Ottolenghi-Aubergine, Genusssensation – Tödlicher Hunger, Ausreden
Geschrieben am 19. Juli 2020 von KPBaumgardt
Nie waren wir so frei in der Wahl unserer Nahrung.
Und damit in der Wahllosigkeit …
Es hat sich wenig geändert seit dem Erscheinen des Artikels, aus dem dieses Zitat stammt; „Ethik in der Ernährung“ war nicht nur vor 10 Jahren Thema, das Tierwohl ist nicht nicht erst heute ein fernes Ziel, doch immer kommt etwas dazwischen, wenn es um die verantwortungsvolle Erzeugung und global gerechte Verteilung der Nahrung geht.
Yotam Ottolenghi –Kochbuchautor, Restaurantbetreiber und Filmemacher, war vor 10 Jahren absolut „In“, und die besseren Food-Blogger folgten ihm wie die Jünger einst ihrem Jesus. Aus einem Verlags-Werbespot, der den Star der östlichen Mittelmeerküche vorstellte:
Solche Bücher bedienen das Alltagsmotto „Schmecken muss es, das ist die Hauptsache“ und versprechen gleichzeitig Neues, ein Versprechen, das zeitweise auch gehalten werden kann, solange es um bisher unmögliche Kombinationen, wie Granatapfelkerne und Aubergine geht – Heute gibt es die roten Kerne schon fertig aufbereitet im „gut sortierten Supermarkt“.
Das Rezept mit den „gefüllten Auberginen“ finden wir auch – nachgekocht und als Knaller-Lieblöingsrezept bezeichnet – auf dem Blog von Birgit, der den Namen „Emmabee“ hat.
Erforderlich sind Auberginen, *Werbung* Olivenöl, frischer Thymian (ich habe andere gehackte Käuter „quer Beet“ genommen), Salz, Pfeffer, Granatapfel, (genauer dessen herausgelösten Kerne; das fand ich von dem Gedanken an „regionale Lebensmittelversorgung her gedacht doch ein bisschen weit entfernt), *Werbung* Za’atar-Gewürzmischung (Sesam, Zitronenschalen, Cumin, Coriander, Fenchel, Zimt, Kichererbsen, Chilli, Thymian, Majoran, Basilikum, Meersalz, Sumach, Bohnenkraut) und für die Sauce Buttermilch, griechischer (das heißt fetter) Naturjoghurt. Olivenöl, Knoblauch, Salz, Pfeffer.
Bei der Zubereitung habe ich eine kleine Abweichung eingeführt: Dampfdrucktopf (hier: Multicooker) statt Backofen – das hat sicherlich viel Strom gespart, und auch funktioniert.
In die halbierten Auberginen hatte ich schließlich noch eine „Tasche“ für ein Plus an Sauce geschnitten, die Aubergine noch quer mehrmals eingeschnitten – so konnte sie sich mit Olivenöl förmlich vollsaugen, vom Knoblauch-Spicken war nach dem Garen noch ein dezenterl Effekt festzustellen. Das versprochene außergewöhnliche Geschmackserlebnis ergab sich hier auch mit vollreifen Kirschen – das war sozusagen reine Glückssache.
Zur Selbstdarstellung der @Welthungerhilfe gehört das folgende Statement:
Wir sind eine der größten privaten Hilfsorganisationen in Deutschland; politisch und konfessionell unabhängig. Wir kämpfen für #ZeroHunger bis 2030.
Ziele zu verfolgen, ist schon mal positiv. Sie richtig zu verfolgen – auch in Einklang mit parallelen Zielen – ist entscheidend für die Zukunft.
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Ein Gastartikel beim Tagesspiegel, aus der Tastatur der Landwirtschaftsministerin, legt offen, was sie vorhat: Wegen der UN-Nachhaltigkeitsziele, die alle miteinander verwoben sind, etwa „Bildung“ und „Gesundheit“. Da gibt es auf Platz 2 den Hunger, auf Platz 1 die Armut.
Gegen den Hunger will Julia Klöckner mit der Genschere vorgehen, Resistenzen – etwa gegen Pilzbefall – in Nutzpflanzen einschleusen. Ob denn jede Pflanze in jedem Klima angepflanzt werden muss, thematisiert Julia Klöckner nicht.
Gentechnik stellt sie als alternativlos dar und duldet keinen Widerspruch, denn der Hunger, das ist ein Sachzwang. Da gilt es, zu handeln, und „neue Pflanzen“ stellen neue Profite in Aussicht.
Was kann man da entgegnen?
Hunger ist kein technisches Problem, sondern ein Verteilungsproblem. Bekämpft die Ausreden beim Fleischverzehr, esst primär pflanzlich – das wirkt!
Das war ein Versuch. Positive Antworten bleiben aus.
„Das Wesen des Hungers“ zu studieren, könnte die Grundlage für weitere Antworten bilden.
Dass „Hunger ein technisches Problem sei, ist ein schlechter Mythos.
„Es ist ein Problem der Verteilung. Das Weltwirtschaftssystem ist so organisiert, dass ein Großteil der Nahrung dafür verwendet wird, die reichsten zwei bis drei Milliarden Menschen auf sehr hohem Niveau zu ernähren. Das ist eine Schande! Um ein Kilogramm Rindfleisch herzustellen, müssen wir erst einmal zehn Kilogramm Getreide oder Soja verfüttern – Nahrung, die am Ende fehlt.“
Frische Tomaten auf Baby-Spinatbett mit Bio-Frühkartoffeln in Schale im Olivenöl-Fußbad, Balkonbasilikum, halbgefüllten Frischtheken-Oliven und einer Spur wüzenden Ziegenmilch-Fetas.
„Einfach, schnell zubereitet, frisch, schmackhaft, BIO, abwechslungsreich und ausgewogen“ sei die vegane Ernährung in Zukunft – und am Geld soll sie nicht scheitern.
Logisch, plausibel und einleuchtend sind solche Anforderungen, bloß: Wer da anfordert, lässt sich nicht in die Karten schauen. Da hören wir die Bonmots wie „Vom Einfachen das Beste“, und das Beste steht auf der Rechnung.
Passend zum Interview die
Rezension: Martín Caparrós, Der Hunger
Die zentrale Frage wird oft wiederholt:
Wie zum Teufel können wir weiterleben, obwohl wir wissen, dass diese Dinge geschehen?
- Mangelernährte Mütter bringen untergewichtige Kinder zur Welt. Mangelernährung in den ersten 1000 Lebenstagen eines Menschen hat Folgen für ein ganzes Leben: geringeres Wachstum, verzögerte Entwicklung, geistige Beeinträchtigung. Auf diese Weise sind viele hungernde Menschen in einer Spirale der wirtschaftlichen Benachteiligung gefangen, aus der sie sich nicht selbst befreien können.
In der Rezension findet Ihr weitere markante Punkte, die Frage bleibt: Warum? Warum lassen wir solche Verhältnisse zu?
Bei der Bundeszentrale für politische Bildung gibt es das Buch zum erschwinglichen Preis.
„… Caparrós kommt zu der Feststellung, dass der Hunger keine schicksalhafte Tragödie ist, sondern vielmehr brutaler Ausdruck eines globalen Ungleichgewichts. So fragt das Buch auch nach der Verteilung von Privilegien und der Rolle eines jeden Einzelnen in einer von beschämender Ungerechtigkeit geprägten Welt.“
Wenn Hunger und Übersättigung zwei Seiten einer Medaillie sind, gilt es, beide Seiten zu untersuchen. Wir haben viele Erklärungen für die mangelhaften Verteilungsmechanismen, anders gesagt für die herrschende Ungleichheit und Ungerechtigkeit. Caparrós meint, das seien Ausreden, bekennt gleichzeitig, wie sehr er als Argentinier eingefleischter Fleischesser ist. Klar, als Argentinier – „das werden die Fleischessergene“ sein, das muss nur eine von vielen Ausreden sein.
Die ausreichende Grundnahrungsmittelversorgung funktioniert global nur, wenn wir uns global „vorwiegend pflanzlich“ ernähren. Das heißt in der Konsequenz: Wenn also auch der Herr Caparrós und die Frau Klöckner zur Zuccini statt zur Bratwurst greifen 😉
„Broccolilastig“ geht es hier zu. Das ist kein Rezept, eher eine Skizze oder „Studie“. Irgendwie auch mit Tofu und ein paar Reiskörnern, vielleicht als Illustration der schrägen Ideologie der Kohlenhydratarmen Ernährung. Diese Münchhausen-Geschichten von „Schlank im Schlaf“ sollten wir hinter uns haben.
Zuccini oder Würstchen?
„Wie ist das denn geschmacklich, und ist dieses „vegetarisch“ oder ganz „tierfreie“ „vegan“ auch gesund?
Wo noch oder schon so gefragt wird, gibt es Chancen, die eigentlich überwiegenden Vorurteile zu überwinden. Wir könnten einen „Sternekoch“ fragen, was er unter „gesunder Ernährung“ versteht. Als Küchenchef und Begleiter der Fußball-Weltmeister von 2014 sind diese Ansichten wahrscheinlich fundiert:
Gesund und nachhaltig essen | Tipps von Holger Stromberg
Holger Stromberg kochte zehn Jahre für die Fußball-Nationalmannschaft, beriet sie in Sachen Ernährung. In der Redezeit spricht der Sternekoch darüber, weshalb er für eine nachhaltige Lebensweise, pflanzliche Ernährung und mehr Respekt vor Lebensmitteln plädiert.
Neugier genügt – Redezeit WDR 5. Schwieriger wird es für die Zuschauer, wenn der Meister (an anderer Stelle) ein überflüssiges „Mikronährstoffkonzentrat“ bewirbt – doch so sind die kulturellen Regeln des Liberalismus.
Aus ernährungsmedizinischer Sicht geht es – zugespitzt formuliert – um den Endkampf zwischen „Real Food“ und „Fake Food“, um das „Maß-Halten“ sowieso.
Während 3-D-Drucker pflanzliche Eiweiße unbeholfen zu „Analogfleisch“ ausformen, gibt es völlig natürliche Verfahren, um mit Edelschimmelpilzen Pflanzennahrung zu Tempeh umzuformen. Hier Erdnuss-Tempeh in der Wachstumsphase.
Viele Menschen möchten weniger Fleisch essen, suchen nach Alternativen – verhalten sich dann gewohnheitsgemäß und folgen ihrem alten Programm:
Gegessen wird, was auf den Tisch kommt und gekocht wird, was bekannt -vertraut ist, und dabei handelt es sich oft um Fleischgerichte.
Gewohnheiten zu verändern, neue Rezepte zu testen, das ist auch ein Zeitfaktor. Wobei uns das die Zeit wert sein sollte.
Vor dem Testen kommt das Entwickeln der Rezepte. Ein Geheimnis: In dieser „Bolognese“ an Vollkorfarfalle ist Tempeh verarbeitet, und kein „Fleischesser“ wird hier seinen Fetisch (~ das, was manche brauchen, um annähernd glücklich zu sein) vermissen.
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