Pro Ana Seiten, Pro-Ana-Foren und gesund abnehmen mit pro-Ana
Geschrieben am 14. November 2009 von KPBaumgardt
Warum die in der Überschrift genannten Begriffe in letzter Zeit vermehrt gefragt sind, weiß ich nicht – aber es gibt zu denken.
Tröstlich, dass nicht nur “Pro-Ana-Rezepte” gesucht werden, sondern auch das Stichwort “gesund” vorkommt: “Gesund abnehmen mit Pro-Ana”.
Es wird wohl eine gewisse Neugier und Unwissenheit sein, die hinter diesen Suchanfragen steckt: Es ist irgendwie unheimlich, vielleicht auch spannend, was “Pro-Ana” bedeuten könnte – und irgendwie verpönt ja auch.
Wenn das Kürzel “Ana” sich auf “Anorexie” bezieht – also auf Magersucht, auf eine Krankheit – dann ist es allerdings absurd: Seiten und Foren, die eine Krankheit fördern – was, soviel sei nur am Rande bemerkt, auch manche Adipositas-Foren faktisch tun, indem sie unwichtige Informationen liefern, unsinnige Diäten verherrlichen und die Besucher allzu oft in einen ausweglosen Teufelskreis schicken.
Bezieht “Ana” sich auf die Anorektiker und Anorektikerinnen, die an Anorexie Erkrankten, dann ist es allerdings schade, dass es kaum Seiten und Foren gibt, die sich ihren Bedürfnissen widmen:
Dafür gibt es genügend Foren, die sich dem Kampf gegen die Anorexie verschrieben haben, wohl organisiert und teils mit gut dotierten Sozialarbeiterinnen und Psychologen im Hintergrund. Einige sind sogar richtig gut, manche sterbenslangweilig.
Was die Krankheit betrifft: In einem anderen Zusammenhang habe ich gerade den Begriff “Komorbidität” in Arbeit, und, mit diesem Begriff im Hintergrund, wird “Ana” zur reinsten Oberflächenbeschreibung:
“Ana” allein erklärt überhaupt gar nichts, da steckt mehr dahinter, Ana ist zwar eine Krankheit, aber mit vielen anderen Problemen verschwistert und verschwägert oder sonstwie verwandt.
Natürlich auch mit gesellschaftlichen Kulten, mit Schönheitsbegriffen, Vorbildern auf Laufsteg und Bühne; aber ich glaube, niemand sucht sich die Krankheit aus, und deshalb glaube ich auch nicht an die Vorbildfunktion irgendwelcher Models – dass in der “Modewelt” ein Schlankheitsideal herrscht, hat eigene Gesetzmässigkeiten, und wer an Magersucht erkrankt, tut das nicht, um “modisch” zu sein.
Beim Übergewicht ist eine “begleitende Depression” häufig zu vermuten, bei der Kehrseite des Übergewichts und der gleichen Medaille nichts anderes.
Es gibt also nicht “die Anorexie”, sondern immer verschiedene Lebensgeschichten, die zum Ergebnis “krankhaftes Untergewicht” führen, was von den Betroffenen allerdings oft sehr spät erkannt wird.
Mal als Nahrungsverweigerung (Essstörung) aus Trauer um eine verstorbene Mutter, mal, weil man abgelehnt wird, oder sich abgelehnt fühlt, mal wird der Kampf gegen das letzte Gramm Fett als Kampf in einer Lebenskrise verstanden, und sonst noch aus manchen Gründen mehr.
Die Vorbilder sind keine Krankheitsursache, aber verlogen. Sie bringen eine ganze Halle in Wallung – mit einem Abklatsch aus vergangenen Zeiten, mit vorgespielten Gefühlen, Schauspielerei um menschliche Affekte. Und doch hat die “Show” einen wahren Kern, auch wenn sie verlogen ist: Moderne Zeiten.
Bei der Kopie, die sich mit fremden Federn schmückt, läuft es einem bloß kalt den Rücken herunter, und das wirkliche Gefühl fehlt, die Kopie ist bloß ein Zerrspiegel von auf Wirkung bedachten Actressen. Also, lieber bald die Stopptaste anklicken.
Das Original:
Janis Joplins “Cry Baby”. “Cry” heißt ja “Rufen”, “schreien” oder auch “weinen”. Warum auch immer, worum auch immer. Aber manchmal muss es sein; grundloses Weinen gibt es zwar nicht, aber man kann auch weinen, ohne den Grund zu wissen. Auch empört schreien, was sich allerdings “nicht gehört”. Empört sein, und der Empörung “sehr gesittet” Ausdruck verleihen – vielleicht auch engagiert – das wäre auch Aufgabe einer pro-ana-Seite.
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