim ausatmen: gesunken ohne Ende),
Einatmen: Das Volk- (ausatmen:) Ist mehrheitlich zufrieden.
Einatmen: Probleme – (ausatmen:) Sämtlich im Griff.
Einatmen: Wir – (ausatmen:) Sind, was wir schaffen.

Wir haben, um das nochmal zu sagen, alle Probleme im Griff, bis auf die, die wir eigentlich nur noch nicht ganz im Griff haben. Aber die machen wir schnell wieder unsichtbar, die haben ihren Platz unter dem Teppich.

Jahreszeitlich unübliche Erdrutsche gibt es eher in der Schweiz, und auch daran kann man sich gewöhnen –

schließlich brauchen wir im Winter auch den „Winterdienst“ und Überschwemmungen einzelner US-Staaten besagen längst nicht, dass wir uns von Staats wegen Gedanken machen müssten, wie das alles zusammenhängt. Über plötzliche, ungewollte Erdbewegungen denkt man ja auch erst nach, nachdem sie eingetreten sind…

 

Klimaziele – Menschheitsziele

Wenn mal jemand irgendwelche Klimaziele unterschrieben hatte, war das „unter Ausschluss der Öffentlichkeit“, jedenfalls „repäsentativ“, nicht mit Beteiligung der Stimmbürger.

Ja, uns gehts gut, aber noch brauchen wir Übergangstechniken, Braunkohle, Atom, Diesel, Nitrat-Dünger, Turbomast, Einwegverpackungen, Privatflugzeuge und Ganztagskinderkrippen. Weil wir alles haben: Ganz hervorragend gehts den Meisten von uns.

Im Zusammenhang mit „gesunder Atemluft“ hat die Politik – wenn es denn so stimmt – sich von der Automafia belügen lassen und sich nicht gewundert, dass bei aller Schdstoffarmut der Motoren doch gefährliche Giftkonzentrationen entstehen, wo in der Stadt nicht günstige Winde den Dreck in die Welt verteilen.

Uns geht es zu gut. Wenn alle SUV fahren wollen und PKW mit „persönlicher Kraft-Wagen, der so ab 200 PS oder Stundenkilometer fahrbar ist“ übersetzt wird, wäre es Zeit für ein Kanzlerinnen-Wort in der Art von

„Uns geht es zu gut. Wir wollen zu viel, fliegen zu viel, fahren zu schnell, vergeuden zu viel. Wir wollten blühende Landschaften, und haben Monokulturen gesät. Wir wollten Vernunft ernten, und haben Maßlosigkeit gesät – aber so geht das nicht. Wir haben nur eine Erde, und sägen an dem Ast, auf dem wir sitzen. Verkennen die Zeichen der Zeit, befassen uns mit Läppereien. Ich will mehr nicht die Kanzlerin der Raser sein. Oder so… „

Um so einer Lebensstil- versus Nachhaltigkeitsdebatte vorzubeugen, hat das Landwirtschaftsministerium sich eine Kampagne wider die Lebensmittelverschwendung (Klar, wir tun alles gegen Verschwendung und für die Klimaziele) ausgedacht und sie installiert:

 

„Zu gut für die Tonne“.

Der Fokus der Kampagne ist dabei eng – wo es um Lebensmittelverschwendung durch übermäßiges, Übergewicht verursachendes „Fressen“ geht, ist man nicht mehr zuständig.

Dabei könnte man doch eine freundliche Begleitkampagne mit ähnlichem Slogan parallel „schalten“:

„Zu viel für die Wampe“.

Essen (zu-) messen in freiwilliger Selbstkontrolle, damit keiner zu viel bekommt, und keiner zu wenig – wäre doch mal eine Botschaft…

 

„Zu wenig für die Tonne“

– das ist die Situation beim Bio-Abfall – knapp 5 Mio. Tonnnen werden erfasst, rund 6,5 Mio Tonnen enden im Restmüll…
Die riesige Ressourcenverschwendung lässt sich im Detail belegen:

In einer einzigen Bananenschale steckt genügend Energie, um eine 11-Watt-Lampe 34 Minuten mit Strom zu versorgen.

Wenn es jedoch im Kanzleramt, in den Ministerien, im Bundestag keine „getrennte Erfassung“ der Bananen- und Apfelschalen gibt, ist das Politiker-Bewusstsein auch von dieser Lücke im Entsorgungssystem geprägt:
Wer die Produktion von ewig strahlendem Abfall genehmigt hat, kann aber auch damit leben.

In der Müllverbrennungsanlage „entsorgen“ wir den Dreck, nicht ohne CO2 zu erzeugen, mir macht das Sorgen, kollektiv wird es verdrängt und, um bei der Bananenschale zu bleiben: Bis die mal brennt, muss recht viel Energie zugeführt werden.

Zur Praxis der Bio-Müllsammlung ist aktuell anzumerken, dass eine namhafte Supermarktkette einen spülmschinengeeigneten Bio-Mülleimer – mit Deckel – unter dem Namen „Bio-Toni“ anbietet; möge Toni seinen Weg in viele Haushalte finden, nebst einem Geschwisterchen namens „Alu-Tönnchen“.

 

„In den Netzausbau müsse man „mehr investieren als in alles andere““, heißt es

Bei der Sorge um die Zukunft fällt dann auch eher das Stichwort „Glasfaseranschluss auch der letzten Hütte“, als die Mauer um „jedermann-Probleme“ wie Gesundheit und Lebensglück: Das wird ja von der Ehe („Ehe = die gegenseitige Zärtichkeit von zwei Schleifsteinen“, John Osborne) garantiert, und die ist sicher wie die Rente. Jetzt gibt es auch, progressiver Politik sei es gedankt, mono-, bi-, multi-, zero– und quergeschlechtliche Heirat im Warenkorb der Standesämter.

 

Influencerinnen

Mit dem gläsernen Netzzugang als Grundrecht wäre wahlkampfpolitisch auch der Stichpunkt „digitale Revolution“ abgehakt, die wird von digitalen Nesthäkchen, die sich Filme nur noch bei Netflix anschauen, medial befeuert:

Die Politische Führung sucht derweil, wenn es um die Jugend und deren Stimme geht, jugendliche MeinungsführeInnen auf und lässt erst mal vorsortieren, denn „Influencer“ heißt:

Frau schminkt sich vor der Web-Cam, um der peer-group darin Nachhilfe zu geben, oder Anschauungsmaterial.

 

Influencer-Marketing

… liegt vor, wenn die Influencerin scheinbar zufälig Artikel ins Bild fügt:

Dass bei derlei You-Tube-Starvideos auch das leidige Thema „Übergewicht“ kommt, ist im Zusammenhang mit Überfluss und Überdruss unvermeidlich.

 

„30 KG ABNEHMEN TURBO TIPPS“

hat bisher fast eine Million Aufrufe, stammt von Jennifer Brinkmann, die noch eine Namenscousine hat, die mit dem netten „My video for clerasil“ bisher allerdings „nur“ dreistellige Aufrufzahlen schafft.

Beim „Clerasil“ im Titel war eine feine Ironie am Werk – hauptsächlich dient das Video dazu, einen Moment im Leben festzuhalten, hier auch, um die Freude an Körperbeherrschung und Musik ohne viele Worte auszudrücken.

Seilspringen und Laufen waren mein Geheimtipp“, erzälht die Jennifer mit fast einer Million Aufrufen im „30-Kilo-Video“ zwischen der Werbung: „… das war wie son Appetitzügler“, merkt Jenny im Einflussvideo zu einem „Eiweiß-Shake“, den sie über den grünen Klee lobt, an.

Das war vor drei Jahren, also einer digitalen Ewigkeit, und wurde mit Sprüchen wie

„oh mein Gott, ich habe gerade zum ersten mal videos von die gesehen und eigentlich kommentiere ich ja nie videos aber jetzt muss ich das einfach mal kommentieren. Du bist sooo soo eine tolle Person und gibst soo viel mut und kraft, danke !?“

bedacht.

 

Wie wir sehen, sind You-Tuber nicht das Gleiche wie You-Tuber, und Influencer, die Schleichwerbung machen, werden geduldet.

 

Mehr dazu in der TAZ, die sich in einem Interview mit der „Motivation von Bloggerinnen“ befasst.
Manchem ist das Interview unverständlich – und ein Kommentar äußert das auch noch:

Tut mir total sorry, aber meine Hippster-Translator- App für sinnloses Gebrabbel hat bei diesen Interviews total geloost. Worum geht es hier doch gleich? Eine rothaarige Frau kann genauso schön sein, wie eine blonde, weil es total auf das Innere ankommt??

Deswegen geben Fashion-Victims auch Tipps zum Schminken und Abnehmen. ….weil es ja nicht auf das Äußere ankommt?!

Dabei hat doch (fast?) jedes „Dumm Gebabbel“ seinen Sinn. Geschichten und Geschichtchen zu verbreiten („das Mitteilungsbedürfnis zu befriedigen“), Vorbild zu sein, Orientierung zu geben, Bewunderung zu finden. Die Influenzerinnen sehen sich durchaus als „Stars“ oder „Sternchen“. Die Masse sucht schon immer Orientierung beim Leitstern – das ist wohl angeboren.

„Diät“-Drinks, Lippenstift und Nagellack lassen sich, nett verpackt, gut vermarkten. Wenn die Künstlerin adrett und geschickt genug ist, kann sie auch vom eigenen Modelabel, mal so als Zukunftsperspektive, leben.

 

Noch ein Satz aus dem Interview:

„Ich promote das Äußere, aber immer auch das Innere.“

Jenny, ich bin da ganz bei Dir! Lass uns diese geistlose Warenästhetik, in der der Mensch zur Handelsware verkommt, wo nur noch Äußerlichkeiten, Fake und Aufrufzahlen zählen, wo ein Dickerchen sein Publikum belügen darf, um ins Fernsehn zu kommen, in die Tonne werfen, nutzen wir den Verstand, um die Verhälnisse zu durchleuchten, statt das „innere Leuchten“ zu promoten, denn die Vorstellung vom „Licht des Lebens“, vom Leben als (ab-)brennender Kerze, die man nicht an zwei Enden anzünden soll, haben wir doch ohnehin.

Stärken wir das Selbstbewusstsein der Mauerblümchen, die doch gern ihr Licht unter dem Scheffel hervorholen sollen.
Sicher, alle, die abnehmen wollen, träumen davon, das auch mühelos zu erreichen. Aber lass das mit den Ratschlägen, die ins Leere treffen. Bleib‘ bei der Wahrheit!

Ich weiß – oder nehme an, Du kochst nicht gerne und träumst vom definitiven Appetitzügler. Geh doch mal in einen Kochkurs,
Nimm mal Stellung zu ein paar Thesen zur Ernährung! Pack‘ den Knoblauch ins Glas!

Halte Dich an ein paar Grundsätze, genieße das Essen, und setz nie wieder Deinen Followerinnen den Floh mit dem „Eiweißshake“ ins Ohr! Die sind zwar nicht verboten – aber vielleicht kommt das noch, denn Verzicht auf kulinarischen Genuss ist Deprivation. Sinngemäß Dunkelhaft im Geschmackssektor.

Wenn Dir nichts einfällt, wenn Du kochen willst – Hier („fressnet“-Rezepte„, Portionsdiät-Rezepte) findest Du kostenlose Rezepte, die nicht dick machen:

Mach Dir doch ein Paar hessische Hamburger! Enfach nur alles zusammenstecken & fertig = selbst gemacht!

Das kannst Du auch ohne, ganz ohne schriftliches Rezept.

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