Diät, Sinn und Unsinn und philosophisches Leben
Geschrieben am 26. April 2010 von KPBaumgardt
So jedenfalls Rebekka Reinhard im Interview bei fem.com Etwas zum Titel “Die Sinn-Diät” zu bringen, ist hier ganz klar ein “muss”. |
Philosophisch leben
Hier geht es … um die Kunst, philosophisch zu leben. Philosophisch leben heißt: Selber-Denken und -Handeln kultivieren. Neugierig sein.
Wir werden noch ein Volk von Künstlern. Ist Neugier angeboren? Ich glaube, ja. Manchmal ist sie ausgetrieben worden.
Auf Unsinn verzichten.
Drei Worte, die schon eine Entscheidungsgrundlage sein können, nebst Präzisierung: “Was ist unter Unsinn zu verstehen?”
Unangemessene Ansprüche, Schwarz-Weiß-Denken, Konkurrenzdenken, Vorurteile, Selbstverliebtheit, Gleichgültigkeit, Unzufriedenheit, Neid, Ängste, die ständige Jagd nach »Höhepunkten« – all das ist Un-Sinn.
10 Punkte, die sich vielleicht erweitern ließen. Bei “Unangemessene Ansprüche” ließe sich noch “Zu große Bescheidenheit” ergänzen; die Selbstverliebtheit (man müsste hier noch zwischen Selbstliebe und Eigenliebe unterscheiden) dürfte wohl auch als “Narzissmus” zu lesen zu sein, ist aber nicht per se Unsinn, sondern – im rechten Maß – lebensnotwendig, und unvermeidbar sowieso.
Rezepte, Verschreibungen
In diesem Buch finden Sie philosophische Rezepte für ein erfülltes, vom Un-Sinn befreites Leben. Das Wort »Rezept« geht auf lateinisch recipere = »(auf-)nehmen« zurück. Einst leiteten Ärzte ihre schriftlichen Anweisungen zu Medikamenten, die sie den Apothekern übergaben, mit »recipe!« (»nimm!«) ein. Heute steht »Rezept« nicht mehr nur für Arzneiverordnungen, sondern für Mittel aller Art, die helfen sollen, ein bestimmtes Ziel zu erreichen. Ein Erfolgsrezept soll zum Erfolg führen, ein Kochrezept zu einem Gaumenschmaus.
Freilich bleibt zu hoffen, dass mit dem Ausmisten des Unsinns auch schon der Sinn erscheint; auch die Sinnsuche kennt ihre eigene Therapieform…
Und ein philosophisches Rezept?
Als Heilmittel gegen Sorgen, Ängste und »schädliche« Leidenschaften wurde die Philosophie schon in der griechischen Antike eingesetzt. Erneuerer dieser Tradition sind heute Philosophen wie Wilhelm Schmid oder Gerd B. Achenbach. Mit der Institutionalisierung der ersten, inzwischen weltweit etablierten Philosophischen Praxis im Jahr 1981 bestimmte Achenbach den Wert der Philosophie neu. Die Philosophische Praxis (Philosophische Beratung) holt die Philosophie aus dem Elfenbeinturm der akademischen Wissenschaft. Sie macht die Philosophie für eine Gesellschaft, in der alle Lebensbereiche strengen Kriterien der Marktfähigkeit, Performance, Effizienz, Effektivität und Optimierbarkeit zu unterstehen scheinen, lebbar.
Vieleicht ist hier ein kleiner Trend beschrieben, der zum Massenphänomen kaum geeignet sein dürfte. Man hätte den Trend auch “philosophisches Coaching” nennen können.
Praktische Philosophie?
Hierzu enthält dieses Buch zahlreiche Fallbeispiele. Die Philosophische Beratung ist keine Psychotherapie – sie ist eine ressourcenorientierte, kreative Form des zwischenmenschlichen Austausches und der Selbstreflexion. Anders als ein Arzt oder Psychotherapeut – Spezialisten auf ihrem Gebiet – versteht sich der Philosophische Berater als »Generaldilettant« (Achenbach). Er will dem Ratsuchenden nicht mit feststehenden Theorien, sondern mit größtmöglicher Unvoreingenommenheit begegnen. Er betrachtet Probleme und Beschwerden nicht nur als etwas Negatives, das schnellstmöglich eliminiert werden muss. Die speziellen Probleme, die ein Mensch mit sich herumschleppt, helfen ihm immer auch, die Einmaligkeit und Einzigartigkeit dieses Menschen zu erkunden.
Die Philosophie musste sich schon immer vermarkten. Manche Philosophen haben an dieser Stelle auch schon von “Verdinglichung” gesprochen: Philosophie als Ware…
Typische Themen
Der Philosophische Berater kennt weder »Kranke« noch »Gesunde« – er sträubt sich gegen hierarchische Unterscheidungen wie gesund/krank, normal/unnormal, heilsam/heillos. In der Philosophischen Beratung gibt es keine Kranken oder Hilfsbedürftigen, nur Ratsuchende. Deshalb kann es hier auch keine »Indikationen« im medizinischen Sinn geben, allenfalls typische Themen:
Sinnfragen, Identitätskrisen, Dauerstress, Alltagsfrustrationen, Kommunikationsprobleme, Auseinandersetzung mit der eigenen Endlichkeit, Umgang mit Veränderlichem und Unabänderlichem, chronische Unzufriedenheit, chronische Langeweile, Orientierungslosigkeit …
Der richtige Aphorismus zum speziellen Problem kann durchaus wie eine Medizin wirken.
Einladung zum Weiterdenken
Die Philosophische Beratung kann und will keine Patentlösungen anbieten. Ihr Wert liegt vielmehr in inhaltlichen Anregungen. Sie will zum Weiterdenken einladen, zu neuen, bisher undenkbaren Einstellungen und Handlungsmöglichkeiten inspirieren, zu Mut und Engagement. Wer diese Beratung in Anspruch nimmt, braucht keine philosophischen Vorkenntnisse. Voraussetzung ist vielmehr der Wunsch, die eigene Situation aus neuen, umfassenderen Sichtweisen als der üblichen begreifen zu wollen. Nichtmehr wird vom Leser dieses Buches verlangt.
Wobei es sich um eine leicht verdaulich aufbereitete Philosophie handeln dürfte. Ich meine, einmal eine “kleine Geschichte der Philosophie” in den Händen gehabt zu haben: Das Buch war ungeheuer schwer 😉
Schon wieder Diät…
Die Rezepte in diesem Buch sollen Ihnen Mittel zum Perspektivenwechsel, zum Umdenken und Um-die-Ecke-Denken sein. Alles Weitere liegt in Ihren Händen. Ein Patentrezept für ein erfülltes Leben gibt es nicht. Dieses Buch empfiehlt Ihnen eine Sinn-Diät.
Unter »Diät« oder »Diätetik« versteht Hippokrates, der berühmteste Arzt der Antike, eine maßvolle Lebensgestaltung, die weit über den Bereich gesunder Ernährung hinausgeht. Diäten brauchen wir, um möglichst lange möglichst schön und jung zu bleiben
Ein Buch zu dem letzten Satz würde ich sofort kaufen.
– aber wozu brauchen wir eine Sinn-Diät ? In seinen Bemerkungen »Zur Diätetik der Sinnerwartung« schreibt der Philosoph Odo Marquard: »… wenn irgendwo Erwartung und Erfüllung divergieren, sodass Enttäuschungen, Erfüllungsdefiziterlebnisse, Mangelerfahrungen entstehen, dann gibt es niemals nur eine, sondern dann gibt es stets zwei Möglichkeiten der Erklärung: entweder nämlich ist da zu wenig Erfüllung oder es ist da zu viel Erwartung; entweder das Angebot ist zu klein oder die Nachfrage ist zu groß.«
So viel also zum Maß-Halten (bei den Erwartungen). Ist doch ganz einfach, oder? Jedenfalls ist der “Mechanismus” hier auf eine kurze Formel geschrumpft; inhaltlich geht es wohl oft um den so empfundenen Mangel an Liebe und Anerkennung, hier auch schon einmal unter der Überschrift “Mangelneurose” abgehandelt.
Die perfekte Einladung zum Bücherkauf…
…
Die Qual der Wahl?
Ich kann immer wählen, aber ich muss mir bewusst sein, dass ich, wenn ich nicht wähle, trotzdem wähle. Jean-Paul Sartre
Diesen Satz würde ich umformulieren: “Immer, wenn ich wählen kann…“
Perfektionismus bei der Generation Option
»Werde, der du bist!«, fordert Friedrich Nietzsche. Sollten wir uns angesprochen fühlen? Wir, die wir uns mit tausend Dingen gleichzeitig beschäftigen müssen? Wir sind ja schon, was wir sind. Ziemlich perfekt. Fast ganz perfekt.
»Werde noch perfekter, als du bist!« Ist es das, was Nietzsche meint? Wir sind im besten Alter, weder zu jung noch zu alt. Wir stehen mitten im Leben. Wir wissen, welche Tasten wir drücken müssen, um gleichzeitig telefonieren, Musik hören und eine Grafik erstellen zu können. Wir klicken, tippen und scrollen, bis alles perfekt ist. Perfektion ist für uns kein Ideal – es ist ein Kampf.
Nun ja. Soo verbreitet ist Perfektionismus ja nun auch wieder nicht…
Wir sagen: »Ich muss nicht alles haben.« Schließlich gehören wir zu den Privilegierten – zur Generation Option: In unserer Position, mit unserem Status und unserem Einkommen können wir wählen, was wir zu wollen haben und was nicht. Denken wir. Und suchen immer nur das Optimale: den perfekten Körper, den perfekten Partner, das perfekte Frühförderungsprogramm, die perfekte Work-Life-Balance, das perfekte DSL-Paket. Perfekt heißt für uns keineswegs: absolut vollkommen. Wir sind schließlich realistisch (nur Idealisten streben nach absoluter Vollkommenheit). Unter perfekt verstehen wir: effizient, effektiv, produktiv, schnell zu kriegen, teuer anzusehen, günstig zu haben – und mit größtmöglichem Lustgewinn ausgestattet.
Das war wohl zielgruppenorientierte Philosophie und keine Wissenschaft.
Wie die Sinn-Diät funktioniert, erschließt sich halt nicht so einfach. Die Frage: “Kann man damit abnehmen? reiche ich jetzt mal an die geneigten LeserInnen weiter…
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Abgelegt unter: diäten | 3 Kommentare »
Hi,
also ich habe ja schon von vielem gehört, jedoch noch nicht von diesem Buch. Dein Artikel ist wirklich interessant. Weiter so!
Liebe Grüße,
Mike
[…] ist dabei natürlich auch, dass die Objektliebe nicht vor lauter Selbst-Verliebtheit auf der Strecke bleibt. Aber das ist ja sicherlich schon ausführlich im “Anti-Diät-Buch” […]
[…] Reinhart hatte ja diesen Gedanken aufgegriffen und an Unsinn, der zu unterlassen ist, […]