Clostridium estertheticum – Neuartiges Gammelfleisch in Zukunft häufiger?
Geschrieben am 11. Juli 2010 von KPBaumgardt
Nach Meldungen in Tageszeitungen und Radiosendungen steigt die Sorge vor einem neuerlichen Skandal um ungenießbares Fleisch. Auslöser sind Untersuchungsergebnisse des Max-Rubner-Instituts zu Fleisch, das mit dem kälteliebenden Bakterium Clostridium estertheticum kontaminiert … .
Diese Pressemeldung der “Nationalen Forschungsplattform für Zoonosen” (Zoonosen (von griechisch zoon „Lebewesen“ und nosos „Krankheit“) sind von Tier zu Mensch und von Mensch zu Tier übertragbare Infektionskrankheiten) “beruhigt” gleichzeitig mit der Einschätzung, dass
“… Erkrankungen bei Menschen, die durch Clostridium estertheticum ausgelöst werden könnten, bisher nicht bekannt [sind].
Dennoch ist das kontaminierte Fleisch zum Verzehr nicht geeignet. Das verdorbene Lebensmittel lässt sich an einer aufgeblähten Verpackung erkennen, der nach dem Öffnen übelriechende Gase entweichen.”
Allerdings handelt es sich bei Clostridium estertheticum um ein “trickreiches” Bakterium:
Es vermehrt sich in Kälte und ohne Sauerstoff: Clostridium estertheticum. Das stäbchenförmige Bakterium könne vakuumverpacktes Fleisch auch bei minus 1,5 Grad Celsius innerhalb weniger Wochen verderben, berichtet das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR/Berlin). Die dabei gebildeten, stinkenden Gase blähen die Packung auf. Daher sprechen Forscher vom «Blown Pack Spoilage». Zudem bildet der Keim Überdauerungsformen (Sporen), die sogar 100 Grad Celsius überstehen und sehr resistent gegen Reinigungsmittel sind. [Quelle]
Dabei handelt es sich möglicherweise um “eingeschleppte” Keime:
Neben C. estertheticum und C. estertheticum-like Stämmen kann auch das Wachstum von C. gasigenes auf Rindfleisch Blown Pack Spoilage bei Kühltemperaturen unter 2 °C verursachen. Die letztgenannte Spezies wurde bisher jedoch nur in Neuseeland nachgewiesen, während C. estertheticum bisher bei Fleisch aus Großbritannien, USA, Neuseeland, Südafrika, Nordamerika und Nordeuropa gefunden wurde. … Es erscheint ohnehin wenig wahrscheinlich, dass im Falle einer massiven Vermehrung solcher Organismen betroffenes Fleisch noch verzehrt wird, da die Geruchsabweichungen den Verbraucher davon abhalten werden. Allerdings wird gerade vakuumverpackte Ware häufig im Großhandel und nur selten für den Endverbraucher angeboten. Es wäre zumindest denkbar, dass solches Fleisch z.B. nach Reinigung, Umverpackung oder Verarbeitung noch in den Verkehr gelangt, wie dies mit verdorbener Ware im Zuge verschiedener Fleischskandale
schon der Fall war (Schulze et al., 2008). [Quelle]
Wenn Fleisch mit Clostridium estertheticum – mehr oder weniger – befallen wird, ist das offenbar vor allem eine Frage der hygienischen Bedingungen beim Schlachten und Verpacken. Allerdings entzieht sich Clostridium estertheticum den üblichen Regeln im Umgang mit Lebensmitteln:
C. estertheticum ist in der Lage, bei Kühltemperaturen von -1,5 bis 2 °C auf Fleisch zu wachsen und Gas zu produzieren. Aufgrund ihrer obligat anaeroben Natur sowie niedrigen Wachstumsoptima von 12 bis 15°C und der Unfähigkeit, bei über 20 °C zu wachsen, werden diese Organismen bei mikrobiologischen Routineuntersuchungen nicht erfasst. Ihr kultureller Nachweis ist sehr arbeits- und zeitaufwändig. Er erfordert strikt anaerobe Bedingungen, spezielle Nährmedien sowie lange Inkubationszeiten bei tiefen Temperaturen. Die Ergebnisse sind erst Wochen später verfügbar. [Quelle]
Eine geringe Belastung mit Clostridium estertheticum bzw. dessen Sporen kann also gegeben sein, ohne dass sie bemerkt wird – und wenn es sich stark vermehrt, wird der Verbraucher das schon riechen.
Vgl.: Seltener Keim erzeugt Gammelfleisch
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