Die Ratte, die den Kühlschrank plündert, das Frontalhirn und kindliche Lernfähigkeit
Geschrieben am 31. März 2010 von KPBaumgardt
Dass Ratten bei Zucker nicht Nein sagen können, ist bekannt, und jetzt ist auch erwiesen, dass Ratten, die die Auswahl zwischen gesunder Kost und hochkalorischer Kost haben, sich an das Futter, das süß und fettig ist, halten. Was haben wir von diesem Wissen?
In manchem Haushalt ist es schließlich auch so, dass der Kühlschrank sich morgens als geplündert erweist – das muss dann eine nachtaktive Ratte gewesen sein.
Beim Menschen gibt es zwar das Zeichen (die Geste) mit der Bedeutung “Nein” oder “Verboten”, manchmal fällt der Mensch aber zurück und benimmt sich, als gäbe es keine Verbote und keine Vernunft; und typischerweise überisst sich niemand mit rohen Möhren, sondern es handelt sich beim Fressanfall stets um eben jene “hochkalorischen Speisen”, die in dieser Form in der Natur gar nicht vorkommen: Käse, zum Beispiel, ist zwar nicht unnatürlich, aber in einem komplizierten Prozess hergestellte “konzentrierte Nahrung”, die in der Vergangenheit auch immer wertvoll und rationiert war.
Heute gibt es “Spezialitäten”, die speziell zum “Extra-Verzehr” maßgeschneidert sind – etwas “die längste Praline der Welt”, die trotz ihrer immensen Länge stets komplett aufgegessen wird. Viele “Lebensmittel” sind inzwischen so gemacht, dass man “nicht mehr damit aufhören” kann – alles, was “crunchy” ist, und wie die individuellen Vorlieben so sind…
Bei den – schließlich süchtigen – Ratten war es dann so, dass sie selbst während der Behandlung durch leichte Stromstöße nicht von ihrem Suchtmittel lassen wollten. Damit wurde die Meldung
Ratten im Schlaraffenland
möglich. Ratten sind durchaus lernfähig, die Lernfähigkeit von Kindern ist noch beeindruckender. Fette Ratten haben – im Labor, das ein Schlaraffenland simuliert – auch kein Interesse, abzunehmen.
Menschen auch nicht.
Beim Menschen darf man noch hoffen:
Realitätsprinzip und Bedürfnisaufschub
Beim Menschen ist es relativ üblich, die sofortige Bedürfnisbefriedigung zugunsten “höherer Ziele” zu verzögern, speziell bei Frauen 😉
Mittlerweile ist sogar das Gehirnareal identifiziert, das hierfür zuständig ist:
In den letzten Jahrzehnten hat die Forschung in Psychologie, Ökonomie und Zoologie gezeigt, dass die Fähigkeit zum Belohnungsaufschub ein zentraler Mechanismus ist, der es Menschen – und Tieren – erlaubt, Entscheidungen zu treffen, die längerfristig optimaler sind, als nur den unmittelbaren Nutzen zu maximieren. Während die Verhaltensgrundlagen intertemporaler Entscheidungen mittlerweile relativ gut verstanden werden, lagen deren neurobiologische Grundlagen jedoch noch weitgehend im Dunkeln.
Der Versuchung widerstehen
Ein Team von Forschenden der Columbia University in den USA und der Universitäten Basel und Zürich hat nun eine nicht invasive Gehirnstimulation (transkranielle Magnetstimulation) angewendet, die eine schmerzfreie und kurzzeitige Minderung der Erregbarkeit des stimulierten Gehirnareals bewirkt. Anschliessend lösten die Probanden mehrere Entscheidungsaufgaben. Wer am Frontalhirn, genauer gesagt, am präfrontalen Cortex, stimuliert wurde, war weit weniger in der Lage, auf eine unmittelbare Belohnung zu verzichten – und liess sich damit grössere, jedoch in der Zukunft liegende Belohnungen entgehen. Damit konnten die Forschenden nachweisen, dass der präfrontale Cortex für den Belohnungsaufschub voll funktionsfähig sein muss.
Darf man jetzt nicht folgern, dass es möglich sein sollte, genau diese Fähigkeit zur Bedürfnis-Verschiebung zu trainieren?
… die Wahl zwischen Belohnungen, die zu verschiedenen Zeitpunkten auftreten – sind allgegenwärtig im Leben: Die Entscheidung, heute Abend daheimzubleiben und sich einen Film anzusehen oder ins Fitnessstudio zu gehen, um etwas für die zukünftige Gesundheit zu tun, gehört beispielsweise dazu. Eine intertemporale Entscheidung ist ebenso aber auch die Entscheidung, den gegenwärtigen Ausstoss von CO2 zu reduzieren, um die Klimaerwärmung in der Zukunft zu verringern.
Ob “die Sache” mit ein bisschen Frontalhirntraining schon erledigt ist, oder die eigentlichen Entscheidungen im Unterbewussten stattfinden – da bin ich allerdings skeptisch.
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